Wer mit Tanja und Carolin Huppertz spricht, merkt schnell: „Stadt – Land – erleben“ ist für sie ein Herzensprojekt. In ihre Herzen geschlichen hat es sich bereits 2018. Damals hatten die beiden die Idee, ihre Reisen in die Umgebung mit historischen und kulturellen Informationen für andere aufzupeppen. Daraus entstanden ist eine Webseite, die jeder nutzen kann, wenn er unterwegs in Deutschland ist oder zum Beispiel an der Weser spaziert und wissen möchte, warum der Teerhof diesen Namen hat (weil in früheren Zeiten dort die Schiffe geteert wurden). Auch bei Radtouren in der Lüneburger Heide oder im Urwald Hasbruch gibt es jede Menge zu lernen. Dort geht es etwa um das Leben im Urwald: Warum sind Totholz und Pilze wichtig, welche Tiere leben dort und wie entsteht die Geestlandschaft?
Wissen und Spaß
Die Informationen erhält man einfach: Man geht auf die Webseite www.stadt-land-erleben.de, sucht sich einen Rundweg heraus und erhält die Navigation etwa für einen Stadtspaziergang oder für eine Wanderung im Wald, über Wiesen, vorbei an Feldern und entlang an Flüssen. Neben Wissenswertem zu Architektur, Landschaften oder Kirchengeschichte haben die Entwicklerinnen Grafiken, Karten, interaktive Elemente, Videos, Mini-Spiele, Fragen und Anregungen in die Entdeckerpfade integriert. So eignen sich viele Ziele auch gut für Familien mit Kindern.

Digitaler Natur-Reiseführer Verdener Düne: Tanja (links) und Carolin Huppertz zeigen ihre Webseite "Stadt - Land - erleben".
Mittlerweile haben Tanja und Carolin Huppertz etwa 150 Entdeckerpfade entwickelt. Neu hinzugekommen sind zehn Touren in Ostfriesland, etwa in Emden und Aurich sowie in Dörfern wie Loppersum und Suurhusen. Warum so viele neue Pfade in Ostfriesland entstanden sind? „Wir haben dort viele Nutzer und wurden gefragt, ob wir nicht auch in ihrer Region Entdeckerpfade entwickeln können“, sagt Tanja Huppertz. Das dortige Projekt haben sie gemeinsam mit der Sparkassenstiftung Aurich-Norden umgesetzt, die alle Entdeckerpfade unterstützt hat. Denn: Die Nutzung der Webseite ist nach wie vor kostenlos, und es gibt keine versteckten Kosten. Möglich machen das eben Spender und Stiftungen.
So haben sich die promovierte Geologin und die Diplom-Pädagogin auch in Ostfriesland darauf konzentriert, was eine Stadt ausmacht, welche Themen und Gebäude relevant sind – oder auch auf das, was man nicht sieht. In Aurich sind die Macherinnen etwa auf eine lange jüdische Geschichte gestoßen. Das Thema entpuppte sich aber als so umfangreich, dass sie beschlossen, die eigenständige Tour „Jüdisches Leben in Aurich“ zu entwickeln. Auch in Dörfern sind sie auf Spuren jüdischen Lebens gestoßen, auf Straßennamen wie Judendobben oder Judenlohne. „Allerdings ist die jüdische Geschichte im ländlichen Raum wenig erforscht, was sehr bedauerlich ist, aber wenn wir etwas dazu finden, gehen wir gern darauf ein“, sagt Carolin Huppertz.

Häuser auf einer Warft bei Hochwasser.
Genauso wie natürlich auf Unterschiede sowie Gemeinsamkeiten, die sich in Ostfriesland finden lassen, wie beispielsweise Gulfhäuser. Die typischen Gebäude mit ihrem Vorderhaus und dem angrenzenden Scheunentrakt, dessen Dach weit hinuntergezogen ist, finden sich noch in vielen Dörfern der Region. Oder Warfen. Bei einem Besuch in Rysum ist den beiden Frauen aus Dörverden aufgefallen, dass es bei verschiedenen Warfen Teiche gibt. In der Literatur haben sie schließlich herausgefunden, dass die zur Wasserversorgung von Mensch und Vieh dienten. „Wenn man das nicht weiß, nimmt man die historische Bedeutung nicht wahr und vor Ort erklärt wird es ebenfalls nicht“, erzählt Tanja Huppertz. Im Entdeckerpfad Rysum auf ihrer Webseite gehen sie aber darauf ein.
Im Gegensatz zu den Städten hat sich die Recherche in den Dörfern als nicht ganz einfach herausgestellt. „Auf dem Land gibt es kaum Führungen und auch nur wenige öffentliche Informationen“, erzählt Carolin Huppertz. Das meiste finden sie in Archiven, bekommen Literatur von Heimatvereinen oder stöbern in Chroniken von Bauernhöfen. Bei der Recherche können sie sich aber auf eines verlassen, haben sie festgestellt: Die Dorfgemeinschaften stehen hinter dem Projekt. „Wir brauchen die Unterstützung der Menschen vor Ort, nur so lässt sich das Angebot ausweiten“, sagt Tanja Huppertz. Die Dorfgemeinschaft in Loppersum hat beispielsweise ihr Projekt aufgegriffen und will mit Schildern auf den Entdeckerpfad hinweisen.
Neue Projekte in Planung
So schreitet ihr Herzensprojekt weiter voran. Vor drei Jahren ist „Stadt – Land – erleben“ gemeinnützig geworden. Das hilft natürlich ungemein, um Spenden zu generieren. Außerdem haben die Huppertz’ die thematische Ausrichtung erweitert: In Verden haben sie mit Unterstützung des Domherrenhauses einen Museumspfad entworfen, der Ausstellung und Kirche miteinander verbindet. Und in Göttingen ist ein Entdeckerpfad zur Quantenphysik entstanden. „Damit haben wir uns auf Neuland begeben“, sagt Tanja Huppertz.
Zurück auf bekanntes Terrain führen neue Projekte, die die beiden bereits in Planung haben: So sollen in Ostfriesland mit Unterstützung der Sparkassenstiftung noch weitere Entdeckerpfade entstehen: In Planung seien Touren auf der Nordseeinsel Norderney, in Marienhafe sowie in dem für die friesische Geschichte wichtigen historischen Ort Upstalsboom, beide im Landkreis Aurich.