Wenn an einer Schule etwas verändert werden soll, bedarf das einiger Vorbereitungen. Und weil die Politik dem Schulzentrum Süd positive Signale in Sachen Oberschule zufunkte, hatte der Schulvorstand auch schon in diese Richtung geplant. Anders als der Fachausschuss, hat sich aber der Rat im Oktober gegen die Einrichtung einer Oberschule ausgesprochen. Rektor Hergen Hillje fühlt sich ausgebremst und hat sich nun in einem offenen Brief beschwert. Das Kuriose: Offenbar beruht die Situation auf einem Abstimmungsfehler.
Delmenhorst. Dass kaum ein Politiker so richtig gegen eine Oberschule am Schulzentrum Süd ist, war schon in den Sitzungen des Schulausschusses deutlich geworden. Der Rat hatte allerdings mit knapper Mehrheit abgelehnt, einen entsprechenden Antrag zu stellen. Rektor Hergen Hillje kann diesen Beschluss nicht nachvollziehen. Daher hat er sich nun mit einem offenen Brief im Namen des Schulvorstands an die Politik gewandt: Die Antworten sind vorhersehbar bis höchst erstaunlich.
"Ein ,Nein’ zur Oberschule im Stadtsüden, ohne eine Begründung der ablehnenden Parteien! Für uns, die wir bereits viel Zeit und Energie in dieses Projekt haben fließen lassen, sieht es nach einer bewussten Verzögerung aus", schreibt Hillje für den Schulvorstand des Schulzentrums Süd. Die Nachricht, die am späten Mittwochabend an alle Ratsfraktionen ging, hält die ganze Enttäuschung und Ungeduld der Beteiligten fest. Auf Nachfrage erklärt Hillje, was schon alles in Sachen Oberschule vorbereitet wurde. Der Schulvorstand habe über die Ausgestaltung der Schulform diskutiert, sich etwa dafür entschieden, zunächst jahrgangsbezogene Klassen einzurichten, also Real- und Hauptschüler in den ersten Jahren gemeinsam zu unterrichten. Arbeitsmaterial wurde gesichtet und besprochen – auch, wie der Nachmittagsunterricht genutzt werden könnte, war Thema. Wenn das Schulzentrum noch 2013 eine Oberschule werden solle, müsse man sich bald um weitere Detailfragen kümmern, sagt Hillje. "Die Zeit drängt."
Das sieht auch die CDU so, die ohnehin großer Freund von Oberschulen ist – schließlich ist die Schulform das Produkt schwarz-gelber Ideen. "Die Schule selbst hat viele Gestaltungsmöglichkeiten, das ist der Vorteil. Die Struktur ist nicht so starr wie bei anderen Schulformen", findet Christdemokrat Michael Adam. Außerdem sieht er die Eltern auf seiner Seite. Tanju Satiloglu (FDP) unterstreicht: "Wenn das der Elternwille ist, müssen wir dem auch nachkommen." Beide können nicht verstehen, dass SPD und Grüne im Rat gegen den Antrag gestimmt haben – zumal sich im Fachausschuss zuvor eine Mehrheit gefunden hatte, die die Umwandlung in eine Oberschule unterstützte. "Das hat uns sehr überrascht, wir wussten gar nicht, woher das plötzlich kommt", hält Satiloglu fest. Uwe Dähne (UAD) vermutet, dass SPD, Grüne und Linke die kürzlich beantragte zweite Integrierte Gesamtschule (IGS) vor Konkurrenz schützen wollen. Dähne: "Warum sagen sie nicht offen: ,Wir wollen nur noch IGS’? Sie sagen es nicht, aber handeln so."
Eine Einschätzung, die Andrea Meyer-Garbe (SPD) entschieden von sich weist. Die Sozialdemokraten seien durchaus bereit, dem Wunsch der Schule nachzukommen – allerdings noch nicht sofort. "Wir wollen die Erkenntnisse in Sachen Schulentwicklungskonzept abwarten", sagt sie. "Ich denke, da wird auch in relativ kurzer Zeit etwas möglich sein." Die Bemühungen des Schulzentrums wisse sie zu schätzen, betont sie und bittet um etwas Geduld.
Besonders überraschend ist allerdings die Antwort von Henning Suhrkamp (Grüne) auf die Frage, warum der Schulvorstand in Süd nun noch immer keine feste Marschrichtung hat. "Ja, wir haben den Antrag in der entscheidenden Ratssitzung abgelehnt – das war ein Versehen. Wir wollten uns enthalten." Denn einerseits stünden die Grünen eben für möglichst langes gemeinsames Lernen aller Schüler ein. Andererseits "wollen wir das Anliegen der Schule nicht blockieren". Das mit der Enthaltung klappte aber nicht. Nach einer langen Ratssitzung hätten Mitglieder "die Hände an falscher Stelle gehoben". Nun bleibe also nur, den Antrag noch einmal zu stellen. Dass der im zweiten Anlauf durchgehe, bezweifle er nicht, sagt Suhrkamp, der Vorsitzender des Bildungsausschusses ist. Derselbe Fehler werde seiner Fraktion nicht noch einmal unterlaufen.
Von der zweiten IGS gibt es derweil noch keine endgültige Nachricht. Die Verwaltung habe sie im Oktober beantragt, heißt es aus dem Rathaus, dann habe das Ministerium noch weitere Unterlagen haben wollen, die nun auch in Hannover liegen. Ob das Kultusministerium entschließt, dass die Schülerzahlen in Delmenhorst für eine zweite IGS reichen, könnte aber schon bald entschieden sein: Ungefähr drei Monate, schätzt ein Sprecher, dauert es in der Regel, bis Zu- oder Absage kommen.