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Naturschutz Borgfelder Wümmewiesen: Ausflügler gefährden seltene Vogelarten

Das Naturschutzgebiet Borgfelder Wümmewiesen steht vor einer großen Herausforderung. Was Spaziergänger und Ausflügler beachten sollten, um die Brut seltener Vögel nicht zu gefährden.
08.05.2024, 07:00 Uhr
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Borgfelder Wümmewiesen: Ausflügler gefährden seltene Vogelarten
Von Antje Stürmann

Auf einer Wasserfläche der Borgfelder Wümmewiesen döst ein Schwan vor sich hin; ein paar Meter weiter zupfen Rehe im satten Frühlingsgrün. Zwischen Schilfblättern in der Sonne necken sich schwimmend zwei Blesshühner. Es ist die Ruhe vor dem Ansturm, befürchten Naturschützer. Sie rechnen an Himmelfahrt und Pfingsten mit zahlreichen Ausflüglern. Nicht alle, sagen sie, nehmen genügend Rücksicht auf die zum Teil geschützten Tiere und Pflanzen.

Lärm, Müll und immer wieder auch nicht angeleinte Hunde stören die Natur empfindsam: "Die meisten Menschen machen das gar nicht vorsätzlich", betont der Ökologe und Ornithologe Robin Maares. Dennoch störten sie vor allem die Tiere mitunter so nachhaltig, dass sie sich nicht fortpflanzen oder der Nachwuchs verendet.

Schutzgebiet von Rang

"Hier gibt es Vögel, die außerhalb von Schutzgebieten nicht mehr vorkommen", weiß Rebecca Lemb von der Borgfelder Stiftung Nordwest-Natur. Als Beispiele nennt Robin Maares den Wachtelkönig, den Kiebitz und die Bekassine. Die Borgfelder Wümmewiesen sind nicht nur auf nationaler Ebene Naturschutzgebiet, auch die Europäische Union hat die rund 700 Hektar zum Vogelschutzgebiet erklärt. "Wir wollen bedrohte Vogelarten erhalten und ihren Lebensraum sichern", sagt der Ornithologe. Die derzeitige Brutsaison sei für den Erhalt der seltenen Vögel eine wichtige Zeit. Jedes Ei, jeder Jungvogel zähle, so Maares.

Wer allerdings die Wege verlässt und die Wiesenflächen betritt, der riskiere, dass er seltene Pflanzen zertritt, Vögel von ihren Nestern scheucht und Eier zerstört. "Die Nester sind im Gras versteckt", sagt Robin Maares. Oft sind sie auf den ersten Blick nicht einmal für die Experten zu sehen. Problematisch sei jede länger anhaltende Störung, "wenn sich Menschen über Stunden an einem Ort aufhalten, lärmen und in der Nähe eines Geleges ein Picknick veranstalten", sagt Maares. Er erklärt: "Bei lauter Musik fliegt der Vogel weg und kommt in der Regel kurze Zeit später wieder und brütet weiter. Wenn allerdings vier Stunden lang Alarm ist, kühlt das Nest aus und die Brut ist verloren." Auch andere Tiere leiden unter der menschengemachten Unruhe – zum Beispiel trächtige Rehe und Rehkitze. Rebecca Lemb: "Im schlimmsten Fall rennt das Muttertier weg, das Kitz bleibt allein, wenn dann noch ein Hund an ihm schnüffelt, nimmt es die Mutter nicht mehr an." Im Naturschutzgebiet sei in Sachen Lautstärke deshalb "angemessenes Verhalten" angesagt, so Maares. Eine bestimmte Dezibel-Grenze gebe es nicht.

Teure Müllbeseitigung

"Solange die Bollerwagen auf den Wegen rollen, ist alles gut." Und in die Bollerwagen hinein gehörten auf der Rücktour auch Abfälle, Müll und geleerte Getränkeflaschen. "Die Scherben sollten nicht in der Natur landen", sagt Rebecca Lemb. Genauso wenig, wie Müll jeglicher Art, denn der verschandele das Landschaftsbild, der Abtransport sei teuer und die davon ausgehenden Schadstoffe verbreiteten sich in den nassen Wiesen besonders schnell und können großen Schaden anrichten. "In den vergangenen Monaten hatten wir immer mal wieder mit massiven Müllablagerungen zu tun", sagt Lemb. Auch das sei ein Grund, warum die Stiftung dafür sensibilisieren will, was der Natur gut tut und was nicht.

