Schon seit diesem März halten sich Spekulationen über die Fortführung der Arbeit der Delmenhorster Tafel. Und das, während der Bedarf für die Abnahme von Lebensmitteln stetig steigt. Auch weil sich immer mehr Menschen in die Schlange stellen, die vor dem Krieg in der Ukraine auch nach Delmenhorst geflüchtet sind. Von mittlerweile bis zu 3000 "Kunden" ist die Rede. Weil die langjährige Vorsitzende des Trägervereins, Walburga Bähre, und auch ihr Stellvertreter, der Beigeordnete Michael Adam (CDU), ihre Ämter in jüngere Hände legen wollen, es bislang aber an Interessenten für die Nachfolge mangelte, ging die Sorge um, der Verein könne seine wichtige Arbeit gar einstellen.
An diesem Donnerstag hat eine Vorstandssitzung der Tafel stattgefunden. Eingeladen dazu war Axel Jahnz. Der ehemalige Oberbürgermeister war gefragt worden, ob er sich für die Position des Tafel-Chefs interessieren würde. Jahnz hatte sich in den Tagen zuvor ausführlich mit dem Gedanken beschäftigt. Natürlich müsse die Tafel, die eine wichtige Aufgabe erfülle, auch von der Stadt unterstüzt werden. Jahnz wünscht sich, dass man dem Rathaus alle nötigen Einblicke in Bilanz und Zahlenwerk gestatte. Er selbst hat sich davon überzeugt, dass die Vereinsarbeit fortgesetzt werden könne, wenn es gelinge, wieder mehr aktive Helferinnen und Helfer zu finden. Jahnz hat seine Bereitschaft erklärt, sich bei der nächsten Mitgliederversammlung für die Nachfolge von Walburga Bähre aufstellen zu lassen.
Rat diskutiert über Zuschuss
Aus den Reihen der Ratsgruppe "Die Linke/Parteilose/Delmenhorster Liste" war bereits im Frühjahr ein Antrag an den Stadtrat gestellt worden, die Tafel finanziell noch weiter zu unterstützen. Dies solle durch hauptamtliche Kräfte erfolgen, die von der Stadt zu bezahlen seien. Der Zuschussbedarf wurde mit rund 65.000 Euro beziffert. Die Leistung der Tafel für die Sozialstruktur der Stadt sollte so honoriert werden. Ein Ausfall der Tafelarbeit müsse, auch wenn er aufgrund eines fehlenden Vorstandes nur vorübergehend einträte, unbedingt verhindert werden.
Bereits jetzt übernimmt die Stadt anteilig die Mietkosten für das Gebäude an der Grünen Straße 78. Der Verein erhält darüber hinaus immer wieder Einzelzuschüsse. Zuletzt waren 6000 Euro zur Anschaffung eines Tiefkühlsprinters geflossen.
DRK könnte unterstützen
Mit dem Vorstand der Tafel war auch vonseiten der Verwaltung schon nach Lösungen gesucht worden: Sogar mögliche Kooperationen mit anderen Trägern kamen auf den Tisch. Gut unterrichtete Kreise berichten, dass beispielsweise das Deutsche Rote Kreuz (DRK) mit 70.000 bis 80.000 Euro unterstützt werden sollte, um eineinhalb Stellen zu schaffen. Darüber sollte das DRK dann Unterstützung für die Tafel leisten. Da die Tafel auch Menschen in den Gemeinden Ganderkesee und Hude versorgt, wären auch die dortigen Bürgermeister mit einzubinden.
Kritiker der Schaffung von hauptamtlichen Strukturen verweisen aber darauf, dass es in der Stadt mindestens 60 andere Vereine gäbe, die auch Unterstützung durch die Stadt geltend machen könnten. Die Tafelarbeit werde bundesweit von Menschen getragen, "die uneigennützig Hilfsbereitschaft zeigen" wollen. Das beeindruckt auch Norbert Boese. Delmenhorsts ehemaliger Oberstadtdirektor hat jetzt zusammen mit der SPD-Ratsfrau Andreas Lotsios nach Menschen Ausschau gehalten, die die Arbeit der Tafel aktiv unterstützen wollen. 16 neue Mitglieder wurden auf diese Weise geworben. "Die Mitgliedsanträge wurden der ersten Vorsitzenden Walburga Bähre vor einigen Tagen persönlich überreicht", sagt SPD-Fraktionsvize Andrea Lotsios. „Es ist uns ein besonderes Anliegen, den Vereinsstatus zu erhalten, dafür bieten wir unsere tatkräftige Mithilfe an“, sagte Norbert Boese. Die Fraktion der SPD hätte sich bereits im März persönlich davon überzeugt, was die Tafel leiste.
Wichtig für die Fortsetzung der Tafelarbeit ist nach Meinung von Insidern auch, dass bisherige Aktivposten bereit wären, neue Mitglieder in ihre Fußstapfen treten zu lassen. Es wird hinter vorgehaltener Hand gesagt, dass die bisherige Chefin Walburga Bähre nicht loslassen könne. Bei den Helfern des Vereins habe es dadurch eine sehr hohe Fluktuation gegeben, auch daran lasse sich eine gewisse Unzufriedenheit mit bestimmten Aktivisten ablesen.