- Deutsche Bahn stellt Fernverkehr komplett ein
- Warnstreiks an allen Flughäfen außer Berlin
- Flughafenverband: Warnstreik trifft rund 380.000 Passagiere
- Auch Straßentunnel werden bestreikt
- Sind koordinierte Warnstreiks aus zwei Tarifrunden ungewöhnlich?
- Wo stehen die Verhandlungen bei der Bahn?
- Wie ist der Verhandlungsstand im öffentlichen Dienst?
- Wie eskalationsbereit zeigen sich die Gewerkschaften?
Pendler und Reisende in ganz Deutschland müssen sich am kommenden Montag auf weitreichende Einschränkungen im Bahn-, Luft- und Nahverkehr sowie auf Wasserstraßen einstellen. Mit einem großangelegten bundesweiten Warnstreik wollen die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) sowie Verdi an dem Tag große Teile des öffentlichen Verkehrs lahmlegen, wie beide Organisationen am Donnerstag in Berlin mitteilten. "Es wird im gesamten Bundesgebiet zu starken Verzögerungen bis hin zum Erliegen der Verkehrsdienste in allen genannten Bereichen kommen", hieß es.
Betroffen sind von der beispiellosen Warnstreik-Aktion der Fern-, Regional-, und S-Bahn-Verkehr der Deutschen Bahn sowie weiterer Eisenbahn-Unternehmen. Verdi ruft zudem zu Arbeitsniederlegungen an mehreren Flughäfen auf sowie im öffentlichen Nahverkehr in den Bundesländern Hessen, Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg, Sachsen, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz und Bayern. Auch die Autobahngesellschaft soll bestreikt werden, ebenso wie die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung.
Deutsche Bahn stellt Fernverkehr komplett ein
Auf der Schiene sind neben der Deutschen Bahn laut EVG unter anderem die Bahn-Unternehmen Transdev, AKN, Osthannoversche Eisenbahnen, erixx, vlexx, eurobahn sowie Die Länderbahn betroffen. "Der ganztägige Streik beginnt in der Regel in der Nacht vom 26. auf den 27. März um 0 Uhr und endet um 24 Uhr", teilten beide Gewerkschaften weiter mit.
Die Deutsche Bahn teilte am Donnerstag bereits mit, dass am Montag der gesamte Fernverkehr bundesweit eingestellt werde. Auch im Regionalverkehr werde "größtenteils kein Zug fahren", so der Konzern weiter. Die Auswirkungen des Streiks würden Bahnreisende bereits am Sonntagabend und auch noch am Dienstag spüren. Fahrgäste, die für Montag oder Dienstag eine Bahnreise gebucht haben, könnten das Ticket noch bis einschließlich zum 4. April flexibel nutzen, kündigte die Bahn an. Sitzplatzreservierungen könnten kostenlos storniert werden.
Warnstreiks an allen Flughäfen außer Berlin
"Dieser Streiktag wird massive Wirkung haben", sagte Verdi-Chef Frank Werneke am Donnerstag in Berlin. So seien im Verdi-Organisationsbereich die Beschäftigten an allen deutschen Verkehrsflughäfen außer Berlin zum Ausstand aufgerufen. In Folge des Arbeitskampfes werde der Luftverkehr im gesamten Zeitraum eingeschränkt sein.
Die Warnstreiks an Flughäfen betreffen den Gewerkschaften zufolge einerseits die Verhandlungen für die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes, zum anderen örtliche Verhandlungen für Beschäftigte der Bodenverkehrsdienste sowie die bundesweiten Verhandlungen für die Beschäftigten der Luftsicherheit.
Flughafenverband: Warnstreik trifft rund 380.000 Passagiere
Der Warnstreik wird nach Einschätzung des Flughafenverbands ADV Hunderttausende Passagiere treffen. Allein am Frankfurter Flughafen waren für Montag ursprünglich 1170 Starts und Landungen geplant – hier wird kein regulärer Passagierverkehr stattfinden. Auch Umsteigeverkehre entfallen am größten deutschen Flughafen. "Rund 380.000 Geschäfts- und Privatreisende werden ihren Flug nicht antreten können", teilte der Verband ADV am Donnerstag mit. Der ADV sprach von "Streikeskalation nach französischem Vorbild". Ein ganzes Land werde vom internationalen Luftverkehr abgeschnitten.
"Die Gewerkschaften verabschieden sich von der bewährten Tradition, dass in Deutschland Lösungen am Verhandlungstisch erreicht werden", kritisierte ADV-Hauptgeschäftsführer Ralph Beisel. Die angekündigten Aktionen sprengten jedes vorstellbare und vertretbare Maß und hätten nichts mehr mit einem Warnstreik zu tun. "Vielmehr ist es der Versuch, per Generalstreik französische Verhältnisse in Deutschland einziehen zu lassen."