Dass Rebecca Lemb und die Stiftung gegen Windmühlen arbeiten, zeigt das Thema Vandalismus. Schilder, die auf das richtige Verhalten in der Natur hinweisen, werden von Unbekannten regelmäßig wieder abgerissen und zerstört. "Sie immer wieder zu erneuern, das frisst enorm viel Zeit, die wir eigentlich nicht haben", sagt Robin Maares, "dafür machen wir Überstunden". Verärgert zeigt sich die Stiftung Nordwest-Natur auch über Grafitti - vor allem mit politischem Hintergrund. Eine Praktikantin habe in mühevoller Arbeit Hakenkreuze vom Pumpenhäuschen am Brokkolksiel entfernt. "So etwas wollen wir hier auf keinen Fall haben", sagt Rebecca Lemb. Wer etwas zu sagen habe oder sich über die Vorgaben zum Naturschutz beschweren wolle, der "soll uns kontaktieren und sagen, was ihn stört", sagt Lemb.

Appell an Hundehalter

Den größten Schaden richteten jedoch nicht angeleinte Hunde an - auch wenn sie "nur auf dem Weg" laufen. In den Wümmewiesen gelte ganzjährig eine Anleinpflicht. Das Argument einiger Uneinsichtiger, ihre Vierbeiner seien auch Tiere und müssten geschützt werden, lässt Rebecca Lemb nicht gelten. "Die hier lebenden Vögel finden außerhalb des Schutzgebietes nur wenige Flächen, wo sie brüten können; Hunde dagegen können auf andere Freilaufflächen ausweichen". Wie rücksichtsvolles Verhalten geht, zeigt in diesem Moment die Borgfelderin Christiane Epping, die gerade mit ihrem Englischen Setter in den Wümmewiesen unterwegs ist. Sie zeigt Verständnis für die Bitte von Robin Maares und Rebecca Lemb: "Natürlich trage ich Verantwortung für meinen Hund." Die Behauptung einiger Hundebesitzerinnen und -besitzer, sie hätten ihre Vierbeiner vollständig im Griff, sei schlicht Quatsch. "Klar gehen die Hunde, wenn sie nicht angeleint sind, auf die Küken."

Die Mehrheit sehe das glücklicherweise genauso, sagt Rebecca Lemb. "Die Leute denken mit und sind Vorbild für andere." Spaziergänger und Anwohner seien immer öfter "wachen Auges" unterwegs und geben Hinweise, wo sie eine bestimmte Vogelart gesehen oder Müll entdeckt haben. "Die Arbeit mit den Leuten macht Spaß, gerade wenn sie Lust haben, über die Natur zu lernen", sagt Rebecca Lemb. Dafür seien die Borgfelder Wümmewiesen der beste Ort, denn der Weg führe – anders als in anderen Schutzgebieten - mitten durch das Herz des 700 Hektar großen Schutzgebietes.

Die meisten Menschen stören gar nicht vorsätzlich.

Robin Maares, Stiftung Nordwest-Natur

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Tipps für den Ausflug in die Wümmewiesen

Um die Natur in den Borgfelder Wümmewiesen zu schonen und zu erhalten, lautet die wichtigste Regel für Ausflügler: auf den Wegen bleiben und Hunde anleinen. Die Stiftung Nordwest-Natur, die sich um das Schutzgebiet kümmert, rät außerdem zu einer angemessenen Lautstärke. Besucherinnen und Besucher sollten ihren Müll nicht achtlos liegenlassen. Nach Angaben der Stiftung Nordwest-Natur gehört die Hälfte des 700 Hektar großen Schutzgebiets Naturschutzverbänden wie dem WWF, dem BUND und der Stiftung Nordwest-Natur. Rechtlich gesehen sei das bewirtschaftete Grünland also Privatbesitz, der - anders als Waldflächen - von der Öffentlichkeit nicht betreten werden darf. Fragen beantwortet die Stiftung unter Telefon: 0421/ 710 06 oder per Mail an info@nordwest-natur.de.

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