„Dafür läuft es relativ gut, es gibt wenig Probleme“, sagt Saskia Kamp. Ihr „dafür“ bezieht sich auf eine Zahl, die Delmenhorst bewegt. Es ist die Zahl der Menschen, die in der Stadt leben und ausländische Wurzeln haben. Die Stadtstatistiker schätzen, dass es mittlerweile rund 37 Prozent der gesamten Bevölkerung sind, bei aktuell um die 82.000 Delmenhorster würde das bedeuten: Gut 30 000 haben einen Migrationshintergrund, wie es offiziell heißt. Andere Städte mit ähnlichen Zahlen haben mehr Unruhe, mehr Unwohlsein, mehr Kriminalität. Darauf spielt die Geschäftsführerin des Diakonischen Werks im Kirchenkreis Delmenhorst/Oldenburg-Land (Diakonie) an, wenn sie die von der Ruhe spricht.
Das mit der relativen Ruhe und Zufriedenheit liegt auch an der guten Integrationsarbeit, da sind sich alle Experten einig. Und ein ganz wichtiger Akteur in diesem Zusammenhang sind die Wohlfahrtsverbände in der Stadt, neben der Diakonie die Arbeiterwohlfahrt (Awo), Caritas, der Paritätische, das Deutsche Rote Kreuz (DRK) und die jüdische Gemeinde. Alle helfen sie mit, die Neuankömmlinge in der Stadt willkommen zu heißen, sie arbeiten, damit sich die Neuen zurechtzufinden. Und sie alle eint ein Problem: die unsichere Finanzierung.
„Wir wollen, dass in Delmenhorst einige Angebote dauerhaft vorgehalten werden“, sagt Saskia Kamp. Weil sich gezeigt hat, dass sie wichtig sind. Und weil sich vor allem gezeigt hat, dass die Zielgruppe erreicht wird. „Dafür ist es ganz wichtig, Zugänge zu all diesen Angeboten zu schaffen. Das geht aber nur, wenn wir und das, was wir tun, in der Community auch bekannt sind.“ Zugang und Bekanntheit funktionieren dabei vor allem über einen essenziellen Punkt: Mitarbeiter, die verlässlich da sind. „Unsere Kollegen kommen pro Kopf auf 500 bis 700 Beratungen pro Jahr“, erzählt Saskia Kamp. Nur: Wenn die Finanzierung jedes Jahr aufs Neue beantragt werden muss, wenn jedes Jahr aufs Neue unsicher ist, ob der Förderbescheid angenommen oder abgelehnt wird, ist das mit der Mitarbeiterbindung schwierig. „Wir können ihnen keine Perspektive bieten.“ Was schlecht ist. Vor allem auf einem Arbeitsmarkt, auf dem es kein Überangebot an Sozialarbeitern gibt.
Die Beratungs- und Angebotslandschaft ist dabei so unterschiedlich, wie die Menschen, die sie in Anspruch nehmen. Da gibt es zum einen die Fachberatungen, die so ziemlich alle Lebenslagen und -fragen betreffen: Wo können die Betroffenen Anträge bei Behörden stellen, um Unterstützung zu bekommen? Wie funktioniert das deutsche Schulsystem? Wie suche ich eine Wohnung? „Unsere Mitarbeiter sind dabei Brückenbauer, auch weil viele von ihnen schon lange mit Migranten zusammenarbeiten“, sagt Doris Fuhrmann, Geschäftsführerin der Awo. Die Frage mit Blick in die Zukunft lautet: Welche dieser Brückenbauer wird es weiterhin geben? Das Land dampft die Fördertöpfe für Integrationsangebote bereits wieder ein, weil weniger Flüchtlinge kommen.
Nur die Hälfte der Neuankömmlinge sucht Asyl
Dabei machen sie, die „Asylsuchenden und sonstige“, wie sie im Statistikerdeutsch heißen, nur etwas mehr als die Hälfte der Neuankömmlinge in Delmenhorst aus. Zwischen 2011 und 2018 waren es laut Stadtverwaltung insgesamt rund 7500 Menschen, die nach Delmenhorst gekommen sind. Rund 45 Prozent der Neu-Delmenhorster stammen aus EU-Staaten in Osteuropa. Gerade sie nutzen die Beratungsangebote sehr intensiv. „Wir haben bei uns in der Schuldnerberatung in den vergangenen Jahren sehr viele Menschen aus Osteuropa dazubekommen“, berichtet Thomas Heyen, Geschäftsführer des Paritätischen. Das Problem: Die Menschen kommen für einen Job nach Deutschland. Haben sie einen, suchen sie sich eine Wohnung. Wenn sie dann ihren Job wieder verlieren, haben sie ein halbes Jahr Zeit, eine neue Arbeitsstelle zu finden, bevor sie wieder ausreisen müssten. Wenn sie länger nichts finden, summieren sich die Schulden, weil sie auch keine Unterstützung vom Staat erhalten.
Das alles sind nur kleine Mosaiksteinchen im Hilfsnetzwerk, das für Migranten gespannt wurde. „Wir wollen jetzt zusammen mit der Stadtverwaltung und der Politik schauen, welche Angebote wir verstetigen und unabhängig von Drittmitteln sichern wollen“, sagt Saskia Kamp. Es wird in Zukunft vielleicht weniger Projekte geben, die dann aber langfristiger sicher aufgestellt sein sollen. Das Ziel ist klar: Es soll weiterhin gut laufen in Delmenhorst, es soll weiterhin wenig Probleme geben.