Der Burger Bahnhof besitzt nach wie vor ein Schmuddel-Image. Weil er Treffpunkt für Drogen- und Alkoholabhängige ist, fühlen sich Bürger belästigt und beschweren sich bei Polizei und Ortsamt. Allerdings habe sich die Lage insgesamt entspannt, stellte der Beirat Burglesum während seiner jüngsten Sitzung fest. Dazu hat auch ein Streetworker-Team der ambulanten Drogenhilfe „Comeback GmbH“ beigetragen, das seit Mai regelmäßigen Kontakt zu den Suchtkranken hält.
Anfangs war die Skepsis groß, doch inzwischen seien die Streetworker willkommen in der Szene, erläuterten Wolfgang Adlhoch, Anna Tibert und Akim Kushnerovich im Sitzungssaal des Ortsamtes. Zu ihren Klienten zählen zwei Gruppen. Einerseits rund 20 Substituierte, die eine Arztpraxis in Burg aufsuchen, um sich den Heroin-Ersatzstoff Methadon verabreichen zu lassen. Andererseits eine Gruppe von etwa 15 Deutschrussen, die sich regelmäßig etwas abseits auf einem Grünstreifen einfindet und dort Alkohol konsumiert. Diese Menschen gehören nach den Worten von Sozialwirt Wolfgang Adlhoch zur sogenannten ersten Aussiedlergeneration, die sich noch von der Gesellschaft überwiegend abschottet. Im Gegensatz zur zweiten Generation, die sich schnell öffne und bildungswillig sei.
Dass mittlerweile aber auch die Aussiedler der ersten Generation das Gespräch mit den Streetworkern suchen, ist insbesondere Comeback-Mitarbeiter Akim Kushnerovich zu verdanken. Er spricht Russisch. Und er hat ebenso wie seine Kollegin Anna Tibert die Erfahrung gemacht, dass die Aussiedler ebenso wie die Substituierten dankbar für die Hilfsangebote der Sozialarbeiter sind.
Auch nach den Beobachtungen und Erfahrungen des Lesumer Kontaktpolizisten Karl-Heinz Tietjen hat sich die Situation rund um den Burger Bahnhof entspannt. Jedenfalls im Vergleich zu den Jahren 2009/10, als dort ein florierender Rauschgifthandel stattfand. Auch vor drei Jahren wurden noch Spritzen und Medikamentenblister gefunden, die auf Drogenhandel und -konsum hinwiesen.
Bürger fühlen sich unwohl
Und im Oktober 2017 empörten sich Beiratsmitglieder darüber, dass Methadonpatienten beim Burger Bahnhof zusätzlich harte Drogen konsumierten. Aktuell jedoch ist der Bahnhof für die Polizei kein Brennpunkt, wie Pressesprecher Nils Matthiesen auf Anfrage bekräftigt. Der Betäubungsmittelhandel sei dort in den vergangenen Jahren zurückgegangen. Gleichwohl, so Matthiesen, zeige die uniformierte Polizei Präsenz. Zudem erfolgten verdeckte Maßnahmen durch die Polizeibeamten.
Um den Drogenabhängigen zu helfen, hatte der Arzt Wieland Tietje vor zehn Jahren eine suchtmedizinische Praxis in Burg eröffnet. Zunächst stieß er auf Skepsis und Ablehnung im Ortsteil. Heute gebe es mehr Verständnis in der Bevölkerung, sagte Tietje während der Beiratssitzung. Das sei erfreulich, denn es gehe bei diesen Menschen nicht um Kriminelle, sondern um Kranke. Und wenn man sie nicht behandle und aus Burg rausschmeiße, werde das Problem auch für die Allgemeinheit größer. Damit antwortete Tietje auf die rhetorische Frage von SPD-Fraktionssprecher Reinhard Hennig, ob man mit dem „Zustand beim Burger Bahnhof“ so leben wolle oder nicht.
Der Einsatz der Streetworker wird aus Sicht von Ortsamtsleiter Florian Boehlke wohl nichts daran ändern, dass sich weiterhin Bürger über die Lage beim Burger Bahnhof beschweren. Sie fühlten sich dort schlicht unwohl. Zum Beispiel, wenn sie mit einer Szene konfrontiert werden, wie sie eine Besucherin der Beiratssitzung schilderte: Als sie mit einer Bekannten abends den Zug verließ, erlebte sie vor dem Bahnhof eine heftige Auseinandersetzung zwischen zwei Männern, die auch noch ihre Hunde aufeinander hetzten. Die Besucherin sprach von Kampfhunden und einer hoch aggressiven Stimmung, die Angst gemacht habe.
Eine Szene, die freilich nicht mit den Methadon-Patienten oder den Aussiedlern zu tun habe, die nur in den Vormittagsstunden beim Bahnhof anzutreffen seien, warf Rainer Tegtmeier (Die Linke) ein. Er fügte an: „Das kann auch vor jedem anderen Bahnhof zwischen Bremen und Vegesack passieren.“ Davon, dass freilaufende Hunde von Haltern aus beiden Problemgruppen eine Gefahr seien, wie es während der Beiratssitzung hieß, könne keine Rede sein, erklärte Wolfgang Adlhoch im Anschluss auf Nachfrage. Der Diplom-Sozialwirt: „Die Hunde sind besser erzogen als mancher Vierbeiner anderer Bürger.“ Das Burglesumer Kommunalparlament hat einhellig einen von Beiratssprecher Martin Hornhues (CDU) eingebrachten Beschluss abgesegnet, in dem festgestellt wird, dass sich die Lage am Bahnhof Burg aufgrund des Engagements von Polizei und „Comeback GmbH“ verbessert darstelle. Zudem wurde die Senatorin für Soziales, Anja Stahmann (Grüne), aufgefordert, mehr Geld zur Verfügung zu stellen, um die erfolgreiche Arbeit der Streetworker vor Ort langfristig abzusichern.