Schönebecker Straße – drei Birken, alle absterbend. Rönnebecker Uferweg – vier Ahorne, drei Linden, zwei Eschen, sturmgeschädigt. Aumunder Friedhof – zwei Lärchen, eine Eiche, eine Kiefer, auch absterbend und sturmgeschädigt. Der Umweltbetrieb listet im Internet genau auf, wo welche Bäume warum gefällt werden. Unterm Strich kommt Kerstin Doty auf 220 Bäume, die während der Fällsaison von Anfang Oktober bis Ende Februar wegmussten. Für die Sprecherin des städtischen Unternehmens ist das kein ungewöhnlicher Schnitt. Auch wenn das vergangene Jahr alles andere als gewöhnlich war.
Doty kann sich an etliche Sommer mit wenig Regen erinnern. Aber kaum an so viele Monate, in denen es so trocken war wie im Vorjahr. So trocken, dass der Umweltbetrieb irgendwann mit der Pflege der 13 000 Straßen- und 80 000 Parkbäume im Bremer Norden nicht mehr nachkam – und Stadtwerke sowie Feuerwehr helfen mussten, sie zu wässern. „Der Einsatz aller Beteiligten“, sagt die Sprecherin, „war enorm.“ Zugesetzt hat die Trockenperiode den Bäumen trotzdem. Nicht nur den jungen, denen ein dichtes Wurzelwerk fehlt, sondern auch den alten. Kein Regen, weniger Widerstandskraft. Und weniger Widerstandskraft, meint Doty, mehr Krankheiten.
Vor zwei Jahren waren es Sturmtiefs wie „Xavier“ und „Sebastian“, die den Bäumen schwer zu schaffen machten und die Fällliste des Umweltbetriebs länger und länger werden ließ – damals war das Unternehmen auf 319 Bäume in fünf Monaten gekommen. Jetzt sind es Schwefelporling, Austernseitling und Hallimasch, die den Eichen, Birken und Eschen schwer zusetzen. Die Pilze, die das Holz so brüchig machen, dass Stämme auseinanderbrechen können, sind zwar nicht neu. Laut Doty können sie sich aber besser und damit schneller ausbreiten, wenn ein Baum durch eine Trockenperiode geschwächt ist, vor allem wenn sie so extrem ausfällt wie im vergangenen Jahr.
Wie viele Bäume wegen Pilzbefalls von Oktober bis Februar gefällt wurden, kann Doty ad hoc nicht sagen. Aber die Wörter „Krankheit“ und „Sicherheitsrisiko“ tauchen oft in der Fällstatistik des Umweltbetriebs auf. Anders als das Wort „Klimawandel“, das die Unternehmenssprecherin immer wieder benutzt. Mal als Ursache für die Trockenperioden, die ihr zufolge seit Jahren zunehmen. Mal als Begründung dafür, dass das städtische Unternehmen mittlerweile mehr Bäume nachpflanzt, die mit weniger Wasser zurechtkommen und damit resistenter gegen Pilze sind. Zum Beispiel den Dreispitz-Ahorn, die Manna-Esche, die Zerreiche, die Lobel-Ulme.
Doty sagt, dass an der Lindenstraße immer Linden stehen werden und an der Kastanienallee immer Kastanien. Sie sagt aber auch, dass Bremen genauso wie andere Städte auf Arten setzen muss, die dem Klimawandel trotzen. Die besser mit Trockenperioden klarkommen und mit Krankheiten, die durch Trockenperioden gefördert werden. Straßenbäume werden laut Doty eins zu eins ersetzt, jedoch eben nicht immer eins zu eins mit derselben Baumart. Ihr zufolge ist das bei Parkbäumen ähnlich – mit dem Unterschied, dass in einem Park mitunter auch Bäume gefällt werden, die gesund sind, damit andere besser wachsen können. Als Fällgrund wird dann „Konkurrenz“ angegeben.
Kein Baum wird einfach so gefällt. Sondern nur, wie Doty sagt, wenn es nicht anders geht. Wenn die Diagnose zweifelsfrei ist. Gibt es Zweifel, entscheidet nicht der Umweltbetrieb, sondern ein externer Gutachter. In jeder Saison kommt das mehrfach vor. Genauso wie das Fällen von Bäumen, die eigentlich stehen bleiben sollten. Nicht etwa, weil der Umweltbetrieb falsch gefällt hat, sondern ein Grundstückseigentümer, der es nach eigenem Bekunden nicht besser wusste. Oder das Team eines Gartenbaubetriebs, das ein Gelände für ein Bauprojekt eines Investors vorbereiten sollte. Mal wurden eine Handvoll oder Dutzende Bäume gefällt, mal so viele, dass die Behörde von einem Wald spricht.
Illegales Roden – laut Jens Tittmann, Sprecher von Umweltsenator Joachim Lohse (Grüne), kam das im Vorjahr mehrmals vor: an der Friedensheimer Straße, an der Jollenstraße, am Striekenkamp, an der Straße Unterm Berg. Alles in allem hat die Behörde eine Fläche von knapp 20 000 Quadratmeter Wald ermittelt, die weg ist. Dass manche meinen, keinen Forst gerodet, sondern eine Buschlandschaft gelichtet zu haben, erlebt Tittmann immer wieder. Er verweist auf das Bremer Waldgesetz. Und nach dem besteht ein Wald nicht bloß aus lauter Bäumen, sondern auch aus Sträuchern. Sie müssen gar nicht mal meterhoch sein, 50 Zentimeter reichen schon.
Der Behörde ist es egal, warum Büsche und Bäume entfernt wurden. Und weshalb jemand angenommen hat, sie beseitigen zu dürfen. Sie will, dass gerodetes Grün ersetzt wird. Und dass der, der illegal gefällt hat, für den Ersatz aufkommt. Manchmal geht es um vierstellige Summen, manchmal aber auch um sechsstellige, die für Nachpflanzungen gefordert werden. Mehrere Grundstücke hält die Behörde dafür bereit. Etwa im Werderland, in der Rekumer Geest, aber auch im Hollerland, im Blockland, in Borgfeld. Dass es diverse Ausgleichsflächen gibt, kommt nicht von ungefähr: Nicht immer kann dort Grün ersetzt werden, wo Grün weggefallen ist.
Aber immer öfter wird darauf gepocht. Zuletzt nach dem Vorfall mit der Deutschen Bahn. Die ließ Anfang des Vorjahres an den Gleisen zwischen Burglesum und Vegesack zwar nicht illegal roden, jedoch auch nicht so, wie es mit der Umweltbehörde abgesprochen war. Der Konzern nannte das Fällen von Bäumen an den Böschungen einen Pflegerückschnitt, das Ressort eine Totaloperation. Der Staatsrat beschwerte sich beim Unternehmen. Ersatz für die gefällten Ahorne, Eschen und Eichen soll die Bahn jetzt nicht nur im Bürgerpark in der Innenstadt schaffen, sondern auch im Norden – in Knoops Park.