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Die Fifa und Saudi-Arabien Wieder wird eine WM in die Wüste verkauft

Saudi-Arabien, einst Fußballzwerg, wird Gastgeber der WM 2034. Ein Fifa-Schachzug, der Fragen aufwirft. Menschenrechtsverletzungen bleiben im Hintergrund. Der Fußball ist da flexibel, meint Jean-Julien Beer.
02.11.2024, 05:00 Uhr
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Wieder wird eine WM in die Wüste verkauft
Von Jean-Julien Beer

Was waren das für Zeiten, als Deutschland im Fußball eine Riesennummer war und Saudi-Arabien ein Fußballzwerg, der bei Weltmeisterschaften mal auftauchte und oft früh wieder nach Hause reiste. Zum Beispiel 2002, bei der WM in Japan und Südkorea, da traf Deutschland in der Vorrunde auf den Wüstenstaat und gewann mit 8:0.

Noch in diesem Jahr wird die Fußballwelt mit einem anderen Blick auf Saudi-Arabien schauen. Ein Fußballzwerg ist es zwar heute noch, auf Platz 59 der Weltrangliste, knapp hinter Usbekistan und Kongo. Aber wie zuletzt schon Katar wird sich das Land im Dezember ins Zentrum des Weltfußballs katapultieren: Dann ernennt der Weltverband Fifa offiziell Saudi-Arabien zum Ausrichter der Weltmeisterschaft 2034. Einen anderen Bewerber gibt es nicht.

Um das hinzubekommen, waren einige Schachzüge des mächtigen Fifa-Präsidenten Gianni Infantino nötig, die erst nach und nach Sinn ergaben. Mit der Vergabe der WM 2026 an die USA, Mexiko und Kanada fing es an. Für die WM 2030 gab es ursprünglich zwei Bewerbungen: Ein Turnier in den drei Gastgeberländern Spanien, Portugal und Marokko – aber auch eine gemeinsame Bewerbung der südamerikanischen Länder Uruguay, Argentinien, Paraguay und Chile.

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Die Lösung überraschte zunächst: Die WM 2030 soll erstmals auf drei Kontinenten ausgetragen werden, nämlich in Europa (Spanien, Portugal), Afrika (Marokko) und Südamerika (Uruguay, Paraguay und Argentinien). Ein Wahnsinn in Zeiten des Klimawandels, aber darum ging es ja nicht. Ziel war, dass alle drei Kontinente dadurch für eine WM im Jahr 2034 nicht mehr in Frage kämen, weil unter den Kontinentalverbänden stets rotiert wird. Auch Nordamerika wäre wegen der dortigen 2026er-WM noch blockiert.

Für die WM 2034 blieben also nur Ozeanien und Asien. Es war klar, dass kein ozeanischer Inselstaat ein Turnier mit 48 Nationalmannschaften und mehr als hundert Spielen stemmen kann. Also erhält den Zuschlag nun der asiatische Vertreter Saudi-Arabien, der seit Jahren die Nähe zur Fifa sucht. Übrigens werden die Gastgeber-Rollen für 2030 und 2034 im Dezember in einem Rutsch vergeben. Nach der skandalumwitterten Doppelvergabe der Weltmeisterschaften 2018 an Russland und 2022 an Katar war diese Möglichkeit zwar abgeschafft worden. Doch diese Reform wurde aufgeweicht, damit der lukrative Saudi-Plan auch wirklich klappt.

Ein Großteil der 211 Fifa-Mitgliedsverbände wird für die Vergabe und für Saudi-Arabien stimmen. Wie schon bei Katar sind die katastrophalen Menschenrechtsverletzungen eher in westlichen Ländern ein Thema. Vor wenigen Tagen erst hatten 100 Profifußballerinnen aus 24 Nationen in einem Brief an Infantino gegen eine Fifa-Partnerschaft mit dem saudi-arabischen Ölkonzern Aramco protestiert. Dieser Deal sei „ein Mittelfinger für den Frauenfußball“, weil der „Albtraumsponsor“ eklatante Verantwortung für die Klimakrise trage und im Besitz eines Staates sei, der LBGTQ+-Personen kriminalisiere und Frauen systematisch unterdrücke. Doch die Fifa nimmt lieber das Geld – und verspricht, es gut zu investieren.

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Es geht um sehr viel Geld, das in Saudi-Arabien geradezu sprudelt. Und es geht um die Interessen des autoritär geführten Wüstenstaats. Der hat seit ein paar Jahren das „Sportwashing“ für sich entdeckt, das Aufbessern des schlechten Rufs durch Sport. Diese Bemühungen gehen weit über den Fußball hinaus, aber auch tief in den Fußball hinein. Cristiano Ronaldo kickt in Saudi-Arabien und macht seinen Klub al-Nassr FC weltweit bekannt. Der englische Verein Newcastle United gehört dem saudischen Staatsfonds. Und natürlich werden die großen Ligen – auch die Bundesliga – zustimmen, wenn auch diese WM im kühleren Wüstenwinter gespielt werden muss. Schon Katar hat gezeigt: Wenn die Kasse stimmt, ist der Fußball schnell unpolitisch und höchst flexibel.

Sicher ist auch: Es wird eine WM der architektonischen Superlative. Bereits jetzt präsentierte Saudi-Arabien die Pläne für 15 futuristische Stadien. Derartiges hat die Welt noch nicht gesehen. War ja klar: Denn Geld ist, wie die Menschenrechte, dort keine relevante Größe.

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