Es soll eigentlich um die sogenannte Schulentwicklungsplanung gehen, wenn an diesem Donnerstag der Schulausschuss des Stadtrates zusammentritt. Doch für SPD-Ratsfrau Andrea Lotsios ist schon klar, dass es darum nur am Rande geht: "Diese Schulentwicklungsplanung ist gar keine, das ist eine Schulstrukturdebatte." Eigentlich ist es simpel: In regelmäßigen Abständen soll ein Blick auf die Geburten- und Zuzugszahlen dafür sorgen, den Bedarf an Schulplätzen in der Zukunft einschätzen zu können. Wo müssen eventuell neue Räume geschaffen werden, reicht der Platz andernorts noch aus oder verlieren Schulstandorte gar so viele Schüler, dass eine Schließung oder Zusammenlegung sinnvoll werden kann. Doch kaum war Ende vergangener Woche die entsprechende Sitzungsvorlage öffentlich geworden, positionierten sich schon Elternverbände, Parteien und Schulen mit teils gegenteiligen Forderungen.
Worum geht es?
"Die beliebteste Schulform ist die Realschule." Dieser lapidare Satz enthält den Stoff, der zu Streit und Sorgenfalten führt. Die Stadtverwaltung hatte im Dezember ein Institut aus Nordrhein-Westfalen beauftragt, ein Gutachten über den Schulbedarf zu verfassen. Die Gutachter haben eine Elternbefragung vorgenommen, deren Kinder in den fünften und sechsten Jahrgängen der Delmenhorster Schulen unterrichtet werden. Kernaussage der Elternbefragung ist das Bekenntnis zur Realschule. Doch eigentlich war das System von Haupt- und Realschulen ab dem Jahr 2010 niedersachsenweit unter die Räder gekommen. Nach der Abschaffung der Orientierungsstufen zum Schuljahr 2004/05 waren die Anmeldezahlen an den Gymnasien zwar in die Höhe schossen, die Hauptschulen aber nur noch selten angewählt worden. Die Hauptschulen waren von den Schülerzahlen her am Ende und eine Zusammenlegung mit den häufig ohnehin räumlich benachbarten Realschulen opportun. In Delmenhorst wurden zum Schuljahr 2015 die Haupt- und Realschule im Stadtnorden an der Uhlandstraße zur Wilhelm-von-der-Heyde-Oberschule zusammengelegt. Ähnlich geschah es im Stadtsüden, als die Realschule an der Königsberger Straße mit der Hauptschule im Schulzentrum Süd zur Oberschule Süd am Brendelweg fusionierte. Nur eine Realschule, allerdings mit zwei Standorten an der Lilienstraße und an der Holbeinstraße und eine kleine Hauptschule wenige Meter entfernt am Stubbenweg, blieben erhalten.
Was soll nun geschehen?
Die Gutachter bemängeln, die Vielfalt verschiedener Schulformen, die nach dem Abschluss der Grundschulzeit angewählt werden können. Neben den beiden Oberschulen, der Haupt- und der Realschule sind das die beiden Gymnasien an der Willms- und der Max-Planck-Straße und zudem die Integrierte Gesamtschule außerhalb des Regelangebots. In den Augen der Gutachter wäre es sinnvoll, die Haupt- und Realschule aufzulösen und eine weitere Oberschule einzurichten. Doch dies entspreche nicht dem Elternwillen, der die Realschule favorisiert. Die Stadtverwaltung ist deshalb mit dem Stadtelternrat übereingekommen, die Wilhelm-von-der-Heyde-Oberschule im Stadtnorden organisatorisch wieder aufzulösen und zu einer Realschule umwandeln zu wollen.
Wo ist das Problem?
Die Idee der Auflösung einer Oberschule und Umwandlung zu einer Realschule stößt einerseits bei den Eltern auf gehörigen Widerstand und wird auch in der Politik kritisch betrachtet: "Die Oberschule aufzulösen, wäre der größte Fehler, den wir bildungspolitisch in den vergangenen zehn Jahren machen könnten", sagt Lotsios. Und Claus Hübscher (FDP) spricht gar von einem "Rückschritt ins pädagogische Mittelalter." Währenddessen ruft der Schulelternrat der Oberschule Süd in einem Schreiben, das unserer Redaktion vorliegt, zum Protest auf. Gerade die Durchlässigkeit der Schulform Oberschule sei ein großer Vorteil. "Alles unter einem Dach, bekannte Lehrer, wohlfühlen und mit einem Standort verbunden fühlen", zählt der Elternrat auf.
Was soll nun geschehen?
"Mit uns wird es gewiss keine Auflösung einer Oberschule geben", sagt Andrea Lotsios. Claus Hübscher hingegen will dem vermeintlichen Elternwillen mit einem "weinenden Auge" folgen, auch wenn er den Rat der Gutachter am liebsten befolgen würde. Es zeichnet sich bereits ab, dass die Ausschusssitzung gut besucht sein könnte: Eltern, Lehrkräfte, Schüler werden mobilisiert, um für eine Lösung des Problems einzustehen. Doch ob der Ausschuss am Donnerstagabend eine Beschlussempfehlung in Richtung Stadtrat abgeben wird ist bereits unklar: "Wir werden auf jeden Fall Beratungsbedarf anmelden", sagt Hübscher. Nach den Gepflogenheiten im Stadtrat würde diesem Wunsch automatisch nachgekommen.