Im vergangenen Jahr hat Andreas Bettray, der Geschäftsführer der Gesellschaft Fähren Bremen-Stedingen (FBS), noch über den Bau eines zusätzlichen Fährschiffs nachgedacht. Mit einem sechsten Fährschiff im Dauereinsatz sollte den teils langen Wartezeiten an den Fährstellen in Vegesack, Blumenthal, Farge, Berne, Motzen und Lemwerder begegnet werden. Heute ist Bettray froh, kein neues Schiff in Auftrag gegeben zu haben, denn die Beförderungszahlen sind rückläufig.
Fünf Fähren sind im Normalfall im Einsatz. Zwei fahren zwischen Vegesack und Lemwerder, zwei zwischen Farge und Berne, und eine Fähre verkehrt zwischen Blumenthal und Motzen. 2,3 Millionen Fahrzeugführer haben die Schiffe im Jahr 2018 genutzt. In den ersten neun Monaten dieses Jahres haben die Schiffe allerdings rund 30.000 Autos und Lastwagen weniger befördert als im Vergleichszeitraum des Vorjahres. Ein Rückgang von 1,8 Prozent.
Dabei habe es nach einem leichten Einbruch im Januar noch nach einem Wachstum ausgesehen, berichtet FBS-Geschäftsführer Andreas Bettray. Aufgrund der milden Witterung nutzten im Februar und März noch zahlreiche Mitarbeiter von witterungsabhängigen Betrieben die Schiffe zwischen dem Bremer Norden und der südlichen Wesermarsch. Seit April 2019 gehen die Beförderungszahlen hingegen durchgängig zurück. Ein Minus von 30.000 Fahrzeugen im zweiten Quartal hat das Plus aus dem ersten Quartal egalisiert.
Im Spätsommer setzte sich der Rückgang fort. Allein im August nutzten 22.000 Fahrzeugführer weniger die Fähren als im Vergleichsmonat des Vorjahres. „Die Zahlen sind nicht ferienbedingt“, ist Andreas Bettray überzeugt. Für den Chef der Fähren sind sie vielmehr Ausdruck einer Konjunktureintrübung. An den zum 1. Juli 2019 in Kraft getretenen neuen Tarifen liege der Rückgang nicht, meint Bettray. „Die verkehrliche Situation rund um Bremen ist so angespannt, dass kein Fahrzeugführer einmal um die Stadt herum fährt, nur um den Fährtarif zu sparen.“
150.000 Euro Umsatzrückgang
In Euro ausgedrückt spricht der FBS-Geschäftsführer von einem Umsatzrückgang gegenüber 2018 in Höhe von 150.000 Euro für die ersten neun Monate des laufenden Jahres. Bis zum Jahresende dürften sich die Einbußen auf 200.000 Euro summieren, rechnet Bettray hoch. Veränderungen können sich sofort dann ergeben, wenn auf Hauptverkehrsadern unerwartete Baustellen eingerichtet werden.
Verglichen mit dem Jahr 2017 würden die Zahlen lediglich stagnieren und nicht sinken, sagt Bettray. 2018 sei mit 2,3 Millionen beförderten Fahrzeugen und einem Umsatz in Höhe von 8,2 Millionen Euro ein Ausnahmejahr gewesen. Aufgrund einer Großbaustelle am Bremer Kreuz und zahlreicher anderer Baustellen hatte der Verkehrsfunk darauf hingewiesen auf die Fähren auszuweichen, um Staus zu entgehen. So standen viele Fahrzeugführer dann vor den Fähranlegern.
Laut Andreas Bettray hat der Auto- und Lastwagenverkehr, der mit der Fähre über die Weser setzt, seit der Inbetriebnahme des Wesertunnels zwischen Kleinensiel und Dedesdorf stetig zugenommen. 2005 wurden 1,9 Millionen Fahrzeuge über den Fluss befördert, 2017 waren es 2,2 Millionen und 2018 die erwähnten 2,3 Millionen.
