- Was bezeichnet der Begriff Vogelgrippe?
- Was passiert, wenn sich Vögel mit der Vogelgrippe infizieren?
- Was hat es mit diesem Hämagglutinin H5 auf sich?
- Kann ein Vogelgrippevirus auch Menschen infizieren?
- Gab es denn bereits Ansteckungen von Menschen?
- Gab es auch schon Übertragungen zwischen Menschen?
- Was ist so besonders an H5N1 2.3.33b?
- Steht uns eine Vogelgrippepandemie kurz bevor?
Wer sich auf das Ende der Covid-19-Pandemie freut, für den gibt es schlechte Nachrichten: Virologen beobachten mit Besorgnis die Entwicklung der Vogelgrippe. Erstmals wurde im vergangenen Jahr ein Fall bekannt, in dem sich eine Virusvariante von Säugetier zu Säugetier verbreitet hat. In Deutschland gibt es bislang nur Einzelfälle. Virologe Andreas Dotzauer von der Universität Bremen beruhigt: Das Gefahrenpotenzial ist zwar groß, doch bis zu einer Pandemie muss das Virus weitere Hürden nehmen. Alle wichtigen Fragen und Antworten im Überblick.
Was bezeichnet der Begriff Vogelgrippe?
Influenza-A-Viren treten in unterschiedlichen Subtypen auf und befallen unterschiedliche Tierarten. Manche von ihnen können Menschen infizieren – das sind jene, die die saisonalen Grippewellen verursachen. Andere Influenza-A-Viren sind an Vögel angepasst. Die Symptome dieser Krankheit bezeichnet man als Vogelgrippe oder Geflügelpest.
Was passiert, wenn sich Vögel mit der Vogelgrippe infizieren?
„Es gibt unterschiedlich aggressive Erreger“, erläutert Dotzauer. Festgelegt wird das durch die Gensequenz für das Protein Hämagglutinin. Die meisten Vogelgrippeviren verursachen relativ milde Symptome, aber manche sind für Vögel gefährlich. Die Tiere werden schwer krank und sterben daran. Meist handelt es sich dabei um Viren mit der Hämagglutinin-Variante H5 oder H7. Die aktuelle Vogelgrippewelle gehört zum Typ H5.
Was hat es mit diesem Hämagglutinin H5 auf sich?
Mit diesem Protein erkennt das Virus seine Zielzellen und bindet an passende Strukturen auf der Zelloberfläche. Das Virus verschmilzt dann seine Membran mit einer Membran der Zelle. „Erst dadurch wird das Virus in der Zelle freigesetzt und kann sich vermehren“, erklärt Dotzauer. Grob könnte man die Funktion mit dem Spike-Protein des Corona-Erregers vergleichen.
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Kann ein Vogelgrippevirus auch Menschen infizieren?
„Ja“, warnt Dotzauer, „die Virusvermehrung findet statt, aber die neu im Menschen gebildeten Viruspartikel enthalten das H5-Protein in ihrer Hülle in nicht gespaltener Form.“ Anders als bei Vögeln kommen Menschen mit dieser gefährlichen, gespaltenen Form nicht in Kontakt. Die Virusgenome werden nicht in Zellen freigesetzt, es erfolgt keine Übertragung von Mensch zu Mensch. „Das aber wäre die Voraussetzung für eine Pandemie“, sagt der Virologe.
Gab es denn bereits Ansteckungen von Menschen?
Seit 1996 das erste Mal die Vogelgrippe H5N1 auf einer chinesischen Gänsefarm nachgewiesen wurde, haben sich immer wieder auch Menschen angesteckt. Bereits 1997 gab es das erste Todesopfer, was erstmals die Frage einer möglichen Pandemie aufwarf. Seit 1997 haben sich etwa 900 Menschen direkt bei Vögeln mit dem Virus angesteckt. In der Vergangenheit verlief etwa jede zweite Infektion eines Menschen mit H5N1 tödlich. Die aktuelle Vogelgrippewelle scheint jedoch milder zu verlaufen. Von den sechs Personen, die sich bis Mitte Januar infiziert hatten, starb eine.
Gab es auch schon Übertragungen zwischen Menschen?
Derartige Fälle sind nicht bekannt. Was viele Virologen jedoch besorgt, sind Entwicklungen aus dem vergangenen Oktober: Auf einer Nerz-Zuchtfarm in Spanien hatte sich das Vogelgrippevirus in der H5N1-Variante 2.3.4.4b ausgebreitet, wohl von Säugetier zu Säugetier, denn Berichte über einen größeren Ausbruch unter Vögeln gab es in der Region zu der Zeit nicht. Wahrscheinlich hat einer der Nerze einen einzelnen infizierten Vogel gefangen und damit ging es los. „Das ist ein klarer Mechanismus, durch den eine H5-Pandemie beginnen kann“, erklärte Isabella Monne vom EU-Referenzlabor für Vogelgrippe in Italien, wo die spanischen Viren sequenziert worden waren. Das sei „ein Weckruf“.
Was ist so besonders an H5N1 2.3.33b?
Die H5N1-Variante 2.3.4.4b trat erstmals 2020 in Erscheinung. Seitdem hat sie in Europa, Nordamerika und seit dem Herbst 2022 auch in Mittel- und Südamerika für große Verluste in der Geflügelmast geführt. Es ist die größte bekannte Vogelgrippewelle der Geschichte. Anders als sonstige H5N1-Varianten haben sich diesmal auch viele Säugetiere bei Vögeln angesteckt, darunter Füchse, Katzen, Delfine und Grizzlybären. „Die Viren zeigen möglicherweise schon eine erhöhte Anpassung an die Vermehrung in Säugetieren“, berichtet Dotzauer. Dafür verantwortlich sei wohl nicht ein verändertes H5-Protein, sondern die Mutation eines Proteins des sogenannten Polymerasekomplexes. Warum genau die Mutation die Vermehrung begünstigt, sei noch nicht ganz geklärt.
In Deutschland ist das Friedlich-Löffler-Institut verantwortlich für die Beobachtung von Tierseuchen. Dessen Chef Thomas Mettenleiter warnt, dass der ungewöhnlich milde Verlauf bei Menschen dazu führen könnte, dass sich das Virus unterhalb des Radars ausbreite. Er spricht angesichts der Ereignisse in Spanien von einem „Warnsignal“.
Steht uns eine Vogelgrippepandemie kurz bevor?
„Wenn das Virus es schafft, dass es wieder auf artgleiche oder andere Säugetiere übertragen werden kann, dann hätten wir genau diese gefährliche Situation, die theoretisch eintreten kann“, erklärt Dotzauer. Allerdings seien die Rezeptoren, also die Moleküle, an denen H5 beim Wirt bindet, bei Vögeln und Menschen unterschiedlich. Diese Hürde müsste das Virus noch überwinden. Nerze besitzen beide Typen von Rezeptoren, was sie besonders anfällig für Vogelviren macht – und zu idealen Bindegliedern für eine Infektion bei Menschen. Denn auch wenn Dotzauer sich aktuell nicht mehr Sorgen vor einer Pandemie machen würde, als Fachleute sie seit Jahren mit Blick auf Influenza-A-Viren haben, so sagt er doch: „Unüberwindbar ist diese Hürde für das Virus nicht.“