Burgdamm. „Die Anzeige klang attraktiv“, sagt Annika Kelm. Seit Anfang November ist sie die neue Leiterin des Hauswirtschaftsmuseums Köksch un Qualm. Sie ist „begeistert“, von der Vielzahl der Aufgaben, vom Team, das hier arbeitet, von der Einrichtung an sich, der thematischen Ausrichtung. „Ich komme gern zur Arbeit“, fasst die 31-Jährige zusammen. Es kommt ihr auch sehr gelegen, dass sie einen unbefristeten Arbeitsvertrag unterschrieben hat. Nach Ende des Studiums vor zwei Jahren gab es so etwas für sie noch nicht.
Es gibt aber eine Unwägbarkeit. Ihr Arbeitsplatz ist an die Existenz des Museums gekoppelt, das als Maßnahme des Beschäftigungsträgers „Bras – Arbeiten für Bremen“ mit Langzeitarbeitslosen betrieben wird. Das Jobcenter finanziert die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen mit unterschiedlichen Förderprogrammen. Sie führen durchs Museum, betreuen Veranstaltungen, sitzen an der Kasse oder verköstigen die Besucher.
Ziel soll sein, die Frauen und Männer für den Arbeitsmarkt fit zu machen. Sollte das Museum geschlossen werden, weil die Maßnahmen nicht mehr gefördert werden, dann wird auch der Job einer Leiterin überflüssig. Diese Unsicherheit spielte unter anderem auch eine Rolle, weshalb die bisherige Leiterin des Köksch un Qualm, Ninja Kaupa, das Angebot einer festen Stelle in der Stadt zum Oktober angenommen hatte und der Beschäftigungsträger die Nachfolge regeln musste. Daran denkt die gebürtige Bremerin Annika Kelm, die in Findorff lebt, jetzt aber nicht. Das sei wie in anderen Branchen eben Berufsrisiko, meint sie und blickt lieber nach vorn.
Laut Bras-Betriebsleiterin Silvia Claus gab es eine ganze Reihe von Bewerbungen. Bei Annika Kelm ist sie sich aber „total sicher“, die Richtige für die komplexen Aufgaben gefunden zu haben. „Das Köksch un Qualm braucht einen Generalisten auf der Stelle.“ Sie zählt einige Anforderungen auf: kultureller Hintergrund, gutes Gespür für Menschen, Führungsqualitäten, Ideen, wohin sich das Köksch un Qualm entwickeln kann. Lachend meint sie zum Schluss: „Und muss Verwaltungsarbeit lieben.“
Dass mit dem Lieben ist ein Scherz, Verwaltungsarbeit gehört aber durchaus zum Aufgabengebiet, zum Beispiel die Budget-Planung. „In den BWL-Teil muss ich mich noch einarbeiten. Das habe ich noch nicht gemacht“, gesteht die neue Leiterin, scheut sich aber nicht davor. „Ich nehme Herausforderungen gern an“, sagt sie. Außerdem weiß sie, dass sie Unterstützung bei der Einarbeitung bekommen wird.
An der Stellenausschreibung hat sie persönlich gereizt, dass im Köksch un Qualm auch Theaterpädagogik stattfindet und viel Raum für kreatives Arbeiten vorhanden ist. Die Mitarbeiter werden geschult, in unterschiedlichen Rollen, als Waschfrau oder Hausdiener oder vornehme Herrschaften, durch die historische Kulisse einer Wohnung im 19. Jahrhundert zu führen. In Burgdamm sind es Küche und Salon eines Tabakfabrikanten.
Auch dies reizt die neue Leiterin: das Thema. Diese andere Zeit, die sie nicht kennt, die Zeit der Generation Urgroßeltern. „Das ist für mich total neu“, sagt sie, obwohl sie während ihres Studiums Amerikanistik, Anglistik und Psychologie (Bachelor in Jena) und als Master of british and american cultures texts and media (Studium in Hamburg) durchaus über das Viktorianische Zeitalter gelesen hat. Zu den Hintergründen in Deutschland liest sie sich gerade ein und lässt sich wie die Besucher bei den Führungen durchs Haus über das damalige Leben informieren.
Weil Annika Kelm „für die englische Sprache brennt“, hatte sie sich für die genannten Studiengänge entschieden. Danach, ab 2016, arbeitete sie für Behörden und Ämter sowie das Bundesministerium für Migration als Dolmetscherin, unterrichtete für einen Weiterbildungsträger Erwachsene in Englisch, machte in Hamburg bei einem Kinderhörbuchverlag ein Volontariat als Lektorin und war als Englischlehrerin in einer Bremer Stadtteil- und einer privaten Schule tätig.
Laut Annika Kelm waren dies immer befristete Stellen. Da sie nur montags bis donnerstags im Köksch und Qualm tätig ist, dolmetscht sie weiterhin freiberuflich bei Gerichtsterminen. „Das sind aber nur Einzeltermine“, sagt sie und freut sich nun darüber, „ein festes Projekt“ zu haben.
Sie betrachtet das Köksch un Qualm „als eine Art Baby, das ich weiterentwickeln kann“. Der Handlungsspielraum gefällt ihr dabei sehr. Sie ist auch „beeindruckt von der Motivation des Teams“. Da sie gern singt und Gitarre spielt, studiert sie mit einigen schon ein Programm für einen Adventsnachmittag ein. Auch grundsätzlich kann Annika Kelm sich gut vorstellen, die englische Sprache und die Musik in irgendeiner Weise ins Programm für das Museum oder die Führungen einzubauen. „Ich bin jetzt aber erst noch dabei, meinen Platz zu finden“, sagt sie und möchte Schritt für Schritt weitermachen.
Für das Köksch un Qualm ist die Nachfolge nun geregelt. Die Position des Quartierkoordinators in Marßel konnte aber noch nicht besetzt werden. Beide Aufgaben hatte Annika Kelms Vorgängerin ausgeübt.
Weitere Informationen
Das Mitmachmuseum Köksch un Qualm, Stader Landstraße 46, ist jeden Donnerstag von 14 bis 18 Uhr geöffnet und jederzeit nach Vereinbarung. Erreichbar ist das Haus unter der
Telefonnummer 04 21/63 69 58 66 und per Mail an zigarrenfabrik@bras-bremen.de. Die Internet-Adresse lautet www.koeksch-un-qualm.de.