Da war er wieder, der alte Florian Wellbrock. Jener Langstreckenschwimmer, der mit langen, kraftvollen Zügen ökonomisch durchs Wasser gleitet, der sich nicht aus der Ruhe bringen lässt, wenn Italiens Olympiasieger Gregorio Paltrinieri sein Rennen schnell angeht. Der auf den letzten 800 Metern seine Geschwindigkeit ausspielt, um sich souverän für das Finale über 1500 Meter zu qualifizieren. Der sich, obwohl er zu früh das Läuten für die letzten zwei Bahnen gehört hatte, auf sein Gefühl verlassen konnte. Und der sich danach locker und aufgeräumt vor die Presse stellte und sagte: „Dass Paltrinieri irgendwann wegschwimmt und mehr Druck macht als nötig, das wusste ich. Dann konnte ich das cool über die Bühne bringen hinten raus.“
Der gebürtige Bremer hatte sich am Sonnabend in 14:47,52 Minuten im Vorlauf nur Paltrinieri geschlagen geben müssen, der in diesem schnellsten Vorlauf bei der WM im koreanischen Gwangju nach 14:45,80 Minuten anschlug. Dieser Florian Wellbrock, er wirkte wie jener selbstbewusste Weltmeister, der eine Woche zuvor das Freiwasserrennen über die olympischen zehn Kilometer für sich entschieden hatte. Wie jener Europameister über 1500 Meter, der seit seinem EM-Rennen im vergangenen Sommer in Glasgow konstant gute Leistungen abgeliefert hatte, im Freiwasser wie im Becken. Und der als der sicherste unter den wenigen deutschen Medaillenkandidaten nach Gwangju gereist war. Alles gut also?
Nun ja, da war eben auch dieser 800-Meter-Vorlauf gewesen, den er vier Tage zuvor mit zehn Sekunden über seiner Bestzeit als Gesamt-17. beendet hatte. Ein erstaunlicher Einbruch, der alle Beteiligten ratlos zurückgelassen hat. Würde ihm doch nicht gelingen, was sein Magdeburger Trainer Bernd Berkhahn und er bei dieser WM erstmals ausprobieren, nämlich der Doppelstart zwischen Freiwasser und Becken, der im kommenden Jahr in Tokio idealerweise doppelt glänzend enden soll? Endgültig lässt sich das wohl erst nach dem 1500-Meter-Finale an diesem Sonntag beurteilen.
Große Erleichterung
In der Zwischenzeit wurde viel getan, um Wellbrock „wieder klarzukriegen“, wie es Berkhahn direkt nach dem 800-Meter-Aus nannte. Trainingswissenschaftler wurden einbezogen, die Sportpsychologin, damit Wellbrock das üblicherweise durchaus ausgeprägte Vertrauen in die eignen Fähigkeiten wiederfindet. Für das Körpergefühl stand zudem Krafttraining auf dem Programm, „damit er das Wasser wieder fühlen kann“, sagt Berkhahn, bei dem – wohl auch als Teamchef der deutschen Schwimmer - die Erleichterung „groß“ sei. Für das Vorlauf-Aus habe man inzwischen zwar eine Erklärung, mehr wollte Berkhahn dazu jedoch nicht sagen.
Für Wellbrock selbst hatte sich der Vorlauf über die 1500 Meter „tendenziell ein bisschen besser“ angefühlt, als das verkorkste 800-
Meter-Rennen zuvor, das bereits nach 100 Metern verloren schien. „Dieses lockere Schwimmen bis 1000 Meter ging sehr gut, als Zweiter drin, erst mal alles super.“ Doch der 21-Jährige gab auch zu, dass der Tag des Vorlauf-Aus’ „kopfmäßig“ schon schwer gewesen sei. „Dann habe ich eine Nacht drüber geschlafen, das Buch zugemacht – und jetzt wird neu geschrieben.“