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Explosion in Ritterhude Wut und Entsetzen in Ritterhude

Nun ist doch geschehen, was viele Ritterhuder befürchtet haben. Anwohner und Politiker sind sauer: Sie geben dem Landkreis eine gehörige Mitschuld an der Explosion.
10.09.2014, 16:39 Uhr
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Von Michael Thurm

Nun ist doch geschehen, was viele Ritterhuder, insbesondere die direkten Anwohner, befürchtet haben. Auf dem Gelände der Firma Organo Fluid ist es zu einem Unglücksfall gekommen. Bestätigt fühlen sich auch die Ritterhuder Politiker, die stets eine Auslagerung des Unternehmens gefordert haben. Vor allem der Landkreis trage eine gehörige Mitschuld an diesem Unglück behaupten sie.

„Dass von dem Betrieb immer eine Gefahr ausging, wussten wir alle. Aber dass es einmal so schlimm kommen würde, das hätte ich nicht erwartet“, kommentierte Jürgen Ahlers, Chef der Bürgerfraktion in Ritterhude, das Unglück auf dem Gelände der Firma Organo Fluid, in Ritterhude besser bekannt unter dem Namen Koczott.

Der Gemeinderat sei sich einig gewesen, dass es so mit dem Unternehmen nicht weiter gehen könne, doch der Landkreis als oberste Behörde habe immer behauptet, man habe alles im Griff. „Zuletzt wurden wir zum Runden Tisch gar nicht mehr eingeladen“, ärgert sich Jürgen Ahlers. An diesem Runden Tisch, an dem die Ritterhuder Verwaltung, der Landkreis, Vertreter der Ritterhuder Parteien und Firmenvertreter teilnehmen, konnten die Anwohner der betroffenen Kiepelbergstraße ihre Sorgen und Befürchtungen äußern. „Die Firma Koczott darf es an dieser Stelle nicht mehr geben“, forderte Ahlers. Der Kommunalpolitiker war wie viele seiner Ratskollegen noch in der Nacht vor Ort. „Jetzt müssen wir den Menschen ganz schnell helfen“, betonte er. Ahlers selbst will zwei zur Zeit unbewohnte Häuser zur Verfügung stellen.

"Jetzt stehen wir wie die Deppen da"

Auch der SPD-Fraktionsvorsitzende Jürgen Kuck war Mittwochnacht sofort an die Unglücksstelle geeilt. „Als ich den Knall gehört habe, ist mir ganz flau geworden“, schilderte er seine Gefühlslage. „Ich habe erst gedacht, es wäre ein Güterzug mit Tanks verunglückt, aber als ich die Rauchwolke sah, war mir alles klar.“ Die Politiker in Ritterhude hätten immer vor der Gefahr durch Koczott gewarnt. Aber der Runde Tisch sei ausgehebelt worden. „Auf Wunsch des Landkreises sind wir Ortspolitiker ausgeladen worden. Und jetzt stehen wir wie die Deppen da.“ Für Jürgen Kuck ist klar: „Für das, was da passiert ist, dafür trägt der Landkreis eine gehörige Mitverantwortung.“ Die Gewerbeaufsicht habe stets betont, sie sei immer dran. Der Landkreis habe immer alles unter Kontrolle. „Ich bin erschüttert“, sagte Kuck. Viele Menschen hätten ihn schon in der Nacht angesprochen und gefragt: „Und was sagt ihr jetzt.“ Kuck betonte, dass alles menschenmögliche getan werden müsse, damit die Menschen wieder ein neues Zuhause bekommen. „Ich werde alles tun, damit die Firma an dieser Stelle nicht wieder aufgebaut wird.“

„Ich bin total entsetzt“, so kommentierte Ippe Klaassen, der stellvertretende Vorsitzende der Ritterhuder CDU, die Katastrophe. „Seit Jahren haben wir versucht, die Firma herauszukriegen, aber es ist ein Mischgebiet und es ist uns nicht gelungen, den Betrieb an anderer Stelle anzusiedeln.“ Man habe den Anwohnern helfen wollen, doch immer hätten sich zwei Fragen gestellt: „Wo soll Koczott hin und woher kommt das Geld für einen Umzug.“ Nun müsse man sich Gedanken machen, wie das Gebiet zukünftig überplant werde. „Wir sind noch glimpflich davongekommen, aber jetzt muss was passieren, so eine Firma darf nie wieder herkommen“, forderte Ippe Klaassen.

Viel Lob für die Retter

Sein Kollege, Hans R. Gfroerer sprach sich für stärkere Kontrollen aus. „So etwas darf nie wieder passieren. Wir sind doch nicht in Lateinamerika oder in China.“ Gleichzeitig monierte er auch die Haltung des Firmenvorstands. Koczott hatte eine Auslagerung signalisiert, aber nur wenn die Gemeinde einen Umzug finanzieren würde. „Auch der Unternehmer muss Verantwortung tragen.“Auch Gfroerer verlangt einen sofortigen Standortwechsel. „Wenn sich eine Firma weiter entwickelt, dann muss sie dahin gehen, wo sie keine Gefahr darstellt.“ Im übrigen hob der CDU-Boss die Arbeit der Rettungskräfte hervor. „Die haben einen tollen Job gemacht. Es war eine gute Kooperation über die Ländergrenzen hinweg.“

„Wenn das Kind in den Brunnen gefallen ist, dann schreien immer alle“, sagte Wolfgang Goltsche von den Grünen. „Uns war immer klar, wir wollen diese Firma nicht an dieser Stelle. Chemiebetrieb und Wohnbebauung passen nicht zusammen.“ So traurig wie es für Mitarbeiter und Betroffene jetzt sei, so Goltsche weiter, jetzt habe man die Chance, den Betrieb an anderer Stelle aufzubauen. Goltsche lobte aber auch die Verwaltung, die den betroffenen Bürgern schnell Hilfestellung gegeben hat.

Kritik an Politik und Unternehmer

„Wir werden nicht zulassen, dass dieser Betrieb an dieser Stelle noch einmal aufgebaut wird“, sagte auch Grünen-Chef Wolfgang Hädrich. Wie ihre Ratskollegen kritisieren auch die beiden Grünen das Verhalten von Landkreis und Gewerbeaufsicht. „Sie hätten auf die lokalen Politiker hören sollen“, kritisierte Goltsche die Ausladung vom Runden Tisch und Fraktionskollege Wolfgang Hädrich ärgerte sich über die angekündigten Betriebsprüfungen der Gewerbeaufsicht: „So etwas ist sinnlos.“ Die Aufsicht habe immer gesagt, alles wäre in bester Ordnung. „Wie gut, das haben wir jetzt gesehen. Aber wir hatten keine Handhabe. Da müssen andere Leute aus der Politik gewesen sein, die Koczott unterstützt haben.“

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