Es ist in den vergangenen Jahren nicht allzu oft vorgekommen, dass im Stadttheater Kleines Haus an der Max-Planck-Straße jeder Platz besetzt war. Doch niemand hatte zuvor Karten verkauft. Der Schulausschuss des Stadtrates kam zu einer Sitzung zusammen und es war schon frühzeitig gewiss, dass die angesetzte Tagesordnung einen gewaltigen Besucheransturm auslöst. Sie lagen richtig. Angehörige der Berufsfeuerwehr mussten den Einlass kontrollieren, rund 100 Schüler und Eltern kamen nicht mehr in den voll besetzten Theatersaal und mussten draußen vor der Tür ausharren. Ein denkwürdiger Abend, den manche im Anschluss durchaus als grotesk bewerteten.
Der Grund für die Empörung: Im Rathaus vermutet man aufgrund steigender Schülerzahlen in wenigen Jahren akuten Platzmangel in Schulen. Der Stadtrat hatte vor knapp drei Jahren beschlossen, mittels Gutachten solle herausgefunden werden, wie der Bedarf an Klassenzimmern und Schulformen aussehen kann. Die Ergebnisse dieser Studie, die das nordrhein-westfälische Büro Garbe, Lexis & von Berlepsch geschrieben hatte, waren am Donnerstag im Ausschuss vorgestellt worden. Wenige Tage zuvor hatte die Stadtverwaltung die Eckpunkte des Papiers in einer Beschlussvorlage im Internet öffentlich gemacht und damit eine regelrechte Empörungswelle losgetreten. Denn das Papier enthält einigen Sprengstoff.
1000 Schüler mehr
Weil davon ausgegangen wird, dass zum Schuljahr 2025/26 etwa 1000 mehr Schüler eine weiterführende Schule besuchen werden als das im Schuljahr 2020/21 der Fall gewesen ist, müsse die Delmenhorster Schullandschaft umgebaut werden. Denn um den gesetzlich verankerten Elternwillen umsetzen zu können, muss für jeden Wunsch ein entsprechendes Angebot vorgehalten werden. Erster Stadtrat Markus Pragal erklärte: "Wenn wir 100 Plätze an Realschulen vergeben können, aber 120 Anmeldungen für die Realschule haben, dann müssen wir irgendwie 20 weitere Plätze aus dem Hut zaubern." Aus dieser angenommenen künftigen Realität heraus haben die Gutachter Planspiele entwickelt und Kästchen gezeichnet, die jeweils eine Klasse abbilden sollen. Auf Grundlage der Anmeldezahlen der vergangenen Jahre ergebe sich nämlich ein zusätzlicher Bedarf an Plätzen: Während etwa am Max-Planck-Gymnasium derzeit jeder Jahrgang in vier bis sechs Klassen aufgeteilt wird, droht in wenigen Jahren ein Anstieg auf acht Klassen je Jahrgang. Eine Zahl, die die Schule vor unlösbare Probleme stellt, mahnten Schulleiterin Karin Wutschke und ihr Stellvertreter Marco Castiglione.
Die Gutachter empfehlen, die bisherige Delmenhorster Schullandschaft zu vereinfachen, indem die bislang auf die zwei Standorte, Holbeinstraße und Lilienstraße, aufgeteilte Realschule aufgelöst wird. Dieses Schicksal solle auch die Hauptschule ereilen, die am Stubbenweg untergebracht ist. Stattdessen solle eine dritte Oberschule eingerichtet werden. "Durch die Reduktion der Komplexität in der Schullandschaft könne flexibler, schneller und leichter auf sich verändernde Schülerzahlen reagiert werden", erläuterte Gutachterin Petra von Berlepsch ihren Vorschlag. Doch dieser Vorschlag wurde von Pragal direkt als "politisch nur schwer umsetzbar" erkannt. Die Ausführungen von Schülern, Eltern und Lehrkräften, die sich in einer "Anhörung" genannten erweiterten Einwohnerfragestunde zu Wort melden konnten, entsprachen dabei weitestgehend Pragals Einschätzung. Es wurde deutlich, dass die eigene Schulform meist die beste sei und die Angehörigen der Oberschulen befürchten, die Schulform könne unter dem Druck der Realschulen abgewertet werden.
Einer der Anwesenden warf Rat und Verwaltung einen "Mangel in Serie vor", der nur durch große "Meinungsflexibilität" eingefangen werde und in der Folge Chaos verursache. Claus Schröder, Schulleiter der Oberschule Süd fragte, wo bei all dem Streit um Schulformen, -standorte und Schülerzahlen eigentlich die Pädagogik bleibe. Und Jan Steen, Schulleiter der Hauptschule befürchtet, dass dieses Planungschaos noch Folgen bei der Gewinnung neuer Lehrkräfte haben könnte. Der Ausschuss hatte sich hingegen schon zu Beginn verständigt, erst einmal nur hören zu wollen und eine Entscheidung vertagt. Diese solle nun im Juni gefällt werden.