„Wir waren sehr fleischlastig“, erzählt Arshi Modhvadia. Der 53-Jährige ist sogenannter Food-and-Beverage-Manager des Radisson Blu Hotels und sitzt mir mit seiner Kollegin Saskia Albers gegenüber. Ich beneide sie um ihren Blick in den Raum, der mit der Glaskuppel eher an die Galleria Vittorio Emanuele in Mailand erinnert als an ein Restaurant in der Bremer Altstadt. Das The Lobby ist imposant. Ein riesiges Atrium, umgeben von wie Tribünen wirkenden Hotelzimmern, zwei Kronleuchtern und einer mitten im Raum postierten 360 Grad-Bar. Hier kann man heiraten, ein Bankett veranstalten oder seine Frau am Hochzeitstag beeindrucken. Aber auch genießen?
Um diese Frage zu beantworten, bin ich hergekommen. Und treffe auf einen Manager, der das alte Konzept kritisch überdenkt: „Alles drehte sich um Burger und Steak. Wir hatten 90 Prozent Fleisch und zehn Prozent vegetarisch.“ Während der Corona-Pandemie habe man Zeit gehabt, in eine andere Richtung zu denken. „Wir wollen mehr Wert auf Nachhaltigkeit legen. Darum gibt es hier auch kein All you can Eat mehr. Vor allem aber weniger Fleisch, dafür mehr Gemüse“, erklärt Saskia Albers das neue Konzept.
„Wir möchten zeigen, dass man auch genussvoll auf unseren Planeten achten kann“, ergänzt Modhvadia und tritt mit dem Caesar Salat (12,50 Euro) den ersten Beweisversuch an. „Unsere Alternative zur klassischen Version“, beschreibt er die vegane Variante, welche der weitverbreiteten Version mit Hähnchenbrust, Speck und Parmesan nicht nur auf Topping-Ebene begegnen muss. Sondern auch in der Essenz, also dem Dressing, wo Eigelb, Sardellen und Parmesan naturgemäß zum Einsatz kommen. Die vegane Variante schmeckt zwar anders, aber äußerst lecker.
Die leicht marinierten Salatstücke sind knackig und erfüllen mit den üblichen Beilagen das erwartete Soll. Eine schöne Überraschung sind die gerösteten Kichererbsen, die im Mund genauso schnell verpuffen wie die Idee, gegrillte Salatherzen zu servieren. Wenn das als Ersatz fürs Hähnchen für Volumen und Herzhaftigkeit sorgen soll, erfüllt es das eine vorzüglich. Herzhaft ist es allerdings so gar nicht. Der zuvor ausbalancierte Salat wird durch die beiden Herzstücke, die nach warmem Nichts schmecken, in Schieflage gebracht. Schade, aber nichtsdestotrotz ein guter Salat.
Probiert und empfohlen: Als Nächstes gibt's die hausgemachten Rote Beete-Gnocchi mit gerösteter Karotte, Karottenjus und Wildkräutern (21 Euro). Wer fleischfreie Küche mit farbloser Geschmackstristesse in Verbindung bringt, wird hier schon ausgetrickst, bevor die Assoziation erst hergestellt werden kann. Denn dieser Teller ist optisch so bunt und lebendig, dass man hier alles andere als Langeweile erwarten kann.
Das marinierte Gemüse schmeckt toll. Die ebenso bissfeste wie weiche, intensiv nach Beete schmeckenden Gnocchi sind hervorragend. Zusammengenommen ist das Gericht ein nahezu vollendet gelungenes Beispiel für veganen Gaumengenuss. Nur an einer Stelle bricht es mit der Logik: beim Karottenjus ist die Sinnfrage zu stellen. Denn sowohl geschmacklich als auch farblich erschließt sich eine Karotten-Karotten-Kombination nur begrenzt. „Ich bin eigentlich kein Rote Beete-Fan“, sagt Saskia Albers und wird grundsätzlich. „Dann hab ich das gesehen und dachte: Boah, das ist richtig lecker.“
Zu guter Letzt fällt die Wahl auf den weißen Heilbutt mit Petersilienwurzel-Püree, Safran-Schaum, Möhren und Queller (31 Euro). Es ist eine schöne Komposition, die sehr gelungen ist. „Die Süße der Petersilienwurzel harmoniert wunderbar mit dem Fisch“, lobt etwa Albers. Dem kann hinzugefügt werden, dass der knackige Queller, auch bekannt als Meeresspargel, eine frische Säure einbringt. Als Manko ist dennoch zu nennen, dass der Fisch leider zwei Spuren überbraten ist. Und sich artig bei der vollmundigen Safran-Creme bedanken darf, die sich wie ein Weichzeichner an den Gaumen schmiegt.