Grohn. Die Baustelle sieht so aus wie jede andere. Neuland ist sie trotzdem, für die Projektentwickler wie für die Umweltbehörde. Was in Grohn entsteht, sagen beide, gibt es nirgendwo in der Stadt. Darum haben die Investoren für ihre Pläne auch ein Siegel bekommen, das in Bremen noch nie verliehen wurde. Dafür, dass alle Wohnhäuser weniger Energie verbrauchen als andere und halb so viel Kohlenstoffdioxid erzeugen. Ein Rundgang durch das Tauwerkquartier, Bremens erster Klimaschutzsiedlung.
Olaf Mosel und Philipp Romeiser wollen an diesem Morgen zeigen, was sich bisher getan hat und demnächst noch tun wird. Die beiden Geschäftsführer von M-Projekt gehen voran – vorbei an Lastwagen, die Steinplatten bringen, und Handwerkern, die sie vor Hauseingängen verlegen. Mosel zeigt nach links, dann nach rechts: auf Reihenhäuser mit und ohne Baugerüst. Im nächsten Frühjahr, sagt er, werden alle fertig sein. Ebenso die gegenüberliegenden Doppelhaushälften, die momentan noch Rohbauten sind.
Die Projektentwickler sehen nicht bloß zufrieden aus. Sie sagen auch, dass sie es sind. Mit der Bauzeit zum Beispiel – „zweieinhalb Jahre“, meint Mosel, „sind ein guter Schnitt“. Mit der Nachfrage – „25 von 31 Reihenhäusern und acht von 14 Doppelhaushälften“, sagt Romeiser, „sind verkauft“. Und damit, dass im Quartier bereits eine Familie wohnt, obwohl es noch Baustelle und weder Straßen noch Straßennamen gibt. Romeiser zeigt auf ein Reihenhaus, vor dem ein Kleinbus parkt. „Vor zwei Wochen war Einzug.“
Es geht an Gärten vorbei, in denen der erste Rasen sprießt und die ersten Käufer auf der Terrasse sitzen. Vorbei an Lauben, die alle gleich aussehen. Wie die Reihenhäuser und Doppelhaushälften. Mosel und Romeiser wollen es so. Beide sagen, nichts gegen Wohngebiete zu haben, in denen jeder baut, wie es ihm gefällt. Auch im Tauwerkquartier gibt es 17 Grundstücke, die bauträgerfrei sind und wo helle Häuser neben dunklen stehen, hölzerne neben verklinkerten. Doch die von M-Projekt sind weitestgehend einheitlich.
Alle Fassaden werden einen Rotton haben. Auch die Mehrfamilienhäuser der Gewosie und einer Baugruppe, die noch folgen. „Das Quartier“, sagt Romeiser, „soll wie aus einem Guss erscheinen.“ Dass die Zahl der Bautypen ebenso begrenzt ist wie die der Baustoffe, kommt nicht von ungefähr: Jedes Haus wird nach einem Standard der Förderbank KfW errichtet, der höher ist als der gesetzlich vorgeschriebene. Und je unterschiedlicher die Gebäude und Materialien, desto komplizierter wird es, diesen Standard zu erreichen.
KfW-55 – das ist die Effizienzklasse, die für alle Häuser im Tauwerkquartier vorgeschrieben ist. Eigentlich ist der Standard noch etwas strenger. Das sagen nicht Mosel und Romeiser, das sagt Alina Fischbeck. Sie spricht von KfW-50, weil die Ziffer bedeutet, dass eben nur halb so viel Kohlenstoffdioxid von den Gebäuden erzeugt wird als von herkömmlichen. Fischbeck arbeitet für die Bremer Klimaschutzagentur Energiekonsens, die das Projekt betreut. Und die kontrolliert, dass alle Werte eingehalten werden, die das Quartier zur grünen Siedlung machen.
