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Katastrophenschutz vor Ort „Nicht einsatzbereit“: Heftige Vorwürfe von DRK-Helfern in Delmenhorst

Die Vorwürfe von Helfern des Deutschen Roten Kreuz aus der Bereitschaft für Katastrophenfälle wiegen immer schwerer. Gleichzeitig wehrt sich die Organisation dagegen.
09.04.2025, 14:49 Uhr
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„Nicht einsatzbereit“: Heftige Vorwürfe von DRK-Helfern in Delmenhorst
Von Sebastian Hanke

Arroganz, massiver Druck und jahrelange Probleme: Die Vorwürfe, der Mitglieder der bisherigen Einsatzbereitschaft des Deutschen Roten Kreuz (DRK) in Delmenhorst wiegen schwer. 53 von 56 Ehrenamtlichen haben am Sonntag in einer Sammelerklärung ihren Rücktritt aus der Bereitschaft erklärt (wir berichteten). Neuesten Angaben zufolge sollen rund 50 Helfer an ihrer Entscheidung festhalten. Die Einheit war im Katastrophenschutz in Delmenhorst eingebunden und kam unter anderem als Schnelle-Einsatzgruppe bei Massenkarambolagen, Naturereignissen oder Großveranstaltungen zum Einsatz.

DRK-Bereitschaft ärgert sich über Unterbringung

Doch offenbar war nicht immer gegeben, dass man auch hätte ausrücken können, wenn etwas passiert wäre. Für diese Recherche hat der DELMENHORSTER KURIER mit normalen und leitenden Mitgliedern der Bereitschaft, deren Namen uns alle bekannt sind, gesprochen und Schriftverkehre eingesehen.

Es habe nicht nur an Kleinigkeiten wie Mützen oder geeignetem Schuhwerk für Teile der Bereitschaft gemangelt, sondern zeitweise auch an einsatzfähigen Fahrzeugen und intakten Zelten. Im vergangenen Jahr habe man sich bei einem Einsatz sogar Unterstützung von einer anderen Hilfsorganisation holen müssen, da die DRK-Bereitschaft andernfalls nicht hätte ausrücken können. Florian Schulz vom DRK-Kreisverband Delmenhorst entgegnet auf Nachfrage: "Hinweise auf Bedarfe oder Mängel wurden regelmäßig aufgenommen und – sofern organisatorisch und finanziell realisierbar – zeitnah bearbeitet."

Ein weiteres Problem war für die Bereitschaft derweil ihre Unterbringung. Nachdem das DRK ein Gebäude am Reinersweg erworben hatte, sei dort zunächst die Bereitschaft untergebracht worden. 2023 wurde das Gebäude jedoch aufgrund der Flüchtlingssituation in eine Unterkunft für Geflüchtete umgewandelt. Seitdem standen der Bereitschaft zwei Container und ein Materialzelt auf dem Hinterhof zur Verfügung. Die Helfer hätten nach eigenen Angaben nie ein Problem damit gehabt, für die gute Sache zurückzustehen – wohl aber damit, dass gemachte Versprechen bezüglich eines neuen Quartiers nicht eingehalten worden seien. Der Ersatz reichte bei Weitem nicht aus und entspräche auch nicht den Anforderungen.

Stromgeneratoren zwischen Müllsäcken

"Aufgrund der Witterung ist ein nennenswerter Teil der Ausstattung für die Tonne", berichtet ein Helfer. Zudem sei das Materialzelt über Monate hinweg zweckentfremdet und zur Lagerung von Müll aus der Flüchtlingsunterkunft genutzt worden. Zwischen Zelten und Stromgeneratoren für Katastrophenfälle haben sich Hunderte Müllsäcke befunden – entsprechende Fotos aus dem Oktober 2024 liegen der Redaktion vor. "Es handelt sich um einen untragbaren Zustand", kritisiert einer der Ehrenamtlichen.

In Brandbriefen an den Vorstand um den Vorsitzenden Rudolf Mattern wies die DRK-Bereitschaft eigenen Angaben zufolge mehrfach auf die Missstände hin. "Wir sind nicht mehr einsatzbereit", hieß es in einem der Schreiben. Ein Beteiligter schildert uns: "Leider wurde auf diese Briefe mehrfach nicht oder mit Arroganz reagiert."

Uneinigkeit über Dialogverlauf

Nach der letzten Kontaktaufnahme im März lud der Vorstand in der vergangenen Woche dann zum "Gespräch über die Schreiben der Bereitschaft" ein, wie es in der Einladung wörtlich hieß. Der Austausch sei laut DRK "konstruktiv und lösungsorientiert" verlaufen, die Ehrenamtlichen sprechen von einer "Farce". Eine Aussprache sei verweigert worden, heißt es mehrfach. Schulz sagt: "Es gab zu keinem Zeitpunkt Anzeichen oder Aussagen, die das nachfolgende Handeln am Wochenende ankündigten oder rechtfertigen würden."

Er merkt gleichzeitig an, dass schon auf der Mitgliederversammlung im Dezember eine erste "deutliche Spannungslinie" sichtbar geworden sei. Damals sei vom damaligen Kreisbereitschaftsleiter Christopher Burke kurzfristig ein weiterer Kandidat für den DRK-Vorsitz vorgeschlagen worden – nach unseren Infos handelt es sich dabei um Michael Venzke, ehemaliger-Geschäftsführer der Arbeiterwohlfahrt. Zuvor hätte man sich eigentlich einstimmig verständigt, dass Mattern kandidiert. "Dieses Vorgehen wurde von vielen als strategisch motiviert und ungewöhnlich empfunden", so Schulz. Burke dementiert, dass er den zweiten Kandidaten ins Spiel brachte.

Helfer berichten von Druck und Drohungen

Unterdessen schildern mehrere zurückgetretene Helfer, dass vor allem junge Ehrenamtliche, die den Rücktritt mittragen, massiv unter Druck gesetzt werden. Da manche Helfer auch im Hauptamt beim DRK beschäftigt sind, werde mit dienstlichen Konsequenzen gedroht, ein Praktikant musste bereits gehen.

Das DRK distanziert sich: "Wir möchten mit Nachdruck klarstellen: Von keiner unserer derzeit verantwortlichen Führungskräfte wurde in irgendeiner Weise Druck auf Helferinnen oder Helfer ausgeübt. Stattdessen wurde ein aktives, respektvolles Nachfragen zur aktuellen Situation durchgeführt." Diese sei herausfordernd, aber auch eine Chance zur Weiterentwicklung. "Wir arbeiten aktiv an der Aufarbeitung der Geschehnisse", merkt Schulz an: "Die Einsatzfähigkeit des DRK Kreisverbandes Delmenhorst war und ist zu jeder Zeit vollumfänglich gewährleistet."

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