Bremen. Hanna Ferber-Rahnhöfer schlug das Herz bis zum Hals. Kurz vor ihrer Länderspielpremiere in der U 16-Nationalmannschaft jagten der Handballerin des SV Werder Bremen mehrere Schauer über den Rücken. „Es ist schon ganz schön krass, dass ich so weit gekommen bin“, sagte die Kreisläuferin, die vor einer Woche beim Vier-Länder-Turnier im spanischen Cantabria ihren internationalen Einstand feierte. Der konnte sich sehen lassen, denn sie landete mit der DHB-Auswahl mit 3:3 Punkten hinter Frankreich (6:0 Zähler), aber noch vor Polen (2:4) und Spanien (1:5) auf dem zweiten Platz. Hanna Ferber-Rahnhöfer traf in den drei Spielen fünfmal ins Schwarze und stabilisierte das deutsche Abwehrzentrum.
Zunächst musste sie aber ihre Gefühlslage in den Griff bekommen, denn just in dem Moment, in dem vor dem Auftaktspiel gegen Frankreich die Nationalhymne ertönte, wurde sie am ganzen Körper von einer Gänsehaut gepackt. Auch ihre Mitspielerinnen hatten beim ersten Länderspiel dieser U 16-Auswahl mit dem überwältigenden Moment zu kämpfen. „Wir haben alle die Töne nicht getroffen und schief gesungen“, schmunzelte Hanna Ferber-Rahnhöfer.
Die Nervosität war bei der 1,75 Meter großen Athletin schnell wieder verflogen, sodass sie sich im ersten Spiel gegen Frankreich langsam ans internationale Niveau herantasten konnte. Sie wechselte sich mit ihrem Pendant am Kreis, Meike Becker aus der Bundesliga-Kaderschmiede Bietigheim, ab, konnte aber ihre Torchance nicht im gegnerischen Netz unterbringen. „Die Schiedsrichter pfeifen anders, lassen mehr zu“, schildert sie ihre ersten Erfahrungen.
Danach steigerte sie sich von Spiel zu Spiel. Beim 25:21 (11:9)-Erfolg über Spanien ließ die B-Jugendliche die kleine Lederkugel zweimal im Netz zappeln, beim 29:29 (14:15) gegen Polen war sie dreimal erfolgreich. Außerdem hielt sie das Zentrum der 3:2:1-Deckung zusammen. „Ich denke, dass ich einen guten Job gemacht habe“, erzählt sie.
Einen Grund, jetzt abzuheben, hat die Gymnasiastin der sportbetonten Schule an der Ronzelenstraße aber nicht. Bundesweit werden in ihrem Jahrgang 40 bis 45 Talente getestet, von denen eines Tages vielleicht 14 bis 18 Spielerinnen den Sprung in den endgültigen Kader schaffen werden. „Da wird vieles erst in den nächsten beiden Jahren entschieden“, betont Werders Zweitliga-Frauen-Trainer Florian Marotzke. „Hanna hat ein gewisses Potenzial und steht am Anfang ihrer Karriere, aber gerade Mädchen müssen den Fokus neben dem Handball auch auf die schulische Ausbildung legen“, gibt ihr der hauptamtliche Coach der Grün-Weißen mit auf den Weg.
Vom Rückraum an den Kreis
Hanna Ferber-Rahnhöfer hatte mit solch einer sportlichen Chance aber ohnehin nicht gerechnet, da sie zum DHB-Lehrgang im September sowieso erst aufgrund von Verletzungen anderer Kreisläuferinnen nachnominiert worden war. Umso größer war die Freude, dass sie den offenbar gut genutzt hatte – und gleich zum nächsten Lehrgang mit Länderspielaussicht eingeladen wurde. Das Training bei Werders Zweitliga-Frauen hilft ihr deutlich weiter, sagt sie. „Dort ist das Umschaltspiel viel schneller, außerdem wird aggressiver zugepackt“, erzählt der Blondschopf, der aufgrund der breiten Schultern und der kräftigen Arme von Bundestrainer Frank Hamann vom Rückraum an den Kreis beordert worden war. Mittlerweile spielt sie auch beim SVW in der B- und in der A-Jugend überwiegend an der Nahwurfzone.
Die acht Trainingseinheiten in der Woche plus zusätzliche Laufeinheiten zahlen sich aus, da die Rechtshänderin ihre Physis deutlich verbessern konnte. „Ich bin jetzt auf der 3000-Meter-Distanz 50 Sekunden schneller“, verrät sie. Für diese Strecke benötige sie knapp über 14 Minuten, bis zur Norm von 12,52 Minuten muss aber noch eine weitere deutliche Steigerung her. Der hohe Trainingsaufwand stört Ferber-Rahnhöfer nicht. „Im Moment merke ich die Verbesserungen, es macht unheimlich viel Spaß“, betont sie. Nur allzu gerne würde sie auch eines Tages in der ersten Bundesliga spielen.
Genug vom Handball hatte Ferber-Rahnhöfer auch nach den sechs Tagen Nationalmannschaftlehrgang inklusive der Länderspiele nicht: Nachts um ein Uhr am Hamburger Flughafen angekommen, wurde sie von ihren Eltern abgeholt, um nicht einmal siebeneinhalb Stunden später ins nächste Gefährt zu steigen: Es ging mit Werders B-Jugend zum Oberliga-Topspiel bei der HSG Hannover-Badenstedt, bei dem sie sieben Tore zum 20:17 Erfolg beisteuerte. Und der Traum geht für die 15-Jährige weiter: Hanna Ferber-Rahnhöfer erhielt gleich die nächste Einladung zum DHB-Lehrgang vom 4. bis zum 7. Dezember in Lastrup, bei dem sie erstmals von ihrer ein Jahr jüngeren Vereinskameradin Nina Engel begleitet wird. „So kann es gerne weitergehen“, meint Ferber-Rahnhöfer. Hinsichtlich einer späteren Handball-Karriere hat sie endgültig Blut geleckt.