Ganz am Ende, die Pressekonferenz war schon fast vorbei, da sagte Hubertus Hess-Grunewald noch einen letzten Satz, der hängen blieb. „Wenn wir mit dem Leistungszentrum tatsächlich auf die grüne Wiese vor die Tore Bremens ziehen müssten“, erklärte er, „dann würden wir ein Zentrum bauen, in dem auch die Werder-Profis trainieren.“ Er meine das nur im Konjunktiv, sagte der Werder-Präsident, und das sei auch keine Drohgebärde. Aber klar ist damit auch: Werder verknüpft die geplante Talentschmiede in der Pauliner Marsch auch mit der Option, den gesamten Trainingsbetrieb der Bundesligamannschaft ins niedersächsische Umland zu verlagern.
Zur Wahrheit gehört aber auch, dass Hess-Grunewald daran eigentlich kein Interesse hat. „In Stuhr wäre Werder nicht mehr das Werder, das es heute ist.“ Er kämpft um das Leistungszentrum an Platz 11, mögen die Anwohner am Osterdeich noch so kritisch sein. Am Dienstagabend hatte Werder das Projekt im Beirat vorgestellt. Drei Stunden dauerte die Versammlung, zwei Stunden lang diskutierte der Werder-Präsident danach noch mit Anwohnern in der Kneipe in den Weserterrassen. Angenehm sei das gewesen, er habe viel Vertrauen in den Gesprächen gespürt, berichtete Hess-Grunewald am Mittwoch.
Doch wie geht es jetzt weiter? „Unsere Planer sind im Austausch mit der Baubehörde“, sagt der Werder-Präsident. Aber man habe noch keine Antwort bekommen, ob der Plan für das Leistungszentrum in der Pauliner Marsch genehmigungsfähig sei. Und das wird wohl auch noch etwas dauern, wie Jens Tittmann, Sprecher der Baubehörde, auf Nachfrage des WESER-KURIER erklärt. „Grundsätzlich wird man in der Pauliner Marsch bauen dürfen, aber es muss angepasst sein an ein mögliches Hochwasser“, sagt Tittmann. „Und wie das bewerkstelligt werden kann, muss sehr genau geprüft werden. Dafür reicht das, was Werder bislang vorgelegt hat, noch nicht aus.“
In der Baubehörde tendiert man ohnehin grundsätzlich dazu, von großen Investitionen in einem Überschwemmungsgebiet abzuraten. „Denn wenn das Hochwasser kommt, sieht man nicht mehr wie auf den Entwürfen eine schöne grüne Landschaft, sondern eine Schlammlandschaft“, sagt Tittmann. Das neue Stadion am Leistungszentrum sei dann auf ungewisse Zeit nicht mehr zu nutzen, es würde ein hoher finanzieller Schaden entstehen. Geld, für das auch die Stadt Bremen aufkommen müsste, die das Großprojekt zu 50 Prozent tragen soll. Hess-Grunewald hat die Kosten für das Projekt auf 32 Millionen Euro taxiert – nach ersten Schätzungen.
Natürlich hat er sich mit den Hochwasser-Fragen intensiv beschäftigt. „Wir müssen bei unseren Kalkulationen damit rechnen, dass das Wasser kommen kann. Aber wie häufig das sein wird, kann ich ganz ehrlich nicht sagen.“ Laut Planung solle das Areal rund um das Weserstadion bis zu einer Höhe von 6,50 Meter gegen das Hochwasser abgesichert sein. „Und es könnte der Punkt kommen“, sagt Hess-Grunewald, „an dem wir nochmal nachbessern müssen.“
"Ist das hier doch alles Banane"
Auch Udo Würtz von der Anwohner-Initiative Osterdeich war am Dienstag bei der Präsentation dabei. „Ich habe viele Informationen bekommen“, sagt er. Die „Verkäufer“, wie er die Planer für das Leistungszentrum etwas süffisant nennt, hätten das Projekt sehr gut verkauft. Aber auch ihn treibt die Frage nach der Sicherheit des Deiches um. „80 Meter lange und zwölf Meter hohe Betonwände rund um das neue Stadion, was bedeutet das für die Pauliner Marsch“?, fragt er sich. Bevor das nicht festgestellt worden sei, „ist das hier doch alles Banane“, sagt er.
Das weiß auch Hess-Grunewald. Denn die Anwohner muss er auf seine Seite ziehen, sonst droht ein schnelles Ende für die neue Talentschmiede. Ganz ehrlich sagt er: „Mir bereitet es schon Sorgen, weil ich die Anwohner nicht steuern kann.“ Ein Grundbucheintrag für 356 Grundstücke rund um den Osterdeich ermöglicht es diesen Anwohnern, Hochbauten in der Pauliner Marsch zu verhindern. „Und das ist eine erhebliche Zahl“, sagt er. Er verweist darauf, dass man auch schon in der Vergangenheit gemeinsam mehrere Projekte getreu dem Leitbild Pauliner Marsch erfolgreich realisiert habe.
Und wenn am Ende das Vorhaben mit dem Leistungszentrum in der Pauliner Marsch doch nicht klappt? Wann wäre der Punkt, an dem Werder sagt: Schluss, Aus, jetzt ziehen wir weg! Hess-Grunewald zögert einen Moment mit der Antwort. Dann sagt er: „Wenn wir den gesicherten Eindruck haben, dass wir hier nicht mehr weiter kommen. Dann müssen wir über Alternativen nachdenken.“ Doch er weiß auch: Die grüne Wiese vor den Toren der Stadt ist eigentlich keine Alternative.