Umweltschonend und energieeffizient
Energiekonsens hat Mosel und Romeiser eine einzige Vorgabe gemacht: Sie müssen den Standard erreichen. Wie, ist ihre Sache. Die Agentur empfiehlt nur. Die Häuser haben dickere Wände, mehr Dämmung am Dach und dreifach verglaste Fenster. Und alle Wohneinheiten – am Ende werden es 105 sein – werden von einem Blockheizkraftwerk mit Wärme versorgt. Die Planer hätten noch mehr machen können. Etwa die Dächer begrünen und sie mit Solartechnik versehen. Dann hätten sie sogar eine noch strengere Effizienzklasse erreicht. Aber auch höhere Preise.
Ein Reihenhaus, Garten, 150 Quadratmeter Wohnfläche, kostet 280 000, eine Doppelhaushälfte 330 000 Euro. Mosel und Romeiser zählen beim Gehen auf, was die Käufer für das Geld bekommen. Beide sprechen nicht von teuer oder günstig. Sie sagen nur, dass die Häuser umweltschonender, weil energieeffizienter sind. Und dass sich andere Projekte, bei denen weniger Vorgaben einzuhalten sind, besser rechnen als das Tauwerkquartier. Mosel sagt, dass sie lange überlegt haben, es zu einer Klimaschutzsiedlung zu machen.
Zwei Jahre dauerten die Gespräche mit Energiekonsens, ehe die ersten Baufahrzeuge und Handwerker auf das 3,2 Hektar große Gelände kamen. Mosel und Romeiser stehen neben dem Blockheizkraftwerk, einem Gebäude, das an eine zu groß geratene Garage erinnert. Für die Projektentwickler ist die Technik ein Beispiel dafür, dass es mehr Abstimmungsgespräche brauchte, als bei anderen Vorhaben. Weil sie noch keines hatten, bei dem sie selbst ein Versorgungsnetz planen mussten. Mosel: „Wir haben viel dazugelernt.“
Das sagt auch Alina Fischbeck. Heute, meint die Projektbetreuerin von Energiekonsens, würde die Agentur vieles schneller voranbringen können und vieles anders machen. Fischbeck spricht von Prozessen, die vereinfacht werden sollen. Von einer Planung, die man flexibler halten will, um auch Carsharing-Angebote und Zapfsäulen für Elektroautos zu integrieren. Und davon, dass die Agentur froh darüber ist, mit M-Projekt ein Unternehmen gefunden zu haben, das die Vorreiterrolle übernommen hat – und damit vielleicht Nachahmer motiviert.
Alina Fischbeck weiß, dass andere Bundesländer weiter sind als Bremen. In Nordrhein-Westfalen beispielsweise gibt es mittlerweile 25 Klimaschutzsiedlungen und noch mal so viele, die entweder geplant oder gerade im Bau sind. Sie weiß aber auch, dass es Gespräche mit mehreren Investoren gibt, die in Bremen auf das erste Quartier dieser Art, eventuell ein zweites, drittes und viertes folgen lassen wollen. Auch M-Projekt, sagt Fischbeck, gehört zu diesen Investoren.
Tag für Besucher
Weil das Tauwerkquartier anders ist als andere Wohngebiete, wollen die Projektentwickler zeigen, was Bremens erste Klimaschutzsiedlung von herkömmlichen Bauvorhaben im Detail unterscheidet. Für Sonntag, 21. Oktober, laden sie deshalb zu einem Tag für Besucher ein. Geplant sind Rundgänge durch das Quartier, aber auch durch ein Musterhaus. Erklärt wird sowohl die Technik der Gebäude, die weniger Energie verbrauchen und halb so viel Kohlenstoffdioxid erzeugen, als auch das Konzept, das die Siedlung zur Klimaschutzsiedlung macht. Führungen sind von 14 bis 17 Uhr geplant. Das Quartier gehört zum Sofortprogramm für Wohnungsbau des Senats. Nach Angaben der Planer werden dort rund 350 Menschen leben.