Schwalben sind weiterhin willkommen in niedersächsischen Tierställen. Per Erlass hat Landwirtschaftsminister Christian Meyer (Grüne) gegenüber den Veterinärbehörden der Landkreise das klargestellt. Hintergrund waren Beschwerden von Tierschützern und Landwirten über Veterinäre, die angeordnet hatten, Schwalbennester zur Vorbeugung gegen Tierseuchen zu entfernen. Vor allem im Nordwesten Niedersachsens, wo zudem im Emsland kürzlich Geflügelgrippe grassierte.
Während allmählich die letzten Jungvögel flügge werden und der Start ins Winterquartier südlich der Sahara näher rückt, sind nun zumindest für die kommende Saison – bundesweit – klare Verhältnisse geschaffen: Mehl-, Rauch- und Uferschwalben stehen auf der Roten Liste der bedrohten heimischen Brutvogelarten. Nicht nur sie sind geschützt, sondern auch ihre Nester. Denn die Vögel gelten als ortstreu und bauen nicht jedes Jahr neue Unterkünfte, sondern setzen sich auch gern ins gemachte Gebrauchtnest.
Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer. Bleiben die Schwalben lange, sei vor dem Winter nicht bange. Bauen im April die Schwalben, gibt’s viel Futter, Korn und Kalben. Um die kleinen, wendigen Flugkünstler ranken sich viele Bauernregeln und Volksweisheiten. Das fröhliche Zwitschern der Schwalben kündet vom Ende des Winters, ihr Zwitschern wird als fröhlich wahrgenommen. „Wenn Schwalben am Haus brüten, geht das Glück nicht verloren“: Der Naturschutzbund Nabu hat in Niedersachsen ein Projekt „Schwalben willkommen – Hilfen für die Glücksbringer in Stadt und Dorf“ ins Leben gerufen. Denn die Vögel sind zwar beliebt, leiden aber, wie viele Wildtiere, darunter, dass sich ihre Lebensbedingungen verändern.
Immer weniger Grünland, versiegelte Höfe, Wege und Plätze, aber auch Fassadenbauweisen, die keine Nistnische mehr bieten, machen den Vögeln das Leben schwer. Schwalben sind auch in Niedersachsen immer seltener geworden. „Die Ställe auf den Bauernhöfen sind oftmals noch die einzige Möglichkeit für die Schwalben, ihre Nester zu bauen. Ich bin daher sehr froh über die Landwirte, die Schwalben in ihren Ställen haben“, teilt der Landwirtschaftsminister mit.
Meyers Ressort hatte sich nach Aufforderung durch den Nabu beim Bundeslandwirtschaftsministerium vergewissert, ehe es der vom Nabu eingeholten Stellungnahme der Landwirtschaftskammer (LWK) nun bundesweit Geltung verschafft – im Sinne der Schwalben. „Aus hiesiger Sicht ist das Risiko einer Verbreitung von Tierseuchen durch Schwalben in Rinderbeständen vernachlässigbar und deshalb keine entsprechenden Maßnahmen in Rinderbeständen erforderlich“, heißt es im Schreiben des Bundesministeriums an die Veterinärbehörden der Länder.
Ähnlich wird von Berlin aus die Situation in Schweineställen beurteilt, „soweit dort aufgrund der baulichen Bedingungen überhaupt Schwalben nisten können“. In kommerziellen Geflügelfarmen spielten Schwalbennester keine Rolle. „Selbst wenn Schwalben also theoretisch aviäre Influenzaviren einschleppen könnten“, also Vogelgrippe übertragen könnten, „wäre das Risiko vernachlässigbar“, es gebe keinen Grund, Schwalbennester zu entfernen, schreibt das Ministerium.
Bei so viel Skepsis, mit der offenbar aufzuräumen war, vertritt Minister Christian Meyer nun den Standpunkt des Nabu – der sich wiederum auf den LWK-Experten für Tiergesundheit, den Fachtierarzt für Rinder, Hans-Peter Klindworth, beruft. Aus Klindworths Sicht gibt es zu allererst Positives über die Präsenz der Vögel zu sagen: Rauchschwalben erfüllten „eine sehr wichtige und wertvolle Aufgabe im Ökosystem Stall“. Die Vögel vernichteten eine große Zahl von Stallfliegen und ander Fluginsekten und seien deshalb als „wichtiger Bestandteil eines guten Hygienemanagements“ zu betrachten: „Stallfliegen stellen eine sehr große Gefahr für die Übertragung pathogener Erreger, insbesondere von Salmonellen, dar“. Ein Schwalbenpaar verfüttert nach Schätzung des Nabu in der Brutzeit etwa ein Kilogramm Insekten, das seien rund 250 000 Mücken, Fliegen und Bremsen.
Der Brutvogelatlas des niedersächsischen Landesbetriebs für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) geht von rund 105 000 Rauschschwalben-Brutpaaren aus, die niedersächsischen Vorkommen stellen demnach bundesweit, mit rund 17 Prozent, „einen maßgeblichen Anteil“. Die Zahl der Mehlschwalben wird von Experten auf rund 80 000 Paare geschätzt. Während sich Rauchschwalben vor allem in Viehställen wohl fühlen, suchen Mehlschwalben eher die Nähe menschlicher Behausungen, und nisten In Torreinfahrten oder an Fassaden.