Die Kommission der Europäischen Union strebt ein komplettes Verbot von Mikroplastik als Füllstoff für Kunstrasenplätze an. Das ist eine Ankündigung, die auch in Bremen-Nord Sportflächen betrifft. Sie sind von der Schließung bedroht, wenn sie mit einem entsprechenden Granulat ausgestattet wurden. Im schlimmsten Fall, sagt Holger Franz, könnten rund 50 Fußball-Mannschaften betroffen sein. Der Vizepräsident des Bremer Fußball-Verbandes (BFV) und Pressesprecher der SG Aumund-Vegesack erhält in diesen Tagen oft besorgte Anrufe von Vereinsvorständen und Aktiven.
Als Mikroplastik werden feste und unlösliche Kunststoffe bezeichnet, die kleiner als fünf Millimeter sind. Sie können leicht in Gräben und Flüsse, schließlich auch ins Meer und somit zum Beispiel über Fische in die Nahrungskette gelangen. Die Europäische Chemikalienagentur (ECHA) ist deshalb von der EU-Kommission in Brüssel beauftragt worden, Maßnahmen gegen den Einsatz von Mikroplastik zu entwickeln. Sie sollen ab Ende 2021 greifen. In etwa drei Jahren müssen also Sportvereine damit rechnen, dass ihre Kunstrasenplätze gesperrt werden.
Das hat unter Vereinsfunktionären für Aufregung gesorgt. Auch in der Bremer Politik ist das Thema angekommen. So hat die Senatorin für Soziales, Jugend, Frauen, Integration und Sport, Anja Stahmann (Grüne) in ihrer Funktion als Vorsitzende der Sportministerkonferenz in einem Schreiben an ihre Länderkollegen zwar grundsätzlich das Bestreben begrüßt, die Belastung der Umwelt mit biologisch kaum abbaubaren Mikroplastik drastisch zu vermindern. Das geplante kurzfristige Verbot von Granulaten auf Kunstrasenflächen lasse sich allerdings ohne massive Folgen für den Sport nur bei Neuanlagen realisieren, warnt Stahmann.
Derweil hat die CDU-Fraktion in der Bremischen Bürgerschaft eine Anfrage an den Senat gerichtet. Die Christdemokraten wollen wissen, wie viele vereinseigene und öffentliche Kunstrasenplätze im kleinsten Bundesland von den Brüsseler Plänen betroffen sind. Zudem fragt die CDU nach den Kosten und der Dauer für einen eventuellen Umbau der Spielstätten.
19 Kunstrasenplätze in Bremen
In Bremen gibt es zurzeit 19 Kunstrasenplätze, die nach den Worten von Holger Franz unverzichtbar sind, um Punkt- und Pokalspiele sowie das Fußballtraining ohne terminliche Einschränkungen durchführen zu können. Im Norden befinden sich die Fußballfelder mit den Grashalmen aus Polyethylen im Blumenthaler Burgwallstadion, in Aumund (Im Kifkenbruch), im Vegesacker Stadion, im Lesumer Ihletal sowie in Burg beim Sportparksee. Zudem verfügt auch der SV Lemwerder, der zum Fußballkreis Bremen-Nord gehört, über einen Kunstrasenplatz.
Dort sowie in Blumenthal und in Burg sind die Anlagen erst vor wenigen Jahren modernisiert worden. Und statt mit dem umweltschädlichen Mikroplastik wurden sie mit Quarzsand aufgefüllt. Die Füllung, ob Sand oder Plastikgranulat, ist grundsätzlich notwendig, um den Halmen Halt zu geben, den Ball rollen zu lassen und die Spieler vor Verletzungen zu schützen. Allerdings könnten die vor 2011 erbauten Kunstrasenplätze nicht einfach von Mikroplastik gereinigt und die Halme anschließend mit Sand stabilisiert werden, sagt Bernd Schneider, Pressesprecher des Ressorts. Das lasse die Struktur dieser Rasenflächen aus Kunststoffgräsern nicht zu. Gut die Hälfte der 19 Kunstrasenplätze in Bremen muss erneuert werden, damit sie nicht weiterhin die Umwelt belasten. Dazu gehören auch die Fußballfelder in Aumund, Vegesack und Lesum. Bis Ende 2022 lasse sich das allerdings schlicht nicht realisieren, unterstreicht Schneider und verweist auf die Kosten.
Die Sportsenatorin setzt deshalb auf eine Übergangsfrist von sechs Jahren. Sollte sich die EU-Kommission damit einverstanden erklären, müssten die Kunstrasenplätze der älteren Generation im Ihletal (TSV Lesum-Burgdamm), im Kifkenbruch (Eintracht Aumund) und beim Vegesacker Bahnhof (SG Aumund-Vegesack) bis 2028 saniert werden und ohne umweltschädigendes Granulat auskommen. Lüder Kleppe, Präsident des TSV Lesum-Burgdamm, bezeichnet dieses Übergangsfrist als lebenswichtig für den Großverein. Kleppe: „Kommt sie nicht, können wir unsere Fußballabteilung auflösen, denn sämtliche Spiele und Trainingseinheiten auf dem Rasenplatz Heidberg zu absolvieren, ist schlicht unmöglich.“ Der Lesumer Vereinschef will aber nicht in Panik verfallen und setzt ebenso wie die Bremer Sportsenatorin auf eine Verständigung mit Brüssel.
Fristverlängerung unumgänglich
Anja Stahmann hält eine Fristverlängerung nicht nur aus Kostengründen für unumgänglich. Auch die Produktionskapazitäten der Unternehmen, die Kunstrasen für Sportstätten herstellen, ließen eine Sanierung von rund 5000 Fußballfeldern in ganz Deutschland bis Ende 2021 gar nicht zu. Im Namen der Sportministerinnen und Sportminister der 16 deutschen Bundesländern hat die Bremer Senatorin die Europäische Chemikalienagentur darum aufgefordert, eine Übergangsfrist vorzunehmen, wie sie unter anderem vom deutschen Olympischen Sportbund (DOSB), vom Deutschen Fußball-Bund (DFB) und dem Deutschen Städte- und Gemeindebund verlangt wird.
Demnächst soll sich laut Schneider die Sportdeputation mit dem Problem befassen. Dabei dürfte die Finanzierung der zu sanierenden Plätze im Mittelpunkt stehen. Als Orientierung könnte ihnen die Modernisierung des Kunstrasenplatzes im Burgwallstadion vor zwei Jahren dienen. Sie kostete rund 170 00 Euro. Müssten im kleinsten Bundesland also zehn Plätze erneuert werden, beliefe sich die Gesamtsumme wohl auf etwa zwei Millionen Euro.