Vor welchem Mannschaftsteil des Fußball-Oberligisten SV Atlas Delmenhorst die gegnerischen Trainer momentan am meisten Respekt haben, wurde während der Pressekonferenz nach dem 2:0-Sieg über den Heeslinger SC deutlich. Heeslingens Coach Malte Bösch hatte bei seinem Statement zum Spiel sofort die passenden Zahlen parat und sagte: "Man hat heute gesehen, warum Atlas in den zehn Spielen unter Key Riebau erst drei Gegentore kassiert hat." Ganz klar: Bösch hatte sich im Vorfeld offenbar genau mit der Atlas-Abwehrstärke beschäftigt, dennoch schaffte es auch seine Mannschaft nicht, einen Treffer gegen die blau-gelbe Wand zu erzielen. Seit 434 Minuten halten die Delmenhorster bereits die Null. Was steckt hinter dieser bemerkenswerten Bilanz?
Eingespieltheit: In fünf von zehn Spielen seit Riebaus Rückkehr auf den Trainerstuhl lautete die Defensivbesetzung wie folgt: Linus Urban, Marlo Siech, Dylan Burke, Ibrahim Temin in der Viererkette und Josip Tomic davor auf der