Im langwierigen Verdener Landgerichtsprozess um den Tod einer 19-Jährigen in Nienburg ist die Vertreterin der Staatsanwaltschaft zwar vom ursprünglichen Vorwurf des Mordes abgerückt. Sie hat allerdings am Montag für alle drei Angeklagten lebenslange Freiheitsstrafen gefordert: wegen versuchten Mordes durch Unterlassen, Menschenhandels und Freiheitsberaubung. Es habe sich letztlich nicht hinreichend klären lassen, auf welche Weise die junge Frau ums Leben gekommen sei. Wie auch immer, sei das Verhalten der Angeklagten als „hochgradig menschenverachtend“ zu bezeichnen.
Zweifel an "Tod durch Ertrinken" blieben trotz rechtsmedizinischem Gutachten
Für den grausamen Tod der psychisch kranken Frau aus dem Kreis Helmstedt sollen ein 41-Jähriger, dessen frühere Ehefrau und zur Tatzeit wieder Partnerin (40) sowie ein Freund des Mannes (54) verantwortlich sein. Die mit Stromkabeln an eine Betonplatte gefesselte, unbekleidete Leiche der 19-Jährigen war am 28. April vergangenen Jahres aus dem Schleusenkanal der Weser in Balge (Kreis Nienburg) geborgen worden.
Ob die zweifache Mutter noch lebte, als sie knapp drei Wochen zuvor über ein Brückengeländer in den Fluss geworfen wurde, habe sich nicht mit der erforderlichen Sicherheit feststellen lassen, hieß es im dreieinhalbstündigen Schlussvortrag der Staatsanwältin.
Die Frau könnte auch in den Tagen zuvor in der Garage auf dem Grundstück des 41-Jährigen in Nienburg getötet worden beziehungsweise verstorben sein. Der „Gesamtbefund“ spricht laut rechtsmedizinischem Gutachten für einen „Tod durch Ertrinken“, aber Zweifel blieben. Dies hatte auch die Schwurgerichtskammer im Verlaufe der im Februar begonnenen Hauptverhandlung mehrmals betont. Es sei naheliegend, dass die Frau „lebendig versenkt“ wurde, so die Staatsanwältin. Sie könnte sich aber auch in einem Zustand befunden haben, der die Angeklagten denken ließ, sie sei bereits tot. So sei ihnen „kein vollendetes Tötungsdelikt nachzuweisen“.
Heimtücke und Verdeckung anderer Straftaten als Mordmerkmale angeführt
„Denkbar“ sei ein Tötungsdelikt in der Garage oder dass die „schwerstkranke“ Frau dort „hilflos zurückgelassen“ wurde und verstorben sei. Auf jeden Fall sollte das Opfer „entsorgt“ werden. Als Mordmerkmale wurden Heimtücke und die Verdeckung anderer Straftaten angeführt. Die Männer sollen die 19-Jährige, die sich zuvor schon „freiwillig prostituiert“ haben soll, ihrem vorherigen Zuhälter „abgekauft“ haben – für 2000 Euro und den Erlass von Drogenschulden. Vor der Geschäftsabwicklung sollen die Männer sie zwecks „Probezeit“ in einem Hotel untergebracht haben.
Wie sehr die psychische Erkrankung der Frau schon vorangeschritten war, zeigten Videoaufnahmen, die der 41-Jährige im Hotelzimmer angefertigt hatte. Dennoch seien die Angeklagten zunächst entschlossen gewesen, die Frau an Freier „zu vermarkten“. Sie sei „nur eine Ware“ gewesen und habe sich dann als „Fehlkauf“ erwiesen. In die weiteren Geschehnisse in Haus und Garage sei die Lebensgefährtin des jüngeren Mannes von Beginn an „eingebunden“ gewesen. Hinweise auf weitere Personen, die mit dem Tod der 19-Jährigen zu tun haben könnten, lägen nicht vor.
Die Verteidiger der drei Angeklagten schätzten die Beweislage anders ein. Für den 41-Jährigen wurden maximal fünf Jahre Haft wegen Menschenhandels und gefährlicher Körperverletzung durch Unterlassen beantragt. Der 54-Jährige habe dazu lediglich Beihilfe geleistet, so dessen Anwalt. Ein konkretes Strafmaß wurde nicht genannt. Die Verteidigerin der 40-Jährigen sprach sich für zwei Jahre auf Bewährung wegen gemeinsam begangener gefährlicher Körperverletzung durch Unterlassen aus. Das Urteil soll am kommenden Donnerstag verkündet werden.