Aufgrund der daraus resultierenden teils kilometerlangen Staus und langen Wartezeiten an den drei Fährstellen zwischen Bremen-Nord und der Wesermarsch keimte zwischenzeitlich der Gedanke an ein weiteres Fährschiff auf. Er habe sogar berechnen lassen, ob ein weiteres Schiff wirtschaftlich sinnvoll wäre, berichtet Bettray. Am Ende lautete die Antwort: nein. Da in Bremen im Zuge der Stadtautobahn 281 im Jahr 2021 ein weiterer Wesertunnel in Betrieb gehen soll und sich die Umsetzung eines Schiffneubaus bis in die zweite Hälfte des Jahres 2020 hingezogen hätte, „wäre die Amortisationszeit zu gering gewesen. Ein Neubau wäre nicht vertretbar gewesen“, sagt Andreas Bettray. Im vergangenen Jahr sei die Entscheidung aufgrund der hohen Beförderungszahlen schmerzhaft gewesen, räumt der FBS-Chef ein. Letztlich sei sie aber richtig gewesen, betont er.
Erstes Modell teilweise geglückt
Derzeit geht es der Fährgesellschaft darum, wirtschaftliche Antworten auf den Rücklauf zu finden, denn die Kosten laufen uneingeschränkt weiter. Ein erstes Modell sei nur teilweise geglückt, räumt Anderas Bettray ein. So habe er bewusst am 4. Oktober zwei Schiffe aus dem Verkehr genommen. Handelte es sich bei dem Freitag doch um einen sogenannten Brückentag, der zudem den Auftakt der Herbstferien markierte. „Wir haben an dem Tag einen deutlichen Rückgang der Beförderung festgestellt. Ein Einsatz der zweiten Schiffe zwischen den Fährstellen in Vegesack und Lemwerder beziehungsweise Farge und Berne wäre überdimensioniert gewesen.“ Das Verkehrsaufkommen von insgesamt 5200 Fahrzeugen an allen drei Fährstellen zusammen ist von den drei im Einsatz befindlichen Schiffen gut aufgenommen worden.
Für den 1. November habe er allerdings die falsche Entscheidung getroffen, räumt Andreas Bettray selbstkritisch ein. Er hatte einen weiteren Brückentag nach Allerheiligen einkalkuliert. Allerdings ohne auf die Kalender der Schulen zu schauen. Die haben ihren Schülern kein unterrichtsfrei gewährt, was viele Pendler davon abgehalten hat, ein langes Wochenende zu nehmen.
„Es wäre angemessen gewesen, die zweiten Schiffe zumindest zeitweise im Einsatz zu lassen“, resümiert Bettray. Die Folge: lange Schlangen vor den Fährrampen mit Wartezeit bis zu 45 Minuten. 6580 Fahrzeuge mussten zwischen Bremen-Nord und der südlichen Wesermarsch befördert werden. „Ich bin von deutlich niedrigeren Beförderungszahlen ausgegangen“, gesteht Bettray. „Das war nicht vertretbar.“
Auch bei Fußgängern und Radfahrern stellt die Fährgesellschaft einen erheblichen Beförderungsrückgang fest. Einen deutlicheren sogar als bei den Fahrzeugen. Bezüglich der Personenbeförderung verzeichnet die Fährgesellschaft zwischen Januar und September des laufenden Jahres einen Rückgang um drei Prozent. In absoluten Zahlen sind das 120.000 Personen. Gesonderte Zahlen für Radfahrer liegen dem Geschäftsführer noch nicht vor.
Mit Interesse verfolgt Andreas Bettray derzeit eine Diskussion im Vegesacker Beirat. Dessen Fraktionen fordern Gespräche mit den Partnern und Teilhabern der Fährgesellschaft Bremen-Stedingen darüber, Fahrten für Pendler, die ohne Auto unterwegs sind, kostenfrei zu machen. Der Geschäftsführer verweist aber darauf, dass die Entscheidung eine politische ist, die von Aufsichtsrat und Gesellschafterversammlung getroffen werden müsse, nicht von ihm.
Trotz des derzeitigen Beförderungsrückgangs schaut Andreas Bettray zuversichtlich in die Zukunft – zumindest in die nähere. Aufgrund von Bauarbeiten im Zuge der geplanten Küstenautobahn werde der Wesertunnel im kommenden Jahr mehrere Monate lang nur eingeschränkt nutzbar sein, hat die Kreisverwaltung in Brake dem FBS-Geschäftsführer bereits mitgeteilt. Deshalb erwartet Bettray zumindest im vierten Quartal 2020 wieder eine extrem hohe Auslastung seiner Fähren.