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Bremer Tischgespräch Das Hegartys ist eine Institution des Viertels

Das Hegartys ist eine Institution des Viertels. Obwohl es ihren Irish Pub seit fast über 25 Jahren gibt, wüssten die wenigsten, dass es hier auch richtiges Essen gibt, sagt Inhaberin Wendy Vesshoff.
03.11.2021, 18:00 Uhr
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Das Hegartys ist eine Institution des Viertels
Von Temi Tesfay

Der 1. Mai 1997 war für Wendy Vesshoff doppelt bedeutsam. Erstens, weil sie den Vertrag für die Übernahme ihres heutigen Lokals unterschrieb. Zweitens, weil sie währenddessen hochschwanger im Kreißsaal lag. „Wie kann das passieren?“, frage ich und erhalte eine entwaffnend ehrliche Antwort: „Man denkt nicht nach.“ Prompt schiebt sie eine weitere Episode hinterher, die davon handelt, wie sie ihre kirchliche Hochzeit wenige Monate später mitten in die Zeit des Viertelfests gelegt hat. „Das war so stupid“, lacht die Kanadierin, die sich über solche Geschichten heute gut amüsieren kann.

Darauf erst mal ein Bier. Was im Hegarty's naturgemäß etwas Besonderes ist. Über die Jahre habe ich hier Freundschaft mit Lager und Kilkenny geschlossen, Feindschaft aber mit einem Gebräu, das so pechschwarz wie bitter ist. „Guinness schmeckt vielen nicht“, weiß auch die Expertin. Und gibt eine Trinkempfehlung, die zunächst viel zu einfach klingt. „Du musst einen großen Schluck nehmen. Dann wird es süß.“ Es ist kaum zu glauben, aber der Trick funktioniert.

Für gewöhnlich ist Bier die Begleitung einer deftigen Speise. Im Irish Pub gilt diese Regel ebenfalls, nur eben andersherum. „Viele wissen nicht, dass wir hier Essen haben“, bringt die Wirtin zur Klage, der nun dreifach stattgegeben wird. So probieren wir zunächst mit dem Steak Sandwich (9,70 Euro) eine getoastete Baguette-Hälfte, die mit Rumpsteak und gebratenen Zwiebeln belegt ist. Dazu gibt es Pommes und einen Salat. „Für mich ist das ein besserer Hamburger“, findet die gelernte Köchin und begründet es damit, dass man mehr vom Salat habe, das Fleisch besser und die Portion größer sei. Ihre Belege kann ich bestätigen, nur beim Vergleich lege ich ein Veto ein.

Probiert und empfohlen: „Mein Mann wollte das auf der Karte haben. Er liebt es von Taco Bell. Ich dachte nur ,oh my god'. Und jetzt denkt er, dass er der Held ist, weil alle besoffen herkommen und das in the middle of the night essen.“ Was Vesshoff ankündigt, ist der Renner aus der Kategorie Fingerfood: die Chilli Cheese Fries (6,90 Euro). Deftige Pommes mit hausgemachtem Chilli und einer cremigen Jalapeno-Käsesauce. 

„Das ist Comfort Food“, taxiert die 50-Jährige gleich im Vorfeld den Reflexionsanspruch für die anschließende Kritik. „Das ist fies“, bemerkt wiederum unser Fotograf nach seiner Probe – und trifft mein Dilemma auf den Punkt. Denn zum einen darf Selbstbescheidung natürlich nicht über alle Kritikmaßstäbe erhaben machen. Zum anderen sollte das Besteck, mit dem Kritik geübt wird, flexibel auf das jeweils Vorgesetzte eingehen können. Was in diesem Fall ungemein schwierig ist.

Einerseits signalisiert mir mein Hirn, dass ich durchschnittliche, mit fertiger Käsesauce übergossene Pommes probiere. Andererseits werden diese Signale von meinem Gaumen gekappt, der – auf niederträchtigste Weise von diesem Paradebeispiel eines Hangover-Foods erobert – nur weiter getriggert werden will. Also ja, das ist fies. Und es entbehrt einer gewissen Ironie, dass es oft gerade die seelenlosesten Gerichte sind, welche die Seele am sanftesten streicheln.

Beim Guinness Stew (8,90 Euro) fällt allerdings beides zusammen. Auf zehn Liter Gesamtmenge kommen hier drei Liter des irischen Bieres, die zusammen mit zuvor angebratenem Rindfleisch, Kartoffeln und Möhren über drei Stunden geschmort werden, bis das Fleisch schön zart ist. Das Ergebnis wird uns nun in einer Terrine von jemandem gebracht, den Vesshoff als ihren Neffen und Chefkoch präsentiert. 

Als ich ihn um sein generelles Feedback bitte, zeigt er sich zunächst selbstkritisch: „Also wir verkaufen die Dinger wie blöde, aber am wenigsten mochte ich die Chili Fries. Die sind zu matschig.“ Anschließend benennt er den Stew als seinen klaren Favoriten, „weil es eine sättigende, authentische irische Mahlzeit ist“. „Good boy“, klopft ihm die stolz grinsende Chefin auf die Schultern, doch er wehrt sich: „No, it’s my honest opinion.“ Meine auch. 

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Zur Person

Temi Tesfay hat Hunger auf Bremen. Auf seinen wöchent­lichen Streifzügen durch die heimische Gastroszene hat er schon viele Küchen, Köche und ­kulinarische Schätze der Stadt kennengelernt. Unter dem Titel „Ein Bisschen Bremen“ schreibt er außerdem einen Foodblog.

Info

Hegarty’s Irish Pub, Ostertorsteinweg 80, 28203 Bremen. Telefon: 0421/701297, Öffnungszeiten: Montag von 17 bis 0 Uhr, Dienstag bis Donnerstag von 17 bis 0.30 Uhr, Freitag und Sonnabend von 17 bis 2.00 Uhr, Sonntag von 17.00 bis 23.00 Uhr. www.hegartys.de.

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