Achtung, heute wird es sehr subjektiv: Ich war im Roma, das Lokal, in dem wir als Familie in den vergangenen 20 Jahren schon viele, viele Stunden verbracht haben. In dem wir uns mal über den Service gefreut und mal geärgert haben, in dem wir manchmal umdrehen und nach Hause gehen mussten, weil wir vergessen hatten einen Tisch zu reservieren. Beim „Italiener an der Bahnschranke“ haben wir mit Freunden ganz familiär einen großen Topf Pasta Milanese mit Rucola und frischen Cherrytomaten geteilt, während die Kinder unter dem Tisch gespielt haben, Zeugnisse gefeiert und Oma und Opa zur Einschulung ausgeführt. Wir haben hier gelacht, aber auch geweint – als erst Vincenzo und dann Sebastiano starben.
Die beiden Brüder haben das Roma von ihrem Vater Francesco übernommen, der es gemeinsam mit Nonna Enza 1979 in dem ehemaligen Bahnhof am Herzogenkamp eröffnete. Damals waren Pizza und Pasta zwar schon im Norden angekommen, aber gehörten noch lange nicht in den wöchentlichen Speiseplan der Bremer. Zwischen dicht besetzten Blumenfenstern, weiß-roten Tischdecken, Fototapete und Familienbildern aus der Heimat vermittelten die Rizzos der ersten Generation sizilianisches Dolce Vita. Nonna Enza half auch noch in der Küche mit, als die Söhne mit Schwiegertochter Mirella den Ruf des Roma als ungezwungenes Familienlokal festigten.
Roma in Lehe: Wer dünnen Pizzaboden mag, ist hier richtig
Mittlerweile betreibt Francesco Rizzo, getreu guter sizilianischer Tradition nach seinem Großvater benannt, das Restaurant gemeinsam mit seiner Schwester Sarah und Mutter Monika. „Ich kann mich noch gut an die Kühe nebenan erinnern“, sagt Francesco Rizzo, der schon als kleiner Junge oft im Restaurant war und später wie selbstverständlich half. Aber eine Ausbildung zum Koch stand für ihn nicht zur Debatte. Warum auch?
„Ich habe eine Lehre zum Groß- und Außenhandelskaufmann gemacht, davon profitiere ich jetzt. Das Pizzabacken und Kochen hat mir mein Vater beigebracht“, sagt der 39-Jährige während wir uns eine Pizza Ruchetta (14 Euro) mit Parmaschinken, Rucola und frischem Parmesan teilen. „Jeder Pizzabäcker hat seine Vorliebe“, erklärt er mir.
Francesco zum Beispiel verwendet immer etwas Weizengrieß kurz bevor die Pizza in den Steinofen wandert. Das schmeckt man, die Unterseite ist leicht rau. Wer einen dünnen Boden mag, ist im Roma richtig. Hier kommt die Pizza leichtfüßig daher – sie ist nicht zu üppig belegt und lässt sich gut mit den Händen essen. „Pizza e pane con le mani.“
Roma-Chef macht seine Salsiccia selbst
Als zweites Essen habe ich mir Taglioni Salsiccia (14,50 Euro) gewünscht, weil sie mich an Sebastiano erinnern. Ich kannte damals keine Salsiccia und war von der Kombination Fenchel und Pasta völlig überrascht. Was soll ich sagen: Ich mag es noch immer. Die Nudeln sind al dente, der Fenchelgeschmack nicht überlappend und der Teller hübsch angerichtet. Letzteres geht im Wochenendtrubel oft unter, ist für die Kunden, die nachmittags unter der Woche kommen, aber normal. „Die Salsiccia mache ich selbst“, sagt Francesco stolz, „aus Iberico-Nacken, Wein, Fenchel und etwas Orangenabrieb.“
Gute Zutaten für eine solide sizilianische Küche seien ihm wichtig, sagt er. Besonders seit er einen Kochkursus zum Thema "Zunge und Geschmack" besucht hat. „Den sollte jeder machen“, ist er überzeugt, und ich wünsche mir, dass das Beilagengemüse davon künftig profitiert. Denn mein Favorit ist „Pesce misto“, die gemischte Fischplatte mit Loup de Mer, Dorade, Calamari und Gamba (24,50 Euro), aber dazu schmeckt auch Salat.
Das sagen Stammgäste: Das Roma ist das Roma und Sonntag ist Stammtisch. Hier gibt es eine Karte? Gucke immer nur auf die Tafel. Sarah ist die Seele des Lokals. Bestes Tiramisu. Schon wieder ein Zug.