Ritterhude. Wo ist Alma? Das fragen sich in diesem Sommer Anrainer von Hamme und Lesum. Das betagte Fahrgastschiff tuckert nur noch selten auf den beiden Flüssen, um Ausflügler von Vegesack nach Worpswede und zurück zu bringen. Was nicht bedeutet, dass die 1928 getaufte Alma aus Altersgründen geschont wird. Im Gegenteil, neuerdings ist sie vor allem als Weserfähre zwischen dem Weserstadion und der Überseestadt im Bremer Westen im Einsatz.
Rund zweidreiviertel Stunden dauert die erholsame und etwa 25 Kilometer lange Fahrt von Vegesack mit dem ältesten künstlich angelegten Hafen Deutschlands (1622/23) bis in die Künstlerkolonie im Teufelsmoor. Vorbei am Hochufer der Lesum mit dem 65 Hektar großen Knoops Park und mitten durch das rund 2900 Hektar umfassende Naturschutzgebiet der Hammeniederung. Noch vor zwei Jahren war das 25 Meter lange und 4,50 Meter breite, in Duisburg-Walsum am Niederrhein erbaute Schiff vom 1. Mai bis 30. September jeden Mittwoch und Sonnabend in dieser Idylle unterwegs.
Doch schon damals deutete die Bremer Gesellschaft für Stadttouristik „Hal över“ auf die Frage, ob „Alma“ denn ausreichend Geld in die Firmenkasse bringe, nur knapp an: „Die Alma hält sich.“ Heute sagt Harro Koebnick von der „Hal-över“-Geschäftsleitung: „Die Nachfrage war nicht mehr da, um das Angebot aufrechterhalten zu können.“ Mit anderen Worten: Die Ausflugsfahrten gerieten zum Minusgeschäft.
Holger Gehrke findet es gleichwohl sehr schade, dass sich „Alma“ rar gemacht hat. Der Ritterhuder Pastor im Ruhestand, der dem Anglerverein „Hammebiss“ und der Poddergemeinschaft „Alte Eichen“ angehört, die Aale mit alter Fangtechnik ohne Haken fischt: „ Das Traditionsschiff gehörte in der Sommersaison zum Landschaftsbild und wird jetzt von vielen Ausflügler vermisst.“ Die in der Vergangenheit auch immer wieder am Anleger beim Hamme-Forum zustiegen. Dort können Gehrke und seine Angelfreunde noch heute einen Fahrplan studieren, wonach „Alma“ jeden Mittwoch und Sonnabend zwischen Vegesack und Neu-Helgoland verkehrt und stets den Anleger in Ritterhude ansteuert. Doch der Fahrplan war schon im vergangenen Jahr nicht mehr aktuell. Unlängst, erzählt Gerke, habe eine Reisegesellschaft mit ihren gekauften Fahrkarten vergeblich auf das Fahrgastschiff gewartet. Sie durfte schließlich ausnahmsweise an der Ritterhuder Schleuse zusteigen.
Dort haben die Schleusenwärter nach den Beobachtungen der Petri-Heil-Jünger vom „Hammebiss“ immer weniger zu tun. Weil Motorboote die Hamme aus Gründen des Umweltschutzes kaum noch befahren dürfen. Für „Alma“ gibt es eine Ausnahmegenehmigung. Sie ist ohnehin weit und breit das einzige Fahrgastschiff dieser Größe, das die Schleuse noch passieren kann.
Alma“ kann auf ein bewegtes Leben zurückblicken. Vor 90 Jahren für den Fährverkehr erbaut, wurde sie 1991 von Ruth Haferkamp aus Elsfleth erworben und fuhr fortan unter dem Namen „Hanseat“ von Vegesack über Burg, Ritterhude, Tietjens und Melchers Hütte bis Neu- Helgoland, dem Hafen des Künstlerdorfs. Im Frühjahr 2007 verkaufte das Elsflether Schifffahrtsunternehmen die „Hanseat“, die nun „Sansibar“ hieß, an das Schiffahrtskontor der Worpswederin Annette Rinke. Wenige Wochen später übernahm „Hal över“ das betagte Fahrgastschiff, überholte und modernisierte es und lässt es seit Mai 2007 auf der traditionsreichen Route unter ihren Traditionsnamen verkehren. Anfangs noch als „Sansibar“, seit 2010 als „Alma“.
Ein Name der Liebe wegen
Die jüngste Umbenennung ist eng mit dem Namen Pellens verbunden. Johannes Pellens aus Marßel, der Ende des 19. Jahrhunderts nach Amerika auswanderte und als schwer reicher Geschäftsmann zurückkehrte, heiratete 1893 eine Alma Brinkama. Ihr zu Liebe ließ er die „Villa Marßel“ bauen, später ein berühmtes Ausflugslokal. Und 1910 beauftragte er die Unterweser AG /Schichau-Werft Bremerhaven, ein Fahrgastschiff zu konstruieren, das auf den Vornamen seiner Frau getauft wurde. Es war sozusagen die erste „Alma“.
Das Motorschiff brachte Gäste von Burg zur „Villa Marßel“ und weiter über Ritterhude und Tietjens Hütte bis in die 1889 gegründete Künstlerkolonie Worpswede. Ein Rätsel aber bleibt, was mit der ersten „Alma“ passierte. Ob sie verkauft oder verschrottet wurde, ist nicht bekannt.
Ein solches Schicksal blieb der zweiten „Alma“ bislang erspart. Allerdings verkehrt sie auf ihrer Traditionsroute regelmäßig nur noch sechs Mal in der Saison. Am 19. Mai, 20. Juni und 18. Juli hat sie ihren Passagieren den Alltag vergessen lassen, am 1. und 29. September soll sie noch einmal zu den Ausflugsfahrten von Vegesack nach Worpswede und zurück starten. Wiederum mit jeweils rund 90 Personen.
„Alma“ sei für diese Saison auch bei den zusätzlichen sechs außerplanmäßigen Gesellschaftsfahrten im angestammten Revier ausgebucht, heißt es bei „Hal över“. Was freilich nicht für ihr neues Einsatzgebiet gilt. Seit dem 2. Juli pendelt das 90 Jahre alte Schiff zwischen den Anlegern beim Weserstadion sowie dem Landmark-Tower in der Überseestadt und zurück; montags bis freitags zwischen 7 bis 19 Uhr. Die letzte Schuttle-Fahrt soll zunächst am 31. Oktober stattfinden. Danach kann sich „Alma“ ausruhen.