Irgendwie fühlt man sich an einen alten Heimatfilm erinnert. Eine schlichte Hütte, umgeben von satten Almen. Traumblick auf die Berge – in dem Fall auf das Kitzbüheler Horn und die Ostseite des Wilden Kaisers. Bänke und Tische, die einfach so im Gras stehen. Eine junge Frau, die barfuß serviert. Und zwischendurch ihr Flügelhorn nimmt, um selbstvergessen ein paar melancholische Weisen zu spielen. Willkommen auf der Huberalm. Sie liegt auf 1080 Metern Höhe mitten in den Kitzbüheler Alpen, konkret in der Ferienregion St. Johann in Tirol, und ist von Erpfendorf aus in einer guten Wanderstunde erreichbar.
Die junge Frau: Das ist Christina Foidl. Seit ihrer Kindheit hilft die 26-Jährige jede freie Minute auf der Huberalm, die bereits seit mehr als 100 Jahren in Familienbesitz ist. „Das ist der Ort, der mich glücklich macht“, sagt sie und erinnert sich, wie sie schon als kleines Mädchen gern Bestellungen aufgenommen und mit den Besuchern geredet hat. Wenn sie ihr Flügelhorn auspackt und die traditionelle Sehnsuchtsmusik der Berge erklingt, wird’s ruhig an den Tischen.
Bei vielen Gästen lässt sich nicht ausmachen, was sie mehr schätzen: die leckere
Kaspressknödelsuppe als absolute Spezialität des Hauses, den herrlichen Kaiserblick oder die wunderbaren Weisenklänge. Vielleicht ist es auch genau dieser Dreiklang, der den Besuch auf der Huberalm zu einem einzigartigen Erlebnis macht.

Die Tirolerin ist auf der Alm immer barfuß unterwegs.
Wer schnell sein will, braucht wie gesagt nur eine Stunde von Erpfendorf hinauf. Wenn der Weg aber das Ziel sein soll, ist die Route durch die Griesbachklamm die mit Abstand schönste. Sie dauert etwa zwei Stunden. Nach den imposanten Wasserfällen und Hängebrücken geht’s weiter über den steilen Jägersteig bis zum Almgebiet. „Die Kulisse ändert sich ständig“, schwärmt Foidl, die diese Strecke blind gehen könnte. Ihr absoluter Liebling allerdings ist der Baumooskogel, der in 1506 Meter Höhe über dem Almgebiet am Kalkstein thront: „Ein beeindruckender Blick auf die Region St. Johann in Tirol und ein Gipfelkreuz wie aus dem Bilderbuch“, erläutert sie.
„Ich habe hunderte Fotos gemacht, mit immer anderen Stimmungen, aber eins ist schöner als das andere.“ Auf dem Baumooskogel fühlt sich auch ihr Flügelhorn längst daheim. Foidl nimmt es immer wieder mit zu dem Gipfel, den sie in einer knappen Stunde von der Huberalm aus erreicht. Und meint, angesprochen auf die acht Kilo Zusatzgewicht: „Ich tue ja sonst nichts für die Figur.“ Selbstverständlich hat sie auch eine Pocket-Trompete, die nur die Hälfte wiegt. „Sieht aus, wie zu heiß gewaschen“, kommt aber auf längere Touren mit und wird zwischendurch sogar mal auf Klettersteigen ausgepackt. Den besten Akustikplatz hat Foidl übrigens oberhalb von St. Johann gefunden, in der Nähe der in Felsen gebauten Gmailkapelle: „Da kommt das Echo einmal komplett zurück. Gern spiele ich dort mit meiner Schwester ein Duett.“

Christina Foidl blickt in die Bergkulisse der Kitzbüheler Alpen.
Die wanderlustige Musikerin verrät nicht jeden ihrer Kraftplätze, von denen es in den Kitzbüheler Alpen wirklich viele gibt. Insgesamt stehen 2500 Kilometer markierte Wanderwege zur Auswahl, da findet jeder sein persönliches Glück. Wer einmal quer durch die gesamte Region will, wählt den Kat-Walk, der von der Ferienregion Hohe Salve bis hinüber ins Pillerseetal führt. Er kann in verschiedenen Varianten als Rundum-sorglos-Paket mit Unterkünften und Gepäcktransport gebucht werden.
In der anspruchsvollsten Spielart weist der aussichtsreiche Laufsteg an sechs Wandertagen stolze 106 Streckenkilometer und 6350 Höhenmeter auf. Und auch für Radfahrer und Mountainbiker eröffnet ein 1000 Kilometer umfassendes Netz schier unbegrenzte Möglichkeiten. Analog zum Kat-Walk ist der Kat-Bike die erste Wahl, wenn es um Mehrtagestouren geht. Eine der Etappen führt an der Huberalm vorbei. „Die meisten Gäste kommen inzwischen mit E-Mountainbikes“, sagt Foidl, die Verständnis für diese entspannte Wahl hat. Selbst aber nicht um- oder aufsatteln wird: „Wandern ist einfach meine Leidenschaft, das wird sich nicht ändern.“
In diesem Sommer ist Foidl „nur“ neun Wochen am Stück auf der Huberalm. Als frischgebackene Grundschullehrerin ist sie jetzt an die Ferienzeiten gebunden. Zum Glück hat sie nach dem Studium gleich eine erste Klasse in ihrer Heimat in Kirchdorf bekommen. So ist sie auch unter der Woche schnell mal auf einen Sprung oben. Und an den Wochenenden sowieso. Keine Sorge: Der bekennenden Nicht-Fernseherin wird kaum etwas in die Quere kommen, denn sie lebt lieber selbst, als sich das Leben anderer anzuschauen.
So erklingt auch das Flügelhorn weiter. Der Sound der Kitzbüheler Alpen bleibt erhalten. Und die Einheimischen können ihren Begrüßungsscherz beibehalten, wenn sie die junge Frau unten im Tal treffen: „Bist du es wirklich? Hätte dich kaum erkannt, du hast ja Schuhe an.“ Übrigens: Das Barfußgehen ist für Foidl reine Bequemlichkeit, eine Gewohnheit auf der Alm, die sich zum Markenzeichen entwickelt hat.