Auf den Skizzen machen die Pläne einen guten Eindruck. Die Dächer des zweigeschossigen Gebäudes und die überdachten Ränge des kleinen Stadions sind begrünt, sie passen aus der Vogelperspektive optisch gut zur umliegenden Pauliner Marsch. "Bei der Entwicklung der neuen Spielstätte streben wir eine Lösung an, die sich optisch in das landschaftliche Erscheinungsbild der Pauliner Marsch integriert", sagt Werder-Präsident Hubertus Hess Grunewald dann auch zügig, als er im Bürgerhaus Weserterrassen am Dienstagabend die Pläne des Vereins für das neue Leistungszentrum vorstellt. Doch schnell wird klar: Das sehen nicht alle so an diesem Abend.
Der Beirat Östliche Vorstadt hatte zu seiner turnusgemäßen Sitzung geladen. Doch allein die Fülle im Raum macht klar: Turnusgemäß ist hier gar nichts. Denn es geht um viel, sehr viel. Für Werder um eine Zukunft als Bundesliga-Standort, wie der Klub in einer Botschaft erklärt. Geschäftsführer Frank Baumann drückt das so aus: "Um Werder auch in Zukunft als konkurrenzfähigen Bundesliga-Standort zu erhalten, müssen wir unser Nachwuchs-Leistungszentrum und unsere Anlagen modernisieren."
Das sehen einige Anwohner rund um den Osterdeich anders. Sie kämpfen um den Erhalt der Pauliner Marsch, sie wollen, dass sich nichts verändert. "Als Anwohnerinitiative wenden wir uns entschieden gegen dieses monströse Projekt, das den Stadtteil Peterswerder in einer unangemessenen Weise belastet", heißt es in einem offenen Brief, den eine Anwohner-Initiative vor der Sitzung veröffentlicht hat.

So würde das neue Leistungszentrum vom Osterdeich aus aussehen: Im Vordergrund das kleine Stadion, im Hintergrund das zweigeschossige Gebäude mit dem Kabinentrakt, Physioräumen und der Gastronomie.
Dass Werder zu Kompromissen bereit ist, zeigt die Größe des geplanten Zentrums. Statt ursprünglich 12.000 Quadratmeter soll es jetzt nur noch 8 500 Quadratmeter groß werden. Die Pläne zeigen einen dreigeschossigen Bau, der zwischen dem jetzigen Platz 11 und einem Trainingsplatz verläuft. Die Höhe mit zehn bis zwölf Metern passt sich der Tennishalle des benachbarten Vereins Rot-Weiß an. Die Größe des neuen Leistungszentrums beziffert Stadtplaner Lars Lemke, der das Projekt präsentiert, auf insgesamt etwa 3200 Quadratmeter. Dazu gehören dann Kabinen, Physioräume und Gastronomie. Neben dem Zentrum soll ein Platz mit Zuschauerrängen entstehen, auf dem die U 23 und das Frauen-Bundesligateam spielen sollen. Ursprünglich sollte dieses neue Stadion 8000 Plätze umfassen, jetzt sind nur noch 5500 Plätze geplant.
Hess-Grunewald weiß, dass es nicht leicht wird, das Vorhaben zu realisieren. Denn bauliche Veränderungen in der Pauliner Marsch können blockiert werden. Der Grund: seit Mitte des 18. Jahrhunderts, als mit dem Bau des Deiches begonnen wurde, ist in 356 Grundbüchern für Grundstücke rund um den Osterdeich das Recht eingetragen, Hochbauten in der Pauliner Marsch zu untersagen. Entsprechend sensibel ist Werder das Thema Leistungszentrum angegangen. Geschäftsführer Frank Baumann hat im Vorfeld der Präsentation Gespräche mit Anwohnern geführt, hat vorgefühlt, was geht – und was eben nicht geht.
"Für die nächsten 20 Jahre sollte das Zentrum reichen"
Die Anwohner, die am Dienstag in den Weserterrassen sitzen, haben Fragen. Wird sich das Verkehrsaufkommen erhöhen? Und reicht das neue Leistungszentrum denn auch über die kommenden 20 Jahre hinaus? Hess-Grunewald ergreift immer wieder das Mikro, verneint ein erhöhtes Verkehrsaufkommen. Und sagt: "Für die nächsten 20 Jahre sollte das Zentrum reichen."
Um den Bau der neuen Sportanlage zu erklären, hat Werder sechs Botschaften verfasst. Eine ist überschrieben mit "Werder hofft auf eine breite Unterstützung", eine andere mit "Kreative Konstruktion für ein Leben im Überschwemmungsgebiet". Denn etliche Anwohner-Vorwürfe zielen auf genau dieses Problem ab. "Neue Flächenverbauungen im Überflutungsraum verkleinern den Retentionsraum und wirken sich im Ernstfall wegen verengter Strömungen negativ auf die Deichsicherheit aus", heißt es. Hess-Grunewald weist daraufhin, dass der Verein sich der Verantwortung stelle, die Pauliner Marsch als Überschwemmungsgebiet zu erhalten. Die neue Spielstätte werde dank einer kreativen Konstruktion eben nicht umspült, sondern weiter als Überschwemmungsgebiet dienen. Und so fliegen die Argumente an diesem Abend hin und her. Robert Bücking, Bürgerschaftsabgeordneter der Grünen, fasst die Lage in einer Frage zusammen: "Ist es klug, solche Investitionen in einem Risikobereich zuzulassen?"
Steiniger Weg zur Einigung
Den Vorschlag einiger Anwohner, dass Werder sich doch auch nach Alternativ-Standorten umschauen könne ("Ein Nachwuchs-Leistungszentrum als Leuchtturmprojekt in einem benachteiligten Stadtteil, so wie es die Kammerphilharmonie in hervorragender Weise in Tenever macht"), kontert Hess-Grunewald. "Wenn Sie eine Fläche kennen, lassen Sie es uns wissen. Es gibt im ganzen Bundesland keine geeignete Fläche." Man wolle seinen einzigartigen Campus direkt am Weserstadion erhalten und gemeinsam mit der Öffentlichkeit weiterentwickeln. "Werder steht für den Erhalt der Pauliner Marsch als eine grüne Oase." Dazu passt, dass Werder den Trainingsplatz am Freibad zum Tausch mit der wilden Wiese anbietet, die derzeit am Osterdeich liegt.
Eines wird klar: Der Weg zu einer Einigung ist steinig. Aber darum ging es an diesem Abend auch nicht. Es ist ein Anfang in der Diskussion, wie weit die Pauliner Marsch sich verändern darf. Werder jedenfalls hat den Faktor Zeit im Nacken: Um den Anschluss im Kampf um Talente nicht zu verlieren, muss bald mit dem Neubau begonnen werden.
+++Dieser Artikel wurde um 22.01 Uhr aktualisiert+++