Wildgänse kreisen über den Baumwipfeln, Rehe huschen über die Felder und auf der Wiese ist das zarte Brummen von Wildbienen zu hören. Eine kleine Idylle in Oberneuland, der Besucher merkt kaum, dass sie inmitten von landwirtschaftlich genutzten Flächen liegt. Und einen ernsten Hintergrund hat: Der Wildbienenpfad von Erdbeer- und Spargelbauer Hajo Kaemena soll den Besuchern Wissenswertes über die teilweise stark bedrohten Insekten vermitteln.
Blühstreifen reichen nicht
„Der Mensch zerstört das, was er nicht versteht“, erklärt Kaemena den Hintergrund seines Herzensprojektes. Wissen vermitteln und konkret zeigen, wie jeder den Wildbienen auch auf kleiner Fläche helfen kann, das möchte er mit seinem Wildbienenpfad erreichen. Doch warum kommt ein Landwirt auf die Idee, von seiner bewirtschafteten Fläche mittlerweile drei Hektar der Natur zurückzugeben? Kaemena ist kein Bio-Bauer, sondern betreibt konventionelle Landwirtschaft. „Und daher bin ich sicher ein Teil des Problems“, sagt er. Mit dem Problem meint er das Insektensterben, an dem die konventionelle Landwirtschaft seiner Meinung nach eine Mitschuld trägt.
„Ich hatte eigentlich ein gutes Gewissen mit meinen Blühstreifen“, so Kaemena. Blühstreifen, die seit Jahren dazu dienen sollen, einen kleinen Ausgleich für die einheitliche Bepflanzung der Felder zu schaffen. Mehr Futter für Insekten bieten sollen, allerdings ohne Nahrung für die teilweise sehr spezialisierten Wildbienen. Es habe zwar ein großes Gewimmel auf seinen Blühstreifen gegeben, aber das seien hauptsächlich Honigbienen und Hummeln gewesen, die nicht sehr wählerisch bei ihrer Nahrung sind.

Ein Unterstand mit Info-Tafeln auf dem Wildbienenpfad in Oberneuland.
Ein Vortrag des Wildbienenexperten Rolf Witt aus Edewecht habe ihm dann die Augen geöffnet: Sonnenblumen und Raps helfen den Wildbienen nicht. Nur rund 37 Prozent der Wildbienen in Deutschland gelten als ungefährdet, mehr als die Hälfte steht auf der Roten Liste und ist damit stark gefährdet oder gar ganz verschwunden. Dabei gehören Wildbienen zu den wichtigsten Bestäubern und sind laut neuesten Studien viel effizienter als Honigbienen. Auch Hajo Kaemena war lange Zeit nicht klar, dass Honigbienen nicht gefährdet sind. Doch nach dem Vortrag von Witt habe er angefangen, umzudenken. Die erste Blühfläche mit heimischen Wildpflanzen hat er vor fünf Jahren ausgesät, aber allein mit den Pflanzen war es nicht getan. Wildbienen brauchen neben den richtigen Pollen- und Nektarpflanzen auch geeignete Nistplätze und Nistmaterial. Kaemena hatte sich zwar einiges Wissen angeeignet, wollte es aber von Anfang an richtig angehen und holte sich Rolf Witt als Berater ins Boot.
Offene Sandflächen, Totholz und Lehmsteilwand
Der Biologe, der deutschlandweit als Experte für Wildbienen und Wespen gefragt ist, gibt nicht nur Hinweise, welche Strukturen die Insekten brauchen, sondern dokumentiert auch die Tiere, die sich auf Kaemenas Flächen angesiedelt haben. Die Expertenberatung, so Kaemena, sei schon sehr speziell: „Er verlangt Dinge, auf die wäre ich nie gekommen.“ Nicht nur Totholz brauchen die Wildbienen zum Nisten – rund 70 Prozent nisten im Boden. Also wurden offene Sandflächen geschaffen und sogar eine Lehmsteilwand, in der einige Arten nisten. Witts Forderungen – die teilweise richtig teuer und aufwendig gewesen seien – haben sich gelohnt: Im vergangenen Jahr hat Hajo Kaemena mit dem Wildbienenprojekt den ersten Platz beim „Beebetter Award“ der Hubert-Burda-Stiftung in der Kategorie Landwirtschaft belegt.
Doch es gibt nicht nur öffentliche Anerkennung: Die Flächen kommen auch bei den Insekten gut an. Und sorgen für Aufregung, denn vor einiger Zeit entdeckte Rolf Witt eine lange nicht mehr in Bremen gesichtete Wespe, die Gelbe Schornstein-Wespe. Sie braucht Lössflächen oder Lehmmauern zum Nisten, den Eingang verschließt sie dann mit einem Klumpen, der aussieht wie ein Schornstein. Da diese Flächen immer seltener geworden sind, ist auch die Wespe vielerorts verschwunden. „Erst hatte Rolf Witt eine schlaflose Nacht, dann ich vor lauter Aufregung“, erzählt Kaemena lachend.

Die Gelbe Schornstein-Wespe beim Bau ihres Nistgangs.
Diese Wespe wird man als Besucher auf dem Wildbienenpfad bei Kaemenas Hof eher nicht entdecken, dafür zum Beispiel Gehörnte Mauerbienen oder Bärtige Sandbienen. Der Pfad ist laut Kaemena jederzeit für Besucher geöffnet. Dort können Besucher die wilde Kräutermischung, Nisthilfen aus Totholz und offene Sandflächen entdecken sowie auf Info-Tafeln viel über die Insekten lernen. Was man als Besucher nicht sieht: die Arbeit, die auch in einer natürlichen Pflanzung steckt. Denn so wild es auch aussehen mag, es müsse aufgepasst werden, dass dort die richtigen Pflanzen wachsen. „Wildbienen wollen sonnige, unbewachsene Sandflächen“, erklärt der Landwirt, unerwünschtes Beikraut muss also entfernt werden. Das sei sehr arbeitsaufwendig und nur mit weiteren Arbeitskräften zu schaffen.
Und die Arbeitskräfte, wie auch das Saatgut, kosten viel Geld. Daher habe er vor einigen Jahren angefangen, Blühpatenschaften für die Flächen zu vergeben. Auch, um die Fläche zu kompensieren, die ihm als Ertragsfläche nun fehle: „Ich bin Unternehmer und muss ja Geld verdienen, der Patenschaftsbetrag ist daher mein Ertrag.“ Was als Versuch begann, habe sich bewährt und könne daher eine Zukunft für ihn sein.
- Mehr Informationen zu den Patenschaften gibt es auf der Homepage: www.kaemena-blueht.de

Zwei Gehörnte Mauerbienen bei der Paarung.
Warum Hajo Kaemena Schwierigkeiten hat, Erdbeeren biologisch anzubauen und daher noch nicht auf Bio-Landwirtschaft umstellt, erzählt er in der neuen Folge des WESER-KURIER-Podcasts „Gartenhelden“. Er verrät außerdem, wie man auch im eigenen Garten Wildbienen helfen kann und warum er eine Wildbiene des Monats kürt.
Hören Sie hier die achte Folge des WESER-KURIER-Podcasts "Gartenhelden":