Nun also doch. Nach tagelangem Zögern oder besser Gesundbeten sind Niedersachsen und sein Ministerpräsident Stephan Weil in der harten Corona-Realität angekommen. Das Land will jetzt auch seine Schutzmaßnahmen über die Feiertage verschärfen.
Bislang hatte sich die SPD/CDU-Regierung immer auf die im Bundesvergleich relativ niedrigen Infektionswerte berufen. Aber diese Ansteckungszahlen sind trügerisch. Ein, zwei Massenausbrüche in Schlachthöfen oder Seniorenheimen können sie steil in die Höhe schießen lassen. Weils Abschied vom Prinzip Hoffnung ist also überfällig.
Ob die angekündigten Beschränkungen allerdings ausreichen, muss bezweifelt werden. Von einem echten Lockdown sind Niedersachsen und die anderen Bundesländer mit ähnlichen Plänen jedenfalls weit entfernt. Warum richtet sich der Fokus nur auf Weihnachten und den Jahreswechsel? Warum schiebt man angesichts der mächtigen zweiten Welle nicht sofort einen harten Riegel notfalls auch mit Schulschließungen und Ausgangssperren vor? Warum traut sich bislang kein Länderfürst an ein striktes Böllerverbot für Silvester ran? Damit ließen sich nicht nur gefährliche Gruppenbildungen in den Straßen vermeiden. Sondern auch Brandwunden oder noch schlimmere Verletzungen verhindern – was für die überlasteten Krankenhäuser sicher ein Segen wäre.
Wirkungsvolle Entscheidungen
Für solch wirkungsvolle Entscheidungen fehlt der Politik leider der Mut. Stattdessen murkst sie bei den zwischenmenschlichen Kontakten rum. Dass Familie mehr als enge Freunde zählen soll, ist Menschen, die keine nahen Angehörigen (mehr) haben, kaum zu vermitteln.
Eines steht zumindest fest: Mit seinem Schwenk setzt Niedersachsen Bremen gehörig unter Druck. Dem Stadtstaat bleibt nichts anderes übrig, als dem Beispiel des Nachbarn zu folgen. Zum einen wären unterschiedliche Besuchsregeln und Alkoholverbote zwischen Arsten und Achim oder Blumenthal und Berne keinem Bürger mehr zu vermitteln. Zum anderen könnte ein kleiner Corona-Grenzverkehr drohen – Motto: Dann treffen wir uns eben in Bremen.