Wer nach Helgoland fährt, sollte nicht unbedingt nach Kalender planen, sondern lieber nach Wetter. Denn die Wellen in der Deutschen Bucht können sich auch an vermeintlich schönen Frühlingstagen zwei bis drei Meter auftürmen und die Überfahrt zumindest sehr ruppig werden lassen. Da nützt es auch wenig, wenn man mit der modernen Katamaranfähre „HSC Halunder Jet“ der Reederei FRS Helgoline über die Wellen gleitet. Bei mehr als zwei Metern Wellenhöhe stampft auch der Katamaran durch die Nordsee und lässt so manchen Gast recht weiß um die Nase auf der Felseninsel anlanden.
Trotzdem haben 500 Passagiere die Überfahrt angetreten. Tim Kunstmann, Geschäftsführer der Reederei, spricht von einem starken Saisonauftakt, die Fähre hat am 24. März das erste Mal in diesem Jahr wieder nach Helgoland übergesetzt. Im Hafen werden die Gäste zum Saisonbeginn von Bürgermeister Thorsten Pollmann und Tourismusdirektor Stephan Hauke begrüßt. Zweiterer weiß vom großen Reiz der Insel, zumindest bei den Stammgästen, und spricht deshalb vom Helgoland-Virus. „60 Prozent unserer Gäste würden wiederkommen“, sagt Hauke. Auf so eine kleine Insel wie Helgoland samt Düne ebenfalls? Wer den roten Felsen nicht kennt, wird überrascht sein, wie viel man dort unternehmen kann – und wird feststellen, dass man bei einer Tagesfahrt nur ein Bruchteil entdeckt.

Durch die unterschiedliche Färbung lässt sich das neue vom alten Fell der Kegelrobben unterscheiden.
Bereits Ende März treffen die ersten Trottellummen und Basstölpel von hoher See ein, um in den Nischen der Felswände nahe der Langen Anna zu nisten. Seit 1991 beherbergt Helgoland die einzige Brutkolonie der Seevögel in der Nordsee. Da sie zum Teil direkt am Rundweg über das Oberland nisten, kann man die Vögel aus nächster Nähe beobachten. Leider bauen sie seit einigen Jahren ihre Nistplätze aus alten Fischernetzen. Die Folgen sind dramatisch: Ältere Vögel verheddern sich in Plastiktauen oder erwürgen sich in Schlaufen. Jedes Jahr sterben laut Verein Jordsand etwa 100 Basstölpel der Kolonie. Auch die kleinen Trottellummen verheddern sich im Plastikmüll und sterben.
Für Vogelliebhaber bietet sich vor allem der Juni für einen Besuch an, denn dann steht der sogenannte Lummensprung an. Die Jungvögel springen aus den Felswänden ins Meer. Besonders gut lässt sich das Spektakel bei einer Fotosafari von einem der Helgoländer Börteboote aus beobachten. Bis 2020 wurden diese robusten Schiffe zum Ausbooten der Gäste von den Seebäderschiffen zwischen Helgoland und der Düne genutzt.

Der rote Buntsandstein gab Helgoland seinen zweiten Namen: roter Felsen.
Wer im Frühjahr kommt, kann sich außerdem eine besondere Versammlung auf der Helgoländer Düne anschauen. Von etwa Mitte März bis Mitte April wechseln Hunderte Kegelrobben dort ihr Fell. „Dann kommen Tiere aus weiten Bereichen der Nordsee“, sagt Rangerin Ute Pausch. Etwa 14 Tage braucht jede Kegelrobbe für den Fellwechsel. „Unglaubliche Einblicke“ verspricht sie einige Monate zuvor, nämlich dann, wenn die Jungtiere geboren werden – die Wurfzeit dauert etwa von Ende November bis Ende Dezember. Den Strand darf man zwar mittlerweile nicht mehr betreten, aber dafür gibt es einen Panoramaweg, der über die Düne führt. „Die Tiere liegen zum Teil direkt an den Absperrgittern, sodass man sie gut beobachten kann“, sagt die Rangerin. Dass die Gäste im Winter nicht mehr an den Strand dürfen, habe sich bewährt, berichtet sie. Denn die Tiere entwickeln so eine natürliche Scheu vorm Menschen. Und das wiederum kommt den Gästen im Sommer zugute. Denn vor einigen Jahren gab es Zwischenfälle, bei denen die ein oder andere Kegelrobbe mal einen Badegast gezwickt hat. „Die Probleme haben wir seitdem wir Mensch und Tier im Winter trennen nicht mehr“, sagt Pausch.
Die Bestände der Kegelrobben steigen indes, erzählt sie, obwohl die Ranger in diesem Jahr keine konkreten Zahlen liefern konnten. „Während der Wurfzeit ist es zu gefährlich am Strand, und wir wollen die Tiere nicht stören“, sagt Ute Pausch. Nun wird getestet, ob die Robben sich mit Drohnenaufnahmen zählen lassen. Dazu gibt es momentan Gespräche mit dem Nationalpark und dem Fraunhofer-Institut.

Zwei Basstölpel reinigen ihre Federn auf dem Lummenfelsen.
Wer es während eines vierstündigen Tagesausflugs nicht auf die Düne oder zu einer Bunkerführung schafft, kann sich bald den Bunkerstollen anschauen. Er gehört zum südöstlichen Teil des mehrere Kilometer langen Geflechts aus Gängen und Schutzräumen, die während des Zweiten Weltkriegs in den Felsen gezogen wurden. Sie boten den Inselbewohnern Schutz vor den schweren Bombenangriffen auf die Marinebasis. Selbst den Big Bang, die damals größte, nicht nukleare Sprengung, mit der die Briten Helgoland 1947 zerstören wollten, haben sie überstanden. Der Bunkerstollen wurde durch diese Sprengung jedoch verschüttet. Er diente den Helgoländern im Unterland bei Angriffen als Verbindung zu den Bunkern im Oberland. In den vergangenen Jahren wurde er nun wiederhergerichtet. „Es ist alles fertig, nun warten wir noch auf die Genehmigung zur Eröffnung“, sagt der Bürgermeister. Doch die erwartet das Rathaus quasi täglich.