Die Borgfelder Grünen kritisieren hiesige Landwirte für ihre Unterstützung der Aktion „Grüne Kreuze“. Nachdem die Borgfelder Landwirtin Heike Klatte die Symbole als Protest gegen die Agrarpolitik der Bundesregierung auf einer Weidefläche am Kuhweideweg aufgestellt und öffentlich über die Lage der Landwirte berichtet hat, hagelt es Kritik aus der Ortspolitik. Klatte wird eine „Landwirtschaftspolitik von vorgestern“ vorgeworfen, so formulierte es der ehemalige Ortspolitiker Martin Schumacher (Grüne) in einem öffentlichen Brief. So werde Klimarettung unmöglich, heißt es darin.
„Böse Zungen behaupten, dass diese Bewegung nur dazu dient, mehr Subventionen aus dem Bundeshaushalt zu leiern“, erklärt der Sprecher der Borgfelder Grünen, Jürgen Klaes. Dass Landwirtschaft auch mit weniger Dünger funktioniert und mit weniger Umweltbelastung, weiß Beiratsmitglied Klaes von seiner Tante. Sie habe vor 60 Jahren einen Demeter-Hof ins Leben gerufen – ohne staatliche Subventionen. „Die gab es nämlich damals noch nicht.“
Klaes kritisiert: „Das politische Engagement der Landwirte kommt recht spät.“ Es sei eine Minderheit, die jetzt gegen das Agrarpaket auf die Straße geht und mit dem Aufstellen von grünen Kreuzen gegen die Bundespolitik protestiert. Klaes hingegen geht das Agrarpaket der Regierung nicht weit genug. 51 Prozent der Flächen in Deutschland seien landwirtschaftlich genutzt, damit sei die Verantwortung für ihn klar. „Grünkreuzler sind gegen Klimaschutz, das Artensterben interessiert sie nicht. Die Qualität des Grundwassers ist ihnen egal. So interpretiere ich die Resonanz, die der Protest der Grünkreuzler in den Medien erfährt“, sagt Klaes. „Die Welt ist am Limit.“ Weltweit sei die Zahl der Insekten deutlich zurückgegangen. „Und zwar vor allem in der Nähe landwirtschaftlich genutzter Flächen“, berichtet Klaes. „Es kann nicht sein, dass der Gesetzgeber zusieht, dass das so weiter geht.“
Biolandwirte gegen EU-Agrarpolitik
Unterstützung erhält Landwirtin Klatte indes von Biobauern wie Harje Kaemena und Gerd Gartelmann aus dem Blockland. „Auch wir Biobauern sympathisieren mit den Grünen Kreuzen“, erklärt Landwirt Gartelmann, der einen Milchviehbetrieb im Blockland leitet. Das bestätigt auch Harje Kaemena, der gemeinsam mit seiner Familie eine Eisdiele, einen Milchviehbetrieb mit eigener Käseherstellung und ein Hofcafé betreibt. Kaemena kritisiert vor allem die EU-Agrarpolitik – sie habe es nicht geschafft, einheitliche Regeln für alle Länder aufzustellen. Als Beispiel nennt der Blocklander den Pflanzenschutz. Polen, Dänemark und die Niederlande hätten andere Verordnungen als die deutschen Landwirte. „Solange Verordnungen in der EU unterschiedlich durchgesetzt werden, haben wir einen Wettbewerbsnachteil“, erklärt der Biolandwirt. Der Protest der Landwirte richte sich gegen die Umsetzung unterschiedlicher Standards in den EU-Ländern.
Die Informationspolitik der Bundesregierung sei zudem kontraproduktiv. „Wir werden an staatlichen Unis ausgebildet, erhalten staatliche Prüfungen als Landwirte – und in der Praxis machen wir alles falsch?“ Zudem kritisiert Kaemena die von der Bundesregierung ins Feld geführte Diskussion um Nitrate. „Die Landkarte, auf der die roten Gebiete markiert sind, spiegelt ein verzerrtes Bild wider. Sie suggeriert, dass die meisten Flächen durch die Landwirtschaft verunreinigt werden. Alle grün markierten Felder wurden aus der Karte herausgenommen, um die Brisanz der rot markierten Flächen zu unterstreichen“, berichtet Kaemena. Der Biobauer sagt klipp und klar: „Mir schwillt bei der ganzen Diskussion inzwischen der Hals an, aber wir bleiben im Gespräch.“
Die Borgfelder Grünen haben das gleiche Ziel. Gelegenheit biete dazu der Umweltausschuss des Borgfelder Beirates, der am Dienstag, 19. November, ab 19.30 Uhr im Ortsamt in der Borgfelder Landstraße 21 tagt.
Hintergrund
2016 hatte die Europäische Kommission Deutschland vor dem Europäischen Gerichtshof verklagt – und bekam zwei Jahre später recht. Das Luxemburger Gericht stellte im Juni 2018 fest, dass Deutschland gegen das gesundheits- als auch umweltschädliche Nitrat im Grundwasser zu wenig unternommen habe – und forderte die Bundesregierung zu Korrekturen auf. Selbst das Urteil des höchsten EU-Gerichts brachte in Deutschland nicht viel Schwung in die Sache. Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner versprach eine Reform der umstrittenen Düngemittelverordnung. Demnach sollten Bauern in den sogenannten „roten“ Gebieten mit einer besonders hohen Nitratbelastung 20 Prozent weniger Gülle ausbringen und dabei größeren Abstand zu Gewässern halten. Anfang September stellte sie gemeinsam mit der Umweltministerin Svenja Schulze ein neues Agrarpaket vor. Bundesweit protestieren die Landwirte seitdem, weil sie die Reformen für „nicht zielführend“ halten. Die Borgfelder Landwirtin Heike Klatte drückt ihren mit grünen Holzkreuzen vor ihrem Hofladen und auf einer Weidefläche am Kuhweideweg aus. Unterstützung erhält sie dabei unter anderem auch von Biobauern wie Harje Kaemena und Gerd Gartelmann aus dem Blockland. Die Borgfelder Grünen haben für die „Grünkreuzler“ kein Verständnis - wollen aber weiterhin mit ihnen im Gespräch bleiben. Für den Grünensprecher Jürgen Klaes sind die Grünkreuzler eine Minderheit.