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Weg ans Wasser Naturschutzgebiet „Hammeniederung“: Im Jagdrevier des Seeadlers

Sie ist Heimat von Wasserbüffeln, Graugänsen, des Seeadlers und vieler Vögel und Lebewesen mehr: die Hammeniederung. Das Breite Wasser ist die Keimzelle und das Herzstück des heutigen Naturschutzgebietes.
23.08.2020, 22:31 Uhr
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Naturschutzgebiet „Hammeniederung“: Im Jagdrevier des Seeadlers
Von Brigitte Lange

Erst sind nur ihre Rufe zu hören. Dann tauchen die Graugänse hinter einem Dickicht auf, um stetig steigend einen Bogen über dem „Breiten Wasser“ zu fliegen. „Die Büsche verbergen eine Bucht“, erklärt Tasso Schikore. Dort ruhten die Gänse, sagt der Biologe von der Biologischen Station Osterholz. Von einer Brücke schaut er den Vögeln hinterher. Das Bauwerk ist Teil eines Fuß- und Radwegs, der den westlichen und nördlichen Rand des Teufelsmoores mit Worpswede verbindet. An vielen Stellen führt er ans Wasser.

Am Ende des Ahrensfelderdamms waren wir zu unserer Radtour gestartet. Immer entlang des von Seerosen gekrönten Kirchdammgrabens ging‘s mit Stopp an einer Hütte mit Aussicht auf Wasserbüffel bis zum tiefsten Punkt der Niederung. Dem Ort, wo sich das Breite Wasser gebildet hat. Zusammen mit der Beek, einem im Hochmoor entspringenden Fluss, und dem aus mehreren Gräben geschaffenen „Schmalen Wasser“ ist es das Herzstück des Naturschutzgebietes „Hammeniederung“. „Mit dem Breiten Wasser hat die Geschichte des Naturschutzgebietes begonnen“, sagt Schikore. Heute erstreckt es sich über eine Fläche von rund 2850 Hektar zwischen Osterholz-Scharmbeck, Worpswede und Ritterhude, umfasst sowohl Flora-Fauna-Habitat- als auch Vogelschutz-Gebiete und wurde der EU als Natura-2000-Gebiet gemeldet.

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Während Schikore berichtet, stoßen weitere Gänse zum Schwarm. Im Sommer, als er den Brutvogel-Bestand dieses Vogelschutzgebietes erfasste, habe er die Vögel in der Bucht zunächst nicht bemerkt: „Ein Seeadler hat mir geholfen.“ Dessen Auftauchen habe die Gänse aufgeschreckt. Der Adler brüte im St.-Jürgensland, jage aber in der Hammeniederung. „Gut 200 Gänse habe ich gezählt; im Winter sind es bis zu 8000 in mehreren Arten.“ An diesem Tag ist es nicht der Seeadler, der unweit der Gänse jagt. „Sehen Sie den tief gegabelten Schwanz? Das ist ein Rotmilan“, sagt der Biologe. Der Greifvogel gehört zu den bedrohten Arten.

Überschwemmungen gehören zur Landschaft

Häufig stirbt er durch Windkraftanlagen. In der Hammeniederung gibt es sie nicht. „Wasser war hier immer ein prägender Faktor; Überschwemmungen gehören zu dieser Landschaft“, so Tasso Schikore. „Und auf überschwemmten Grund lässt sich schlecht bauen.“ In nassen Wintern werde in der Hammeniederung eine Fläche überschwemmt, die größer ist als Steinhuder Meer und Dümmer-See zusammen. Vielen Arten bietet die Niederung ideale Lebensbedingungen. Etwa der Sumpfschrecke, eine Heuschreckenart. Sie ist auf feuchte Wiesen angewiesen. Nur wo es nass ist, schlüpfen ihre Larven. „Hören Sie das?“, fragt er: Ein schwaches Klicken, wie von einem geladenen Elektrozaun, verrät ihre Anwesenheit.

Bereits ab Mitte der 1950er-Jahre setzten sich Naturschützer für den Erhalt dieses Lebensraumes ein. „Von etwa 1956 bis Ende der 1980er-Jahre lag ein Beobachtungsschiff als Außenstation der Vogelwarte Helgoland in der Unteren Beek“, erzählt Schikore. Wissenschaftlich sei das Projekt von Gert Lange, Biologielehrer in Bremen, geleitet worden. Der Naturschützer Paul Richter habe die Mitglieder der örtlichen Gruppe des Bundes für Vogelschutz angeleitet. Gemeinsam hätten sie Vögel beobachtet, gezählt, beringt. Schikore: „Erste Datengrundlagen zur Naturausstattung der Hammeniederung wurden dabei gesammelt und archiviert.“ 1963 wurde dann das Breite Wasser unter Schutz gestellt.

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Über Schotter-, Sand- und asphaltierte Wege geht es für uns weiter durch die Niederung gen Neu Helgoland. Viele der Verbindungen wurden erst als Teil des Naturschutzprojektes geschaffen, um die Landschaft erlebbar zu machen, berichtet der Biologe. Wer dabei nur schnell von A nach B kommen will, verpasst das Schönste. Etwa den Feldhasen, der nach mehrmaligem Hakenschlagen mitten auf dem Weg zum Stehen kommt. Den Mäusebussard, der mit der Thermik aufsteigt. Die seltenen Grünen Mosaikjungfern, die nach Libellenart über den Gräben schwirren.

Auch Schlittschuhlaufen ist möglich

Kurz vor Neu Helgoland endet die Einsamkeit. Gassi-Gänger kommen uns entgegen. Badestellen entlang des Flusses sind belegt. Kinder stürzen sich am Strand ins moorige Wasser, während jenseits der Brücke Kanuten festmachen – vielleicht für eine kleine Stärkung im Gasthof. Auch Ruderer gehen ihrem Sport nach. Motorboote dümpeln am Ufer. Zudem verschaffen sich Ausflügler aus Nah und Fern vom Aussichtsturm gern einen ersten Überblick, erahnen, wo Beek und Hamme sich küssen. Als 1995 die Unterschutzstellung angeschoben wurde, fürchteten viele, dass ihnen ihre Hamme genommen würde. Manches wurde untersagt. Vieles ist aber bis heute möglich. „Auch Schlittschuhlaufen in kalten Wintern“, so Schikore.

Endspurt für uns: Von Neu Helgoland geht‘s weiter nach Melchers Hütte. Das Naturschutzgebiet müssen wir dafür verlassen und ein Stück parallel zur Waakhauser Straße fahren. Entlang der Semkenfahrt geht es zurück in die Niederung, zur Brücke mit dem Knick und Melchers Hütte. Ein letzter Blick auf den Fluss und der Ausgangspunkt ist erreicht.

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