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100 Jahre Hans-Wendt-Stiftung „Inklusives Arbeiten ist unser großes Markenzeichen“

Die Hans-Wendt-Stiftung fördert Kinder, Jugendliche und deren Familien, wenn sie sozial benachteiligt sind, psychische oder körperliche Einschränkungen haben. Vorstand Andreas Schnabel erzählt von der Zukunft.
25.09.2019, 12:17 Uhr
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Von Petra Scheller

Herr Schnabel, die Hans-Wendt-Stiftung feiert in diesem Jahr ihren 100. Geburtstag, was macht die Stiftung heute?

Andreas Schnabel: Als freier Träger liegt unser Auftrag in der Förderung von Kindern, Jugendlichen, jungen Erwachsenen und deren Familien, die sozial benachteiligt – oder aus psychischen oder körperlichen Gründen eingeschränkt sind. Das war vor 100 Jahren übrigens fast ähnlich.

Wie sieht Ihre Arbeit aus?

Ich habe die Geschäftsführung inne und vertrete die Stiftung nach außen. Dazu gehört natürlich auch die Außendarstellung. Hier ist politisches Arbeiten gefragt. Ich verhandele mit den Behörden die Vergütungen für unsere Leistungen und bespreche mich mit den Senatorinnen und den Staatsräten. Ich bin Kaufmann und muss auch die finanzielle Verantwortung tragen. Unsere pädagogischen Leitungen beraten sich mit den Fachabteilungen in den Behörden, das begleite ich – hin und wieder.

Die Stiftung beschäftigt 360 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in 37 Einrichtungen?

Ja, genau. Für diese fühle ich mich als Vorstand und Geschäftsführer verpflichtet. Sie sind direkt angestellt. Darin liegt viel Verantwortung.

Wie setzt sich das Stiftungsvermögen zusammen?

Das Stiftungsvermögen ist fast ausschließlich in Grund und Boden sowie Gebäude investiert. Es sind nur ganz geringe liquide Mittel vorhanden.

Wie hoch ist das Vermögen?

Rund zehn Millionen Euro. Aber wirklich alles fest angelegt in Eigentum.

Inwiefern steckt die Stadt Bremen in der Stiftung mit drin?

Gar nicht. Sie ist lediglich einer unserer Auftraggeber. Einzig im Stiftungsrat darf das Land Bremen, genauer die Sozialsenatorin, zwei von sieben Mitgliedern berufen. Drei Mitglieder werden von unserem Spitzenverband, dem Paritätischen Bremen, berufen und zwei von der Hanseatischen Rechtsanwaltskammer.

Wie ist die Stiftung ausgerichtet?

Wir machen alles, was in der Jugendhilfe möglich ist. Egal ob ambulant, teilstationär oder stationär. Wichtig ist, dass wir schon seit über 35 Jahren integrativ im Sinne von Menschen arbeiten, die von Behinderung oder Verhaltensauffälligkeit bedroht sind. Heute sagt man inklusiv dazu. Aber von der Ausrichtung der Arbeit ist es fast identisch.

Die Stiftung hat schon früh zum Thema Inklusion gearbeitet?

Inklusives Arbeiten ist unser großes Markenzeichen, seitdem wir in den frühen 1980er-Jahren in diese Richtung gegangen sind. Wir haben ganz klar gesagt, Separation von Kindern und Jugendlichen muss der Vergangenheit angehören.

Ein langer Weg, oder? Wie weit sind wir mit der Inklusion?

Es gibt Bereiche, da sind wir sehr, sehr weit. Ich würde sagen, 80 Prozent vom Ziel erreicht – zum Beispiel unsere Einrichtung Integrierte heilpädagogische Tageserziehung, hier wird integrierte Willkommenskultur für Kinder im Grundschulalter, die einen Hort besuchen, wirklich jeden Tag gelebt. Das machen wir schon seit 35 Jahren. Wir bewahren Kinder vor sozialer Ausgrenzung, indem wir mit ihnen zusammenarbeiten, wir geben ihnen einen Platz. Wenn man dort eine Theater-AG an einer Ganztagsschule besucht und hinter die Kulissen einer Musicalprobe schaut, dann sieht man es: Man sieht eben nichts! Keinen Unterschied. Da gibt es keine soziale Schere – die Kinder sind alle gemeinsam. Leider es gibt auch Bereiche, da sind wir nicht so weit.

Zum Beispiel?

Beispielsweise bei der Betreuung von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen. Bei der Aufgabe der Inklusion dieser jungen Menschen stehen wir noch ganz am Anfang.

Wann hat die Hans-Wendt-Stiftung in der Flüchtlingshilfe angefangen?

2011. Das war keine einfache Entscheidung. Nicht, weil wir für die Menschen nicht da sein wollten, sondern weil das eigentlich ein Rückschritt war: Wir haben Einrichtungen gegründet, die nur für Flüchtlinge da sind. Also gegen unsere Überzeugung! Das ist eine klare Separierung gewesen. Aber wir haben die Not gesehen und waren der zweite Träger, der sich bereit erklärt hat, mit minderjährigen Flüchtlingen zu arbeiten.

Wie sieht die Zukunft der Stiftung aus?

Wir arbeiten an der Schnittstelle zwischen Gesundheit und Jugendhilfe. Wir haben früh Begegnungsstätten für Menschen mit und ohne Behinderung geschaffen. Auch hier auf dem Gelände Am Lehesterdeich. Wir haben sozial-therapeutische Wohneinrichtungen gegründet, auf Anregung des Klinikums Ost, also aus dem gesundheitlichen Bereich. Und auch in der Frühförderung haben wir schon sehr früh interdisziplinär und heilpädagogisch gearbeitet. Dort sehe ich auch in Zukunft sehr viele Aufgaben. An der Schnittstelle zwischen Gesundheit und Jugendhilfe.

Ihre Zukunft wird allerdings nicht bei der Hans-Wendt-Stiftung sein.

Das stimmt. Ich übergebe meine Aufgaben ab dem 1. Oktober an meinen Nachfolger. Ich wechsele zur Stiftung Maribondo da Floresta. Dort wohnt und arbeitet eine bunte Schar leistungs- und wahrnehmungsbeeinträchtigter Menschen im Alter zwischen 18 und 65 Jahren. Auch ein spannendes Feld.

Die Fragen stellte Petra Scheller.

Zur Person

Zur Person

Andreas Schnabel (52)

ist seit elf Jahren Vorstand der Bremer Hans-Wendt-Stiftung mit Sitz in Borgfeld. Schnabel ist gelernter Bankkaufmann, Erziehungswissenschaftler, Finanzbetriebswirt sowie Diakon.

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