Herbstzeit ist Wanderzeit. Nicht nur der Harz und die Lüneburger Heide haben abwechslungsreiche Wanderwege zu bieten, sondern auch vor der eigenen Haustür gibt es viele interessante Strecken zu entdecken. Unter dem Motto "Mit Schnürschuh und Fahrrad" stellen wir einige sieben bis 40 Kilometer lange Touren vor. Weitere Informationen zu den Routen im Gebiet der Mittelweser, die teilweise auch gut mit dem Fahrrad befahrbar sind, bekommt man bei der Tourist-Information im Rathaus der Stadt Achim.
Von Christian Butt
Achim. Wer die Routen nachwandern möchte, findet entlang der beschriebenen Wegstrecke an den Laternen kleine farbige Hinweisschilder, die zeigen, welchen Weg die Wanderer einschlagen müssen. Die erste Wanderstrecke trägt den Namen "Marsch", ist dunkelblau beschildert und ungefähr acht Kilometer lang.
Start ist am Haus Clüver. Dieses zählt zu den ältesten Bauten in Achim. Im Jahr 1823 brannte es komplett ab. Ein dreijähriges Mädchen starb damals in den Flammen. Teile des Grundgerüstes des Hauses blieb erhalten, so dass der Neubau die selbe Form erhielt. Allerdings wurden statt Lehm und Reet nun Steine für die Wände verwendet. Das Dach wurde mit Ziegeln gedeckt und ein Kamin eingebaut. Deshalb war der Dachboden, im Gegensatz zu vorher, danach nutzbar. Wer ein solches Haus erbaut hat, pflanzte damals Eichen um es herum. Diese dienten als Blitzschutz, und die Eicheln konnten als Futter für Schweine verwendet werden. Falls ein Balken im Haus marode wurde, brauchte Baumaterial nicht weit transportiert zu werden. 1971 wurde das Gebäude fünf Jahre lang restauriert und zum Denkmal erklärt.
Vom Clüverhaus aus geht es den Hügel hinunter durch das Bauernviertel direkt in die grüne Marschlandschaft. Bevor man diese erreicht, passiert man auf der rechten seite das älteste Gebäude Achims, die St.-Laurentius-Kirche. Zu dem Taufbecken gibt es eine Anekdote zu erzählen. Es stand fast 80 Jahre lang in der Kirche in Oyten. Dazu kam es, weil die Kirchgänger sich früher durch das Taufbecken in ihrer guten Sicht auf den Altar gestört fühlten. Kurzerhand wurde es vor das Küsterhaus gestellt und vergessen. Irgendwann wurden Oytener Einwohner darauf aufmerksam und fragten an, ob die Achimer das Taufbecken wohl der Oytener Gemeinde überlassen könnten. Erst einige Generationen später bemerkten die Achimer, dass sie den ältesten Schatz ihrer Kirchengemeinde aus den Händen gegeben hatten. Im Tausch gegen ein neues Taufbecken erhielten sie es zurück.
In der Marsch angekommen sollten sich Wanderer rechts halten. An grasenden Pferden geht es vorbei an der Obstwiese des Nabu. Ein Blick zurück auf die Silhouette Achims lohnt sich. Wer genau hinschaut, kann hoch oben in seinem Nest ein Storchenpaar entdecken. Den vergangenen Winter verbrachten die Vögel nicht in Afrika, sondern blieben in Achim.
Bei dem Fußmarsch über die befestigten Wege vorbei an abgeernteten Feldern, grünen Wiesen und unzähligen Hecken begegnen den Wandern viele Spaziergänger, Radfahrer und Sportler. Viele drehen mit ihrem Hund eine Runde durch die Natur. Andere scheinen beim Joggen Abstand vom Alltag zu suchen. Wer die Wanderung in den Sommermonaten unternimmt, kann eine Badehose einpacken. Am sogenannten Bacardi-Beach gibt es an der Weser einen schönen Sandstrand. Ungestörter baden kann man wohl nirgendwo. Der Platz liegt weit abgeschlagen in der Marsch und ist nur mit dem Fahrrad oder zu Fuß zu erreichen. Eine große Wiese lädt zum Bolzen ein, und der Strand am Weserufer ist in viele kleine Buchten eingeteilt. Ein ruhiges Plätzchen findet sich am Bacardi-Beach fast immer.
Im Winter können sich Wanderer den Abstecher an die Weser sparen. Stattdessen sollten sie im zwei Kilometer entfernten Hirtenhaus eine Pause einlegen. Das Café und Restaurant liegt eingebettet zwischen Wiesen in der idyllischen Wesermarsch. Nur wenige Schritte über einen schmalen Pfad, und man steht an der Weser, eine beliebtes Ziel von Fahrradtouristen oder Wochenendausflüglern aus der ganzen Region.
Natur rund ums Hirtenhaus
Ist das Wetter gut, kann man es sich auf der großzügigen Sonnenterrasse gemütlich machen. Hier werden an warmen Sommertagen bis zu 150 Sitzgelegenheiten angeboten. Von der erhöhten Terrasse aus genießt man einen freien Blick auf das Panorama der wunderschönen Natur rund um das Restaurant Hirtenhaus. Sitzt man günstig, kann man sogar in der Ferne die großen und kleinen Schiffe sowie kreuzende Segelboote beobachten.
Nach Kaffee und Kuchen nähern sich Wanderer langsam wieder der Wohnbebauung. Auffallend ist, dass man von fast jedem Punkt der Strecke das Wahrzeichen der Stadt Achim, die 28 Meter hohe Windmühle, im Blick hat.
Die Mühle, so wie wir sie kennen, wurde 1761 erbaut. Davor stand am selben Platz eine Mühle, in Flammen aufging. Müller Weidenhöfer hatte nach dem Brand den Antrag für den Neubau einer sogenannten Holländerwindmühle mit Galerie gestellt. Der Antrag wurde genehmigt. Zum Verkauf des Mehls hatte Weidenhöfer damals ein heute stadtbildprägendes Gebäude an der Obernstraße errichtet. Jetzt residiert Juwelier Rumsfeld in dem kleinen Eckhaus am Bibliotheksplatz.
Ist die Mühle geöffnet, können die Wanderer auf der Galerie einen freien Blick über die Wesermarsch genießen. Als die vielen Bäume noch nicht standen, konnte der Müller sieben weitere Mühlen sehen. Sogar die Arberger hatte er im Blick.
Vorbei an einem Reiterhof geht es entlang des Bauernviertels über eine unbefestigte Schotterstraße zurück zum Ausgangspunkt, dem Haus Clüver.