„Auf jeden Fall Idylle in der Innenstadt oder so etwas“, antwortet Hares Sivalingam auf meine Frage, mit welchen Stichworten er sein Lokal beschreiben würde. Und er hat vollkommen Recht. Das zwischen Glocke und Bremer Dom gelegene Restaurant D’Oro bietet eine Terrasse mit Blick auf den Bibelgarten, die stadtweit ihresgleichen sucht und zwischen Frühling und Sommer eine der schönsten Zufluchten für alle ist, die in der City eine malerische Ruheoase suchen.
An diesem Novembertag ist die Kulisse jedoch alles andere als malerisch. Es ist 15 Uhr, die Dämmerung setzt ein und draußen ist es schweinekalt. Fürs Foto sitzen wir zwar nicht mal zwei Minuten draußen – doch während ich mich innerlich im Todeskampf winde, ist Sivalingam in seinem Element. „Ich kann nicht genug davon kriegen. Ich liebe die Kälte“, erzählt er und verrät, dass er seinen letzten Urlaub in Alaska verbracht hat. „Meine Verlobte habe ich noch nicht so weit, dass wir unsere Flitterwochen dort verbringen. Aber irgendwann müssen wir nach Sibirien.“
Unterschiedlicher könnten wir zwei nicht sein: Er liebt die Kälte, ich hasse sie. Er begab sich mit 25 Jahren in die gastronomische Selbstständigkeit und damit ins absolute Geschäftsrisiko, während ich gerade auf den sicheren Hafen Beamtentum zusteuerte. „Ich bin kein Risikotyp“, ergänzt der Bremer, „aber ich kannte den Laden halt in- und auswendig.“ Den Einstieg in die Eventgastronomie fand er schon während seines Abiturs. „Getränkeverkauf vor dem Einlass, Essensausgabe während der Pause, ich habe alles gemacht und habe es geliebt“, erinnert sich der 28-Jährige zurück. Als Sivalingam 2017 inmitten seines Elektrotechnik-Studiums mitbekam, dass die Stadt Bremen die Gastronomie in der Glocke ausschrieb, sah er seine Chance: „Ich habe ein 50-seitiges Konzept geschrieben und meine Bewerbung abgegeben.“
Mit Erfolg. Seit August 2018 ist Sivalingam der Geschäftsführer des Lokals, dessen Küche er als „europäisch-mediterran angehaucht“ beschreibt. Das trifft im weiteren Sinne auch auf unsere Vorspeise zu: ein Rote-Bete-Salat (10,90 Euro) mit Himbeervinaigrette, frischer Birne, gerösteten Walnüssen, Rucola, Wildkräutersalat und Ziegenkäse. Die Komposition passt gut in die Jahreszeit: Der Salat ist frisch, knackig und in Kombi mit dem Käse, der Bete sowie der etwas zu dezenten Vinaigrette gut.
Probiert und empfohlen: Als Nächstes wenden wir uns einem gegrillten Lachsfilet mit Möhrenpüree und Röstkartoffeln zu (17,50 Euro). Es ist ein Gericht, bei dem man eigentlich wenig falsch machen kann. Umso größer ist mein Bedauern, abgesehen von den durch und durch soliden Kartoffeln einige Mängel feststellen zu müssen. Der Fisch hat die Pfanne wohl zu sehr geliebt, um sich rechtzeitig von ihr zu verabschieden. Umgekehrt hat das an sich cremige Möhrenpüree den Herd offenbar zu früh verlassen und den Weißwein noch nicht ganz ausgekocht. Diesbezüglich schließt Sivalingam sich meiner Meinung an, beim Lachs sieht er es anders: „Ich mag das gerade so.“
Weil mein Gegenüber von früher noch genau weiß, wie sehr ich das Ossobucco mochte, hat er es in Kombination mit Röstgemüse, Selleriepüree, Gremolata und Kartoffelgratin auf die Karte gepackt. Klug! Eine konstruktiv gemeinte Kritik ist meine Frage nach der Idee, das an sich leckere Selleriepüree und das leider langweilige Kartoffelgratin kombiniert anzubieten. Wie schon bei der vorherigen Püree-Röstkartoffel-Paarung erschließen sich die Duette bei mir nämlich leider weder optisch noch geschmacklich. Grillgemüse oder ein Salat wären meiner Meinung nach besser geeignet, das Beilagenarrangement rund und das Gericht vollkommen zu machen. Denn dass der Star des Tellers, die geschmorte Kalbshaxe, seine Rolle erfüllt, steht außer Frage: „Deftig, zart und sie fällt auseinander“, sagt Sivalingam. Zusammen mit der kräftig-aromatischen Jus ist die Haxe für sich genommen ein voller Genuss.