Bei der Delmenhorster Tafel steigen mit der wachsenden Nachfrage für die Lebensmittelabgabe auch die Sorgen um die Handlungsfähigkeit des Trägervereins. Seit Monaten ist bekannt, dass sich langjährige Vorstandsmitglieder, genannt werden die Vereinschefin Walburga Bähre und ihr Stellvertreter Michael Adam, aus der ersten Reihe zurückziehen möchten. Auch durch eine stärkere Inanspruchnahme der Tafel durch Geflüchtete aus der Ukraine hat sich die Anzahl der Tafelgäste noch einmal rapide erhöht. Mittlerweile werden insgesamt mehr als 4200 Menschen mit Lebensmitteln versorgt. Mehr als 3200 Hilfsbedürftige kommen zur Ausgabestelle an der Grünen Straße 78 in Delmenhorst. Weitere 1000 Gäste verteilen sich auf die Ausgaben in Hude und Ganderkesee. Aktuell hat die Tafel erstmals einen Aufnahmestopp für neue Tafelgäste ausgesprochen. Sonst seien nicht genügend Lebensmittel vorhanden, um alle Gäste ausreichend zu versorgen, heißt es in einer Pressemitteilung von Donnerstag.
"Leider haben sich die Kraftreserven aus dem Vorstand noch weiter reduziert'', erläutert Bähre. Michael Adam hat seinen Rücktritt als Vorstandsmitglied angekündigt, er bleibe der Tafel jedoch als Helfer erhalten. "Es ist sehr kraftraubend, den Verein zu managen und zusätzlich täglich mit anzupacken", so Bähre.
Keine Einigung im Sozialausschuss
Im Sozialausschuss des Rates sollte zuletzt Mitte September über an die Stadt gestellte Zuschussanträge beraten werden. Die Debatte wurde in den nicht-öffentlichen Teil der Sitzung gelegt. Doch auch hinter verschlossenen Türen gelang keine Einigung. Ausschusschef Murat Kalmis (FDP) wollte die streitenden Parteien, Tafelvorstand, Verwaltung und Politik in eine Schlichtung führen. Auch aus diesen Gesprächen drang kein Wort an die Öffentlichkeit.
"Wir bemühen uns seit vielen Wochen, der Politik und der Verwaltung unsere sogenannten freien Rücklagen zu erläutern, es gibt immer wieder Rückfragen”, erklärte am Donnerstag Axel Jahnz. Der ehemalige Oberbürgermeister (SPD) engagiert sich als Sprecher des Tafelvorstands. Der 65-Jährige will gemeinsam mit dem Vorstand die Kommunikation mit Politik und Verwaltung führen. Denn ein gemeinnütziger Verein kann nicht frei über sein Geld verfügen, er muss es satzungsgemäß verwenden und darf nur gesetzlich zulässige Rücklagen bilden, beispielsweise für Investitionen oder Rückbauverpflichtungen. Wiederholt hatten die Aktiven des Tafelvereins darauf hingewiesen, dass man als Mieter des Nolte-Gebäudes die Verpflichtung eingegangen sei, nach Verlassen der Immobilie für einen Rückbau zu sorgen. Mit mehr als 60.000 Euro könnte dies zu Buche schlagen. Gebundenes Geld kann nicht “zweckentfremdet” werden, so Jahnz. Schon gar nicht zur Deckung von Personalkosten. Wichtig sei, dass die Anerkennung der Gemeinnützigkeit des Vereins nicht gefährdet werde.
Verein sucht Personalkostenzuschuss
Petra Gerlach (CDU) hat als Oberbürgermeisterin bereits im März in einem persönlichen Gespräch geschildert, dass aufgrund des enormen Zuwachses an Tafelgästen eine rein ehrenamtliche Ausführung des Tagesgeschäfts nicht mehr länger möglich sein werde, sagt Jahnz. Deswegen stellte der Vorstand Anfang Juli 2022 einen Antrag auf einen Personalkostenzuschuss für eine Betriebsleiterstelle sowie eine Teilzeit-Bürokraft. "Seitdem haben wir wunschgemäß und umgehend alle erforderlichen Unterlagen eingereicht, die die Verwaltung zur Prüfung benötigt", so Jahnz. Dazu zählt der Jahresabschluss 2021, ein Zwischenstand datiert auf den 30. Juni dieses Jahres sowie die Kontenstände bei den Banken. Einsehbar waren auch eine Übersicht über die Rücklagen sowie der Mietvertrag.
Aktuell stehe auch eine Ersatzbeschaffung für einen Transporter an. 60.000 Euro soll das Fahrzeug kosten, der Kaufpreis soll über die Nutzungsdauer des Vorgänger-Lkw angespart werden. Weil es noch keine Entscheidung des Stadtrates über die Zuschussanträge gab, blieben schon zugesagte Förderungen der Gemeinden Hude und Ganderkesee zunächst aus. “Ein weiteres Delta von 5000 Euro, das die Tafel nun aus eigenen Mitteln stemmen muss”, erklärt Jahnz.
Für die Tafelgäste und die ehrenamtlich Helfenden seien die vergangenen Wochen sehr schwierig gewesen, weil ungewiss blieb, wie es weitergehen wird. "Wir als Tafelvorstand sind an einer konstruktiven Lösung sehr interessiert und hoffen auf die Unterstützung der Politik, um unsere wichtige Arbeit weiterführen zu können", so Bähre. Die Tafel benötige jetzt eine dringende Entscheidung der Politik.