Für Radfahrer ist die Situation in Delmenhorst widersinnig: Einerseits wird von der Stadtverwaltung die Zahl der Radfahrer unter allen Verkehrsteilnehmern mit 24 Prozent als verhältnismäßig hoch angegeben, andererseits sind die vielen Radfahrer mit der Infrastruktur häufig unzufrieden. Im diesjährigen Fahrradklima-Test, den der Fahrradclub ADFC alle zwei Jahre in vielen deutschen Städten erheben lässt, kommt Delmenhorst auf eine Durchschnittsnote von 4,25. Und für Gerd Gramberg, Vorsitzender der Delmenhorster ADFC-Sektion, ist klar: "Das größte Problem in Delmenhorst ist einfach die Qualität der Radwege." Ähnliches hört man hinter vorgehaltener Hand sogar aus dem dafür zuständigen Fachdienst Verkehr im Rathaus. Dort werde allerdings auch eine Menge getan, meint Gramberg. Jedoch mangele es nach seinem Empfinden einerseits an Geld und andererseits an Personal.
"Immerhin ist mittlerweile in den Köpfen der Fachleute angekommen, dass die Verbesserung des Radverkehrs sinnvoll ist", sagt Gramberg und ist zudem froh, dass der Radverkehr immerhin nicht aktiv durch Politik und Verwaltung torpediert wird. "Delmenhorst will Klimamusterstadt sein und der Radverkehr könnte dabei eine treibende Stütze sein", sagt Gramberg. Und mit dem im Jahr 2019 beschlossenen Verkehrsentwicklungsplan wurde zudem festgelegt, dass Delmenhorst fünf Radrouten bekommen soll, die von der Innenstadt sternförmig an die Ränder führen sollen. Doch die Sache hat einen Haken: Seit dem Beschluss ist nur ein kleines Stück von einer der fünf Radrouten geschaffen worden. "Warum geht es da nicht weiter", fragt sich Gramberg. Und ein Blick auf die Internetseite der Stadtverwaltung gibt vielleicht eine Teilantwort, denn dort, wo früher noch darauf hingewiesen wurde, dass im Fachdienst eigens eine Stelle für den Radverkehr geschaffen wurde, fehlt dieser Hinweis unterdessen. Der Mitarbeiter hat die Stadtverwaltung offenbar verlassen. Eine Stellungnahme der Stadtverwaltung dazu, steht noch aus.
Kein Personal um Fördergeld auszugeben
Gerade im Bau- und Planungsbereich hat die Verwaltung immer wieder mit einer hohen Fluktuation zu kämpfen. Kommen neue Mitarbeiter, sind diese mitunter schnell wieder verschwunden, weil in den größeren Nachbarstädten höher dotierte Stellen besetzt werden müssen. Die Kommunen im Umland konkurrieren um eine kleine Zahl potenzieller Mitarbeiter. Darunter leiden letztlich die unterliegenden Städte und Gemeinden. Das sei auch insofern schade, als dass von Bundes- und Landesregierung viel Fördergeld locker gemacht werde, das aufgrund der Personalsituation nicht abgerufen werden könne.
Wenn allerdings in Delmenhorst die Straßen neu gemacht werden, dann werde dabei mittlerweile auch verstärkt an den Radverkehr gedacht. Die neugestaltete Kreuzung der Oldenburger Straße, der Brauenkamper Straße und der Dwostraße findet Gramberg bereits vor Abschluss der Bauarbeiten gelungen. "Die Teile, die man schon befahren kann, sind definitiv besser als vorher", sagt Gramberg. Und er lobt, dass die Bordsteinkanten an den Radwegen flacher werden und das oft als rumpelig empfundene Kleeblatt-Pflaster der Radwege einem glatteren Belag weicht, der das Fahren komfortabler macht.
Verkehrsschilder nicht auf Radwegen abstellen
Andererseits werde bei anderen Tiefbauarbeiten mitunter nicht an die Bedürfnisse der Radfahrer gedacht. Wird eine Straße etwa für Kanalarbeiten aufgerissen und dafür abgesperrt, müssten die Absperrungsschilder nicht zwangsläufig auf dem Radweg platziert und dort zum Hindernis werden. "Manche Bauunternehmer sind mit den aktuellen Regeln nicht vertraut", sagt Gramberg. Deshalb wünsche er sich ein festes Standard-Regelwerk für Delmenhorst, wie Radwege angelegt werden, wie Baustellen abgesperrt werden und wie die Bauunternehmen über die Delmenhorster Standards in Kenntnis gesetzt werden.
Und dabei könne man auch von anderen Kommunen lernen: "In Osnabrück hat man sehr viel für den Radverkehr getan", sagt Gramberg und fragt sich gleichzeitig, ob es nicht das Falsche gewesen sei. Denn die dortigen Neuerungen würden von den Radfahrern nicht so angenommen, wie es sich die Verantwortlichen vielleicht gewünscht haben. "In Osnabrück wurden die Radwege auf die Straßen gepinselt", erklärt Gramberg. "Das ist an sich ein ehrenwertes Vorhaben, aber viele Radfahrer haben einfach Angst, wenn direkt neben ihnen dann schwere Lastwagen vorbeifahren und fahren dann lieber auf dem Bürgersteig." In Delmenhorst gebe es jedenfalls noch eine Menge zu tun.