Das „Logbuch“, die Mitgliederbroschüre des Schulschiff-Vereins, ist diesmal anders als sonst: Statt um mehrere Themen, geht es nur um eines – um die Standortfrage. Auf knapp 20 Seiten dokumentiert der Vorstand, was war und was ist. Jeder Briefwechsel mit den Behörden, dem Rathaus und den Senatoren ist abgedruckt. Und auch jedes Angebot aus Bremerhaven. Unterm Strich ist die Seestadt jetzt bereit, fast 220.000 Euro zu investieren, damit der Großsegler bei den Havenwelten festmachen kann.
Eigentlich hatte Vereinschef Claus Jäger angekündigt, dass der Vorstand in der neuen Ausgabe der Vereinszeitschrift nicht sagen wird, wie er die Sache sieht. Die 270 Mitglieder, sagte er zuletzt, sollten sich selbst eine Meinung bilden, ob das Schulschiff in Vegesack bleiben oder nach Bremerhaven wechseln soll. Doch rausgehalten hat sich die Vereinsspitze am Ende dann doch nicht. Deren Kommentar liest sich so, als gäbe es keine Wahl: „Am Standort Vegesack“, heißt es in der Einleitung der Schulschiff-Broschüre, „werden wir die notwendigen Einnahmen nicht erzielen können.“
Jäger und die drei anderen Vorstände finden, dass Bremerhaven mit dem Neuen Hafen das „touristisch attraktivste maritime Revier an der Nordseeküste“ ist. Sie kommen für die Havenwelten auf eine Million Besucher pro Jahr – und rechnen den Mitgliedern vor, dass es reichen würde, wenn davon nur jeder Zwanzigste das Schulschiff besucht, der Verein achtmal so viele zahlende Gäste hätte wie in Vegesack. Der Verein, auch das steht in der Broschüre, will nicht abhängig werden von staatlichen Subventionen. Müsste es seiner Ansicht aber, wenn er in Bremen-Nord bleibt.
Nach Rechnung des Vorstandes braucht der Verein in diesem Fall mindestens 150.000 Euro pro Jahr vom Land. Laut Jäger und den anderen Vorstandsvertretern ergibt sich die Summe kurzfristig aus dem Besucherrückgang wegen der Corona-Krise und langfristig daraus, dass die ehrenamtliche Crew, die bisher den Rahsegler flott gehalten hat, in absehbarer Zeit nicht mehr bereitsteht – und dann Fremdfirmen mit Wartungen und Reparaturen beauftragt werden müssen. Bisher ging es beim Schulschiff um Finanzierungslücken von 60.000 Euro. Die Summe fehlte zwei Jahre in Folge.
Es geht um Details
Während Bremen zuletzt angeboten hat, dem Verein dabei zu helfen, ein neues Konzept für den Vegesacker Standort zu entwickeln, bietet Bremerhaven etwas anderes: einen Plan und Geld, um den Plan umzusetzen. In einem Brief listet Oberbürgermeister Melf Grantz auf, was der Verein am neuen Liegeplatz bekommen soll. Es geht um Details – um Mülltonnen, eine Gangway, Fahrradständer, Telefon. Auf der vorletzten Seite der Vereinsschrift freut sich der Verwaltungschef, Jäger mitteilen zu können, dass 147.000 Euro bewilligt wurden, um die Infrastruktur für Schiff und Verein zu schaffen.
Es ist nicht die einzige Summe, die Grantz in Aussicht stellt. Auch die Kosten einer Überführung sollen übernommen werden. Der Oberbürgermeister geht von rund 70.000 Euro aus. Und davon, dass der Segler im nächsten Jahr in der Seestadt ist. Bis dahin sollen für den Verein auch neue Büros gefunden sein. Grantz schreibt, dass der Vorstand sagen soll, wie viel Platz er braucht. Und dass er sich sicher ist, sich auch hier bei den Konditionen verständigen zu können. An einer anderen Stelle heißt es, dass er und sein Team alles in die Wege leiten werden, um das Schiff nach Bremerhaven zu begleiten.
Dass er gut findet, was Bremerhaven bietet, hat Jäger schon oft gesagt. In der Mitgliederbroschüre ist jetzt allerdings auch zu lesen, was er und die übrigen Vorstandsmitglieder von dem Bremer Hilfsangebot halten, den Vegesacker Standort attraktiver zu machen. Senatspräsident Andreas Bovenschulte (SPD), Bausenatorin Maike Schaefer (Grüne) und Wirtschaftssenatorin Kristina Vogt (Linke) haben es unterbreitet. Die Vereinsspitze schreibt, die Unterstützung gern zur Kenntnis zu nehmen. Jedoch geht sie davon aus, dass die Hilfe nicht das Problem lösen wird, dass zu wenig Besucher kommen.
Das Umfeld zu verbessern, reicht nach Auffassung des Vereins nicht mehr aus. Für die vier Vorstände sind die Vorschläge des Senats, etwa die Zusammenarbeit mit den Schulen und dem Geschichtenhaus auszubauen, „kleinteilige Maßnahmen“ – und deshalb „nicht geeignet“, die Resonanz für das Schiff zu erhöhen. Mit Bovenschulte, Schaefer und Vogt noch einmal reden will die Vereinsführung trotzdem. Auch wenn sie zugleich argumentiert, dass ein Landesdenkmal wie das Schulschiff genauso seinen Platz in der Seestadt haben kann, weil sie ja eben auch zu Bremen gehört.
Erste Reaktionen der Mitglieder zur Standortfrage des Großseglers erwartet Vereinsvorsitzender Jäger noch in diesem Jahr, eine Entscheidung, was nun werden soll, Anfang des nächsten.