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Nachwuchs für den Bremer Bürgerpark Bäumchen wechselt sich

Mehr als 150 Jahre nach der Gründung des Bürgerparks haben die meisten Bäume ihr Lebensende erreicht. Nachpflanzungen, zumeist Spenderbäume, verjüngen den Baumbestand mehr und mehr.
03.03.2019, 20:17 Uhr
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Bäumchen wechselt sich
Von Justus Randt

Ein Kerl von einem Baum, diese Stieleiche: Stämmig, mit gut und gerne zweieinhalb Metern Umfang, imposant ausladend, eine raumgreifende Erscheinung. 35 Meter misst der Baum von der Naturwiese bis zur kahlen Krone. Die ist natürlich der Jahreszeit geschuldet, die, bis Ende Februar, zugleich Saison für Fällarbeiten ist. So kommt es, dass sich die Reihen um den seit rund 150 Jahren im Bürgerpark verwurzelten Veteranen lichten.

Nach der Gründung 1866 hätten die meisten Bäume der Urbepflanzung ihr Lebensende erreicht, sagt Parkdirektor Tim Großmann. Noch 30, 40 Jahre, schätzt er, dann werde sich der 1866 gegründete Park erneuert haben. Im übrigen Stadtgebiet leben die meisten Bäume nicht so lange: Die laut Umweltbetrieb Bremen aktuell 71 168 Straßenbäume sind mehr Stressfaktoren ausgesetzt.

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Größere Trockenheit, höhere Wärmestrahlung und nicht zuletzt grobe Rempler wie „Anfahrschäden“ nennt Ralf Möller als Ursachen. „Auch wenn ein Baum abgestorben ist, bedeutet das noch nicht, dass er auch gleich verkehrsunsicher ist“, sagt der Referatsleiter beim Umweltbetrieb. „Bei einer Vielzahl der Bäume, die wir fällen, geht es nicht um die Verkehrssicherung.“ Sie müssen weichen, weil gebaut wird oder sie so dicht an Baustellen stehen, dass sie im Weg sind. „Dort kann nicht nachgepflanzt werden – der Standort ist nicht mehr da.“

Im Bürgerpark und seinem „kleinen ruhigen Bruder, dem Stadtwald“, wie Tim Großmann sagt, sieht die Situation natürlich ganz anders aus: Hier, im Reservat, mache eher der hohe Grundwasserspiegel manchen Bäumen zu schaffen. Vor allem aber, weil der Park und seit Dezember auch der jüngere Stadtwald als „schöpferisches Gesamtkunstwerk“ unter Denkmalschutz stünden.

Zwischen Beobachtung und Anpassung

Insgesamt sind die durch die Gleise der Eisenbahnlinie Bremen-Hamburg getrennten Areale etwas mehr als 200 Hektar groß. Zwischen 10 000 und 15 000 Bäume stünden dort. „Wir sind aktuell dabei, das Kataster zu erneuern”, sagt der Parkdirektor. „Wir müssen das Bild des Gartens weitgehend erhalten, das ist eine Vorga­be aus dem Denkmalschutz. Aber wir beobachten, wie sich die Arten verhalten, und reagieren auf wissenschaftliche Erkenntnisse.“

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Und so werden im Bürgerpark keine Rosskastanien mehr gepflanzt, weil Bakterien den Bäumen so sehr zusetzen, dass „Neuanpflanzungen nach fünf bis zehn Jahren wieder tot wären“, erklärt Großmann. Auch Ralf Möller vom Umweltbetrieb stellt massive Schwierigkeiten mit den prächtigen Bäumen fest: Seien sie einmal befallen, leide ihre Bruchsicherheit enorm. „Die Fachwelt geht davon aus, dass wir uns von der Art möglicherweise verabschieden können.“ Im Straßenraum auf jeden Fall.

Das Baum-Casting

„Sofern es das Bild nicht stört, testen wir neue Arten. Wir haben eine kleine Eichensammlung von etwa 30 Arten”, sagt Tim Großmann über das lebende Kulturdenkmal. “So können wir hier und da mal was Neues dazwischen stellen, zusätzlich zur heimischen Stieleiche, wie sind ja kein botanischer Garten.“ Der Landschaftsgärtner und Architekt des Bürgerparks, Wilhelm Benque, habe ja „vielfältig pflanzen lassen, um die Attraktivität des Parks zu steigern – dominiert von heimischen Laubbäumen.“

Den Bedarf an jungen Bäumen „in Alleebaumqualität“ mit drei bis vier Metern Höhe deckt der Bürgerparkverein in einer Baumschule in Bad Zwischenahn. „Etwa Mitte März fahren wir zum Casting und suchen sie persönlich aus”, sagt Tim Großmann, der sich dann um die Finanzierung nicht sorgen muss. „Überwiegend sind das ja Spenderbäume.“ Auch Straßenbäume von Format werden vom Umweltbetrieb im Ammerland beschafft.

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Bedarf ist da. Die extreme Trockenheit im vergangenen Sommer habe weniger unmittelbare Schäden an den Bremer Straßenbäumen verursacht, als dass in den Folgejahren mit Problemen gerechnet werden müsse, vermutet Möller. Im vergangenen Haushaltsjahr habe man vor allem Baumverluste durch Stürme ausgleichen müssen – ebenso wie im Bürgerpark.

Die anhaltende Trockenheit habe vor allem dafür gesorgt, dass sich der Boden senkt, sagt Tim Großmann. „Das hat zu Setzrissen an Gebäuden geführt.“ Mit dem Eichenprozessionsspinner sieht er bereits das nächste Problem auf den Park und seine Besucher zukommen: „Schlimmer als Windpocken“ sei der Juckreiz, den die haarige Raupe beim Menschen verursachen könne. „Wir können den Park nicht absperren, und wir können nicht spritzen“, sagt der Parkdirektor.

Schädlingsbefall

In Hannover und Hamburg sei die Raupe bereits angekommen – und für die Bäume eher ungefährlich. Den Nachbarn der stämmigen Stieleiche auf der Naturwiese vor dem Parkhotel hat ein holzzersetzender Pilz an den Wurzeln gepackt.Der Schädling hat sich so weit vorgearbeitet, dass ein gewaltiger Hohlraum im Stubben sichtbar ist: „Wir gehen davon aus, dass mindestens ein Drittel des Radius gesundes Holz sein muss. Der hier war auf der Grenze“, stellt Großmann fest. Und er wurde gefällt, weil er unmittelbar an einem der meistgenutzten Wege stand. „Der hatte keinen Halt mehr.“

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Der bereits abtransportierte Stamm kommt nicht ins Sägewerk, sondern wird zu Kaminholz oder Pellets verarbeitet. „Wegen der Sägeblätter. Da stecken Bombensplitter drin, schokoladenriegelgroß“, sagt Tim Großmann und zeigt auf die blauschwarzen Verfärbungen im Stumpf der Stieleiche.

Spuren, die die eingewachsenen Sprengkörperteile hinterlassen haben, denn im Bürgerpark wurde gegen Ende des Zweiten Weltkrieges noch einmal scharf geschossen. „Deshalb ist der Kampfmittelbeseitigungsdienst immer dabei, wenn wir nachpflanzen.“ Spätestens Anfang März soll es so weit sein. „Die finden meist Schrott, Munition, Geschosse bis hin zur großen Fliegerbombe.“ Und dann haben die Spezialisten den Wald für sich.

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