Das Unverständnis bei den Flughäfen sei deshalb so groß, da nächste Woche Tarifgespräche in Potsdam in dritte Runde bevorstünden. Die jüngste Serie der Warnstreiks an Flughäfen brächten erhebliche Folgeprobleme mit sich. "Das Image des Luftverkehrsstandorts Deutschland bei internationalen Reisenden nimmt Schaden."
Auch Straßentunnel werden bestreikt
Die Gewerkschaft Verdi will an dem groß angelegten Warnstreik auch Straßentunnel bestreiken. "Wir werden bestimmte Tunnel in den Blick nehmen", sagte Verdi-Vize Christine Behle am Donnerstag in Berlin. Verdi könne zunächst noch nicht konkret sagen, welche Tunnel betroffen seien. Es würden aber bestimmte Tunnel geschlossen, "durch die man dann faktisch nicht fahren kann, beispielsweise der Elbtunnel" in Hamburg. Zu Einschränkungen soll es auch im Bereich des Schiffsverkehrs kommen.
Sind koordinierte Warnstreiks aus zwei Tarifrunden ungewöhnlich?
„Das ist eine ungewöhnliche Sache“, sagte der Tarifexperte Thorsten Schulten. Wenn zwei Gewerkschaften feststellten, dass sie parallel in ähnlichen Bereichen verhandeln, sei ein gemeinsames Vorgehen aber naheliegend.
Ein großer Warnstreik zum Start einer Verhandlungsrunde signalisiere den Arbeitgebern: „Wir meinen es ernst, und die Beschäftigten stehen hinter uns.“ Allerdings könnte ein möglicher gemeinsamer Streiktag „erst einmal eine punktuelle Aktion“ sein, wie der Forscher des Instituts WSI der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung sagt. Schließlich gebe es keine gemeinsame Planungsinstanz bei verschiedenen Gewerkschaften.
Wo stehen die Verhandlungen bei der Bahn?
Die EVG hatte Ende Februar die Verhandlungen mit der Deutschen Bahn und rund 50 weiteren Eisenbahn-Unternehmen begonnen. Ein erstes Angebot des bundeseigenen Konzerns hatte die Gewerkschaft vergangene Woche abgelehnt. Sie fordert mindestens 650 Euro mehr Lohn. Bei den höheren Entgelten strebt sie eine Steigerung um zwölf Prozent an bei einer Laufzeit des Tarifvertrags von zwölf Monaten. Die Bahn hatte unter anderem angeboten, die Löhne der rund 180.000 betroffenen Beschäftigten in zwei Schritten um insgesamt fünf Prozent anzuheben sowie Einmalzahlungen von zusammen 2500 Euro in Aussicht gestellt.
Wie ist der Verhandlungsstand im öffentlichen Dienst?
Die Blicke richten sich nach Potsdam. In angespannter Lage beginnt hier am Montag die auf drei Tage angesetzte dritte Verhandlungsrunde für die 2,5 Millionen Beschäftigte von Bund und Kommunen. Verdi und der Beamtenbund dbb fordern 10,5 Prozent mehr Einkommen, mindestens aber 500 Euro mehr im Monat. Die Arbeitgeber bieten bisher aber nur 5 Prozent in zwei Schritten und Einmalzahlungen in Höhe von insgesamt 2500 Euro – für die Gewerkschaften „eine Zumutung“, wie sie sagen.
Wie eskalationsbereit zeigen sich die Gewerkschaften?
Verdi-Chef Frank Werneke scheint seine Gewerkschaft durch die vielen Aktionen der vergangenen Wochen geradezu beflügelt zu sehen – auch Kitas, Kliniken und viele andere Bereiche waren betroffen. „Der Frühling naht, und es kann sein, dass wir uns dann hier noch einmal wiedersehen müssen“, sagte er etwa in Köln auf einer von vielen Kundgebungen. Bereits zuvor hatte er Spekulationen über ein mögliches Scheitern angestellt.
Der Nah- und Fernverkehr sowie Flughäfen in ganz Deutschland wurden schon vor mehr als 30 Jahren im Zuge eines mehrwöchigen Streiks gleichzeitig bestreikt. Bei diesem harten Arbeitskampf im öffentlichen Dienst im Frühjahr 1992 legten mehrere Hunderttausend Beschäftigte zeitweise die Arbeit nieder. Dabei handelte es sich aber um einen regulären Arbeitskampf, nicht um Warnstreiks.
+++Hinweis: Dieser Artikel wurde am 23. März 2023 um 16.35 Uhr aktualisiert.+++