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Initiative sammelt Unterschriften Protest gegen Teilabzug der Nordbremer Frühchenstation

Die Initiative "Kindgerecht" will verhindern, dass ein Teil der Nordbremer Frühchenstation abgezogen wird. Jetzt sammelt sie Unterschriften für eine Petition, mit der sich die Bürgerschaft beschäftigen soll.
11.04.2019, 18:40 Uhr
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Protest gegen Teilabzug der Nordbremer Frühchenstation
Von Christian Weth

Jürgen Bachmann war früher Arzt, jetzt ist er Protestler. An diesem Vormittag steht er vor dem Klinikum Nord und spricht jeden an, der hineinwill oder herauskommt: „Guten Tag, haben Sie Kinder?“ In der einen Hand hält er ein Klemmbrett mit Listen, in der anderen ein Plakat. Es zeigt Inkubatoren, in denen Babys liegen, und Wasser, in dem die Brutkästen treiben. Quer über dem Bild steht: „Damit unsere Norder Frühchen nicht den Bach runtergehen.“ Bachmann will verhindern, was die Behörde plant – einen Teil der Versorgung von Frühgeborenen abzuziehen. Er sagt, dass das katastrophal wäre, für Eltern, aber auch fürs Klinikum.

So wie er denken auch andere. Christa Goecke und Henrike Antpöhler zum Beispiel. Die Vegesacker Frauenärztin und die Sozialpädagogin, die Schwangere berät, stehen neben Bachmann. Auch sie haben ein Klemmbrett mit Listen. Auch sie halten Plakate. Auch sie sprechen Patienten, Besucher und Klinikpersonal an. Bachmann, Antpöhler und Goecke gehören einer Initiative an, die sich „Kindgerecht“ nennt. Vor Kurzem ist sie gegründet worden. Immer mehr Menschen schließen sich ihr an, darunter Mediziner und Sozialarbeiter, aber auch Eltern, Pflegekräfte und Stadtteilpolitiker.

Listen im Umlauf

Auch an diesem Tag geht es um die Suche nach Unterstützern – nicht für die Initiative direkt, sondern für ein Vorhaben, das sie plant: Bachmann, Goecke und Antpöhler sammeln Unterschriften für eine Petition, mit der sich die Bürgerschaft beschäftigen soll. Bachmann sagt, dass mittlerweile mehrere Listen im Umlauf sind, bei Kinder- und Frauenärzten ebenso wie bei Apothekern und Friseuren. Und dass das den Mitstreitern der Initiative im Grunde jedoch nicht reicht: „Wir wollen mit den Menschen ins Gespräch kommen. Wir wollen auch ihre Meinung hören und nicht nur unsere Meinung sagen.“

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Die drei Protestler müssen vor dem Klinikum gar nicht viel reden. Die meisten unterschreiben sofort. Nadiha Packhuber etwa. Die Mutter kennt den Plan der Behörde und hat längst eine Meinung: „Ein Teilabzug der Versorgung bedeutet unterm Strich eine schlechtere Versorgung.“ Auch Petra Winkel und Alperen Çetin tragen sich in die Listen ein, ohne dass Bachmann, Goecke und Antpöhler lange erläutern müssen, was sie befürchten, wenn die Behörde umsetzt, was sie plant. Winkel meint, dass die Frühchenstation eine gute Arbeit macht – warum sie also verkleinern? Çetin fragt etwas anderes: „Weshalb Wege verlängern, wenn kurze doch besser sind?“

Eltern müssen Frühchen oft besuchen können

Für die Mitstreiter der Initiative ist das eines der Hauptprobleme, die sie sehen, wenn die Gesundheitsbehörde einen Teil der Versorgung aus Nord abzieht, um am Klinikum Mitte ein Zentrum für Frühgeborenenmedizin aufzubauen. Bachmann sagt, was er schon häufiger gesagt hat: dass es für die Entwicklung von Frühchen wichtig ist, wenn die Eltern so oft wie möglich bei ihrem Kind sind. Und dass eine Verlagerung der Versorgung jedoch genau das Nordbremer Müttern und Vätern erschwert. Zudem befürchtet er, dass die Zahl der Plätze, die am Krankenhaus Mitte vorgesehen sind, nicht für alle Frühgeborenen reichen werden.

Über Zahlen haben sich die Protestler bereits während der Sitzung des Regionalausschusses der Nordbremer Beiräte mit Gesundheitssenatorin Eva Quante-Brandt (SPD) gestritten. Jetzt wieder: Am Tag vor der Unterschriftensammlung beim Klinikum waren Mitglieder der Initiative bei ihr. Die Behördenchefin hatte zu dem Treffen eingeladen. Bachmann spricht von einer „heftigen Diskussion“ – und davon, dass Initiative und Behörde noch immer von unterschiedlichen Ziffern ausgehen. Das Ressort rechnet mit 24 Intensiv- und zwölf Beobachtungsbetten, Bachmann mit einem Drittel weniger, weil die Behörde ihm zufolge nicht nur Frühchenplätze mitzählt.

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Ob das so ist, kann Christina Selzer nicht sagen. Die Sprecherin der Senatorin kündigt an, dass die Angaben jetzt vom Klinikverbund Gesundheit Nord überprüft werden. Zudem soll er im engen Austausch mit der Initiative bleiben und sie „in den Prozess der Verlagerung“ einbinden. Selzer meint, dass ein Zentrum für Frühgeborene am Krankenhaus Mitte medizinisch sinnvoll ist. Die Behörde argumentiert, dass sie am besten dort aufgehoben sind, wo viele von ihnen versorgt werden – wegen der Spezialisierung, aber auch der Routine. Und wegen der Technik. Selzer spricht von einer hochmodernen und effektiven Geburtshilfe, die am Klinikum Mitte geschaffen werden soll.

Weitere Gespräche mit den Kritikern der Behördenpläne

Und von einer Verständigung während des Treffens mit der Initiative. Zum Beispiel darauf, dass der Teilabzug der Nordbremer Frühchenversorgung nicht vor Ende 2021 beziehungsweise Anfang 2022 erfolgen soll. Und auch darauf, dass sich der Klinikverbund mit der Sorge der Initiative beschäftigen wird, die Distanz zwischen den drei Nordbremer Stadtteilen und dem Klinikum Mitte könnte zu groß für Eltern sein. Laut Selzer soll es weitere Gespräche mit den Kritikern der Behördenpläne geben. „Die Senatorin“, sagt ihre Sprecherin, „wünscht sich die Fortsetzung des Dialogs.“

Auf weitere Gespräche setzt auch Bachmann – allerdings nicht nur mit Quante-Brandt. Demnächst wird er den Bürgermeisterkandidaten der CDU treffen. Carsten Meyer-Heder soll sagen, wie er die Sache sieht. Und was er gegebenenfalls unternehmen will, damit die Frühchenstation bleibt, wie sie ist.

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