Ein- oder zweimal pro Woche nimmt sich Ute Miemczyk eine Auszeit von ihrem normalen Leben und investiert stattdessen Zeit in Menschen, die am Ende ihres Lebensendes stehen. Miemczyk ist eine von mittlerweile knapp 400 Ehrenamtlichen in Bremen, die sich bei den ambulanten Hospizdiensten engagieren. Eine Zahl, die zuletzt gestiegen ist, genauso wie die Zahl derer, die sich auf ihrem letzten Weg durch solche Organisationen begleiten lassen wollen.
Dass sich immer mehr Menschen eine ehrenamtliche Begleitung bis in den Tod wünschen, leitet der Verband der Ersatzkassen (VDEK) in Bremen aus der Statistik ab: Im vergangenen Jahr haben die acht ambulanten Hospizdienste in Bremen 462 Menschen begleitet, in 2022 waren es 395. „Durch Corona war die Inanspruchnahme zurückgegangen, nun steigt sie wieder", sagt Torsten Barenborg, Leiter der VDEK-Landesvertretung. Aus seiner Sicht ist das eine gute Entwicklung, denn sie zeige, wie wichtig neben der medizinischen Versorgung die menschliche Zuwendung am Lebensende sei.
Auch der Förderbetrag durch die Ersatzkassen stieg den Angaben zufolge zuletzt: von etwa 361.000 Euro in 2022 auf gut 400.000 Euro in 2023. Alle gesetzlichen Krankenkassen zusammengenommen stellen demnach in diesem Jahr 987.711 Euro für Aus-, Fort- und Weiterbildungen der Helfer sowie für die Sachkosten der Hospizdienste zur Verfügung.
Friedhelm Pielage, Geschäftsführer des Palliativ-Verbands Bremen, über den die Förderanträge der ambulanten Hospizdienste eingereicht werden, ordnet im Gegensatz zum VDEK die Zahlen eher als Rückkehr zur Normalität nach der Pandemie ein. Seinen Angaben zufolge lag die Höchstzahl der Begleitzahlen 2018 noch bei 501 Fällen. Den Anstieg der Fördersumme erklärt er mit den höheren Kosten, die die Hospizdienste zu tragen haben, zum Beispiel durch Lohnangleichungen.
Aktuell hätten sie tatsächlich einen Schwung an Anfragen, sagt Kirsten Glander als eine von vier Koordinatorinnen im ambulanten Hospizdienst Hospiz Horn. Er zählt zu den größten in Bremen. Von einem generellen Zuwachs will sie noch nicht sprechen, durchschnittlich 90 sogenannte abgeschlossene Begleitungen gäbe es im Schnitt jährlich durch den Hospizdienst.
Gleichzeitig registriert Glander aber, dass es immer mehr einsame Menschen gibt, die sich eine Sterbebegleitung durch Besuche und Gespräche wünschen. "Und es besteht deutlich mehr Informationsbedarf", sagt sie. "Die Menschen, die bei uns anrufen, sind oft verloren im Chaos der vielen verschiedenen Möglichkeiten, schmeißen ambulant und stationär durcheinander und können mit Palliativstation nichts anfangen."
Tägliche Besuche
Wie viele Stunden sie in ihre ehrenamtliche Arbeit investiert, kann Ute Miemczyk nicht sagen. Wenn eine Begleitung in die akute Sterbephase hinübergleite, schaue sie täglich vorbei oder rufe an, sagt die 55-Jährige, "man baut ja eine Verbindung auf und möchte die Familie nicht allein lassen." Miemczyk hat beim Hospiz Horn eine Ausbildung über 100 Stunden zur ehrenamtlichen Sterbebegleiterin absolviert und engagiert sich seit mehr als einem Jahr für den ambulanten Hospizdienst. In diesem Zeitraum hat sie nach eigenen Angaben zwei Sterbenskranke und ihre Angehörigen auf dem letzten Weg begleitet. Die Zahl der Ehrenamtlichen wie Miemczyk ist laut VDEK in Bremen von 378 in 2022 auf 392 in 2023 gestiegen.
"Ich habe persönliche Erfahrung mit Tod in der Familie gemacht", sagt Miemcyk. "Sich alleine fühlen und nicht wissen, wo es längs geht oder was man noch tun kann", das kenne sie. Ursprünglich wollte Miemcyk in das Thema Kindersterbegleitung einsteigen. Das habe sich beruflich aber nicht organisieren lassen. Durch ein Gespräch auf einer Beerdigung sei sie dann auf den Verein Hospiz Horn aufmerksam geworden. "Ich möchte der Gesellschaft etwas zurückgeben: Menschen in dieser schwierigen Situation zu helfen, Zeit zu schenken und einfach nur da zu sein", sagt die Schwachhauserin.