- Wann hat der Pollenflug in diesem Winter eingesetzt?
- Warum ändern die gesunkenen Temperaturen nichts daran?
- Werden die Verschnaufpausen für Pollenallergiker künftig immer kürzer?
- Macht sich der verfrühte Pollenflug in Bremer Arztpraxen bemerkbar?
- Wie werden die eher für den Winter typische Hausstaub- und eine Pollenallergie voneinander unterschieden?
- Für welche Patienten kommt eine sogenannte spezifische Immuntherapie, auch Hypo- oder Desensibilisierung genannt, infrage?
- Zu welcher Jahreszeit wird mit der Therapie begonnen?
- Was sind Alternativen zur spezifischen Immuntherapie, zum Beispiel bei leichten Beschwerden?
- Pollenallergiker leiden häufig unter Asthma oder auch Neurodermitis – was bedeutet das für die Behandlung?
Niesattacken, tränende und juckende Augen, die Nase läuft und ist verstopft, Abgeschlagenheit und Atemprobleme: Die zeitweise milden Temperaturen in diesem Winter haben dafür gesorgt, dass Pollenallergiker bereits mit typischen Symptomen zu kämpfen haben. Auch die aktuell gesunkenen Temperaturen würden diese Entwicklung nicht mehr großartig ändern, sagt Matthias Werchan, Landschaftsökologe der Stiftung Deutscher Polleninformationsdienst. Seit Jahren gebe es den Trend zu immer milderen Wintern. Die Folge: Die Verschnaufpausen für Allergiker fallen immer kürzer aus.
Wann hat der Pollenflug in diesem Winter eingesetzt?
"Die Haselnuss blüht in einigen Regionen schon seit Dezember, an einigen Standorten wurden auch bereits Erlenpollen gemessen", sagt Pollenanalyst Werchan. "Der erschreckend milde Jahreswechsel hat zusätzlich dazu beigetragen, dass die Pollen förmlich über Deutschland hereingebrochen sind." Vor allem im Südwesten seien innerhalb kürzester Zeit besonders hohe Haselpollen-Konzentrationen gemessen worden – so früh wie nie zuvor in den vergangenen Jahrzehnten. "Das ist ein historischer Auftakt der Pollensaison", betont der Wissenschaftler. Die Haselblüte habe sich seitdem über das ganze Land ausgedehnt – bis in den Norden. Im gesamten Süden und Westen befinde sie sich in den Tieflagen in Vollblüte. "Das ist wirklich enorm, immerhin befinden wir uns mitten im Winter."
Warum ändern die gesunkenen Temperaturen nichts daran?
Damit etwa die Blüte bei der Hasel erfriere, müssten die Temperaturen richtig weit in den Keller gehen, erklärt Werchan. "Temperaturen bis minus zehn Grad Celsius steckt die Hasel noch gut weg. Kritisch wird es erst unterhalb dieser Schwelle, sodass Haselkätzchen abfrieren, die dann nicht mehr zum Pollenflug beitragen." Dies sei aktuell aber nicht zu erwarten. "Das heißt: Was bereits blüht, kann weiterhin Pollen abgeben – vielleicht ein wenig gedämpft, weil sich noch nicht ausgereifte Blüten aufgrund der Temperaturen nicht so schnell entwickeln können."
Werden die Verschnaufpausen für Pollenallergiker künftig immer kürzer?
Der Durchschnittstag dafür, dass sämtliche Haselnusssträucher blühten und reichlich Pollen verteilten, sei in den 1990er-Jahren der 10. Februar gewesen, davor sei es im Mittel erst am 25. Februar soweit gewesen, sagt Agrarmeteorologe Wolfgang Janssen vom Deutschen Wetterdienst in Offenbach. "Diese Entwicklung weist ganz klar darauf hin, dass sich etwas verändert – das ist durchaus den Folgen des Klimawandels zuzuschreiben. Und es ist davon auszugehen, dass sich diese Tendenz fortsetzt", ergänzt Pollenexperte Werchan.
Macht sich der verfrühte Pollenflug in Bremer Arztpraxen bemerkbar?
"Die Patienten kommen immer häufiger auch im Winter mit den klassischen Symptomen des Heuschnupfens", sagt der Bremer Hautarzt und Allergologe Professor Jörn Elsner. "Früher war es so, dass in den Wintermonaten und der Heizperiode typischerweise Hausstaubmilben für die entsprechenden Symptome sorgten." Diese ähnelten den Beschwerden einer Pollenallergie. "Bei einem Allergietest zur Bestätigung stellt sich sehr häufig heraus, dass eben nicht Hausstaubmilben die Ursache sind, sondern Pollen der Frühblüher Hasel, Erle oder Birke. Dies merken wir deutlich in milden Winter, wie in dieser Saison."
Wie werden die eher für den Winter typische Hausstaub- und eine Pollenallergie voneinander unterschieden?
Zum einen durch die Schilderung der Symptome, zu welcher Jahreszeit und insbesondere auch Tageszeit sie auftreten. Bei einer Hausstauballergie sind die Beschwerden laut Elsner typischerweise morgens beim Aufwachen stark, bei Pollenallergikern eher tagsüber. Mit einem sogenannten Pricktest kann die Allergie bestimmt werden: "Dabei werden Allergenlösungen in Tropfenform auf die Haut aufgebracht und mit einer feinen Lanzette oder Nadel oberflächlich eingestochen", informiert das Paul-Ehrlich-Institut (PEI). Liegt eine Allergie gegen das getestete Allergen vor, entwickelt sich an der Einstichstelle eine juckende Quaddel. Eine weitere Möglichkeit zur Diagnose, etwa bei unklarem Befund, sei eine Blutuntersuchung, um spezifische IgE-Antikörper nachzuweisen, erklärt Elsner.
Für welche Patienten kommt eine sogenannte spezifische Immuntherapie, auch Hypo- oder Desensibilisierung genannt, infrage?
"Die Hyposensibilisierung ist bisher die einzige Behandlungsmethode, die an der Ursache ansetzen kann", sagt Anja Schwalfenberg vom Deutschen Allergie- und Asthmabund (DAAB). "Die Therapie ist besonders bei langanhaltenden Beschwerden gefragt." Bei Allergiepatienten sei das Immunsystem fehlgesteuert, es richte sich gegen eigentlich harmlose Umweltbestandteile wie Pollen von Bäumen oder Gräsern oder Hausstaubmilbenkot, erklärt Professor Oliver Pfaar, Allergologe am Uniklinikum Marburg. Durch die Therapie könne das Immunsystem umerzogen werden. Eine Desensibilisierung sei vor allem auch bei leichten Formen des allergischen Asthmas geeignet, betont der Bremer Allergologe Elsner. "Den Patienten werden im Prinzip die Allergene verabreicht. Zum einen ist das in Form von Tropfen oder Tabletten möglich, die unter die Zunge genommen werden, oder als Spritzen in den Oberarm."
Zu welcher Jahreszeit wird mit der Therapie begonnen?
Therapie-Start ist in der pollenarmen Zeit. "Wir machen es so, dass wir bei der Birkenpollenallergie in der Regel im Oktober starten", erklärt Elsner. Dabei würden gleichzeitig Allergien gegen Hasel und Erle mitbehandelt. "Fliegen schon die ersten Haselpollen im Dezember, haben die Patienten dann schon den ersten Schutz." Tropfen oder Tabletten würden täglich über einen Zeitraum von etwa einem halben Jahr eingenommen – bis die Pollenzeit beendet ist. Insgesamt über drei Jahre oder auch länger. Bei der subkutanen Immuntherapie wird laut DAAB-Expertin Schwalfenberg alle vier Wochen eine Erhaltungsdosis unter die Haut am Oberarm gespritzt. Dies geschehe in der Arztpraxis, gefolgt von einer mindestens 30-minütigen Beobachtungszeit. "Wichtig dabei ist, dass das Allergen hoch genug dosiert wird", betont Elsner. "Mit der Spritzen-Therapie beginnen wir in der Regel im September oder Oktober und führen diese kontinuierlich über drei Jahre fort – in einigen Fällen auch über fünf Jahre."
Was sind Alternativen zur spezifischen Immuntherapie, zum Beispiel bei leichten Beschwerden?
"Es gibt sehr gute Medikamente, die als Antihistaminikum oder als Mischpräparate aus einem Antihistaminikum und Kortison in die Nase gesprüht werden", erklärt der Bremer Hautarzt und Allergologe. Das Spray könne laut neuester Empfehlung bei Bedarf eingesetzt werden. Alternativ gebe es Antihistaminika in Tablettenform, klassische Präparate wie Cetirizin und Loratadin seien freiverkäuflich. Bei einer starken Symptomatik sei auch eine Kombinationstherapie möglich. Spray und Tabletten wirkten allerdings nur gegen die aktuellen Beschwerden.
"Was auf gar keinen Fall gemacht werden darf, ist eine intramuskuläre Gabe von Kortison, dies ist auch der aktuellen medizinischen Leitlinie zu entnehmen", warnt Elsner. "Der Grund sind schwerwiegende Nebenwirkungen, die sich erst später einstellen. Dies sind eine massive Osteoporose und schwerwiegende Gefäßveränderungen. Schlimmstenfalls können die Patienten Aneurysmen entwickeln, also Gefäßaussackungen, die platzen können. Das ist lebensgefährlich. Diese Depot-Präparate sind Gift." Etwas anderes sei es, wenn etwa für einige Tage Kortison-Tabletten zum Einsatz kämen.
Pollenallergiker leiden häufig unter Asthma oder auch Neurodermitis – was bedeutet das für die Behandlung?
Bei leichteren Formen des allergischen Asthmas kommen laut den Experten unter anderem Sprays zum Einsatz: Diese gebe es als Kombipräparate mit einem Kortison und einem Mittel, das die Bronchien erweitert. "Bei schweren Fällen sollte ein Lungenfacharzt aufgesucht werden", rät Elsner. Nach Angaben des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWIG) zeigen Studien, dass Menschen mit Asthma von einer spezifischen Immuntherapie profitieren können. "Sowohl das Spritzen als auch die Gabe der Lösung unter die Zunge können helfen, die Beschwerden zu lindern und Asthma-Anfällen vorzubeugen", heißt es auf der Internetseite des Instituts (gesundheitsinformation.de).
Ein Neurodermitis-Schub, der durch Pollen ausgelöst wird, zeige sich vor allem im Gesichtsbereich, am Hals oder auch am gesamten Körper. Neben Salben und anderen Medikamenten sei die sogenannte Photo-Sole-Therapie, eine Bade-Licht-Behandlung, sehr wirksam. Seit Oktober 2020 werden die Kosten für die Therapie auch bei Neurodermitis von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen.