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Schöffengericht Drogenexperiment mit 15-Jährigem: Bewährungsstrafe für Ritterhuder

Weil er einem 15-Jährigen Drogen verabreicht hat, ist ein Ritterhuder zu einer Bewährungsstrafe verurteilt worden. Das Marihuana-Experiment diente als „Erziehungmaßnahme“.
15.09.2020, 20:00 Uhr
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Von Friedrich-Wilhelm Armbrust

Osterholz-Scharmbeck/Worpswede. Über dem Prozess gegen einen 31-jährigen Ritterhuder hätte durchaus die Redensart „Dieser Schuss ging nach hinten los“ stehen können. Angeklagt war er wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz (BTMG). Dazu heißt es im Gesetzbuch, dass jemand mit einer Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr bestraft werde, wenn jemand über 21 Jahre Betäubungsmittel unerlaubt an eine Person unter 18 Jahren abgebe oder sie ihr verabreiche oder zum unmittelbaren Verbrauch überlasse.

Eben das traf auf einen 31-jährigen Ritterhuder zu. Er hatte Mitte Juli vergangenen Jahres seinem damals 15-jährigen Großcousin aus Worpswede eine Konsumeinheit Marihuana per Bong verabreicht. Eine Bong ist eine Wasserpfeife, die ohne Schlauch geraucht wird. Das Rauchen von Cannabis-Produkten mit der Bong verspricht einen intensiveren Effekt, weil der Konsument mit einem Atemzug eine größere Menge des psychoaktiven Tetrahydrocannabinols (THC) zu sich nimmt. Allerdings kann dies bei Anfängern die Folge haben, dass die Wirkung auf den Körper als nicht gerade angenehm empfunden wird.

Aber genau das war passiert. Dem 15-Jährigen wurde übel und er musste sich erbrechen. In seiner Verzweiflung rief der Ritterhuder die Eltern des Teenagers an. Die Mutter brachte ihn schließlich ins Krankenhaus. Dort verbrachte er eine Nacht unter Aufsicht. Die Mutter hatte auch die Anzeige erstattet.

Marihuana und Kokain

Gleich zu Beginn der Beweisaufnahme im Schöffengericht sagte Verteidiger Tim Jesgarzewski über seinen Mandanten: „Er will das vollständig aufklären. Ihm ist völlig klar, das war nicht richtig. Es tut ihm leid.“ Eigentlich sei das Ganze als erzieherische Maßnahme geplant gewesen, so der Verteidiger. Er habe seinem Cousin, dessen Sohn der 15-Jährige war, helfen wollen, sagte dazu der Angeklagte. Auf Wunsch des Vaters habe er sich mit dem 15-Jährigen über Drogenkonsum und dessen negative Folgen unterhalten wollen.

Diese Aussage bestätigte der inzwischen 16-Jährige als Zeuge. „Er wollte mit mir reden, weil ich selbst kiffte. Er sagte mir, dass ich das besser nicht machen sollte.“ Auch räumte der Zeuge ein, seinen Großcousin zwei bis drei Mal gedrängt zu haben, „eine Bong zu machen“. „Später hat er Ja dazu gesagt. Ich habe einmal daran gezogen. Mir wurde übel.“ Er habe sich anschließend übergeben müssen.

„Ich war zu dem Zeitpunkt selbst starker Kiffer“, sagte der 31-Jährige über sich. Jetzt nehme er nur noch am Wochenende Marihuana zu sich. Außerdem sei er abhängig von Kokain, bekannte er. „Aber ich will eine Therapie machen. Das geht zu sehr an die Gesundheit und ans Geld.“ Auf Rückfrage der Staatsanwältin, wieviel Geld er in Drogen investiere, antwortete der Ritterhuder: „Damals zahlte ich 300 Euro für Gras und 400 Euro für Koks im Monat, jetzt 50 Euro im Monat für Gras.“

Ziel sei es für ihn, in eine Entgiftung zu gehen und dann in eine Langzeittherapie, so der Angeklagte. Ihm zufolge hat der Tod seiner Mutter vor vier Monaten auch bei ihm eine Depression ausgelöst. Befragt nach seinen persönlichen Verhältnissen, gab der 31-Jährige an, dass er Arbeitslosengeld II beziehe und noch 30 000 Euro an Schulden abbezahlen müsse. Eintragungen im Bundeszentralregister liegen nicht vor.

Der sogenannte Erziehungsversuch sei „komplett gescheitert“, sagte die Staatsanwältin in ihrem Plädoyer. Außerdem wird nach ihren Worten diese Tat vom Gesetz her als Verbrechen eingestuft. In minderschweren Fällen kann dies zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren führen. „Die Intention war ja eigentlich ganz gut. Aber das ist gründlich daneben gegangen.“

Angeklagter in „Umbruchphase“

Man solle versuchen, den Angeklagten in seiner „Umbruchphase“ zu unterstützen, betonte die Staatsanwältin. Sie beantragte eine Freiheitsstrafe von drei Monaten, die für drei Jahre zur Bewährung ausgesetzt werden sollte. Außerdem sollte dem Ritterhuder ein Bewährungshelfer zur Seite gestellt werden. Der könne auch dazu beitragen, das Problem der Schulden anzugehen. Außerdem erachtete sie es als notwendig, dem 31-Jährigen eine stationäre Drogentherapie aufzuerlegen.

Dem schloss sich Verteidiger Jesgarzewski an. „Gut gedacht, schlecht gemacht.“ Mit diesen Worten beschrieb er die Tat seines Mandanten. „Etwas Gutem will ich mich aber nicht verschließen“, pflichtete er dem Antrag der Staatsanwältin bei.

Das Schöffengericht war sich nach kurzer Beratung einig mit den Anträgen von Staatsanwältin und Verteidiger. „Eine Geldstrafe wäre noch möglich gewesen. Aber die würde noch mehr Schaden anrichten“, sagte Strafrichterin Johanna Kopischke. Sie hielt dem Angeklagten zugute, dass er erkannt habe, sein Leben umkrempeln zu müssen. Hinsichtlich der Strafe bekräftigte die Richterin: „Hier muss ein Signal gesetzt werden.“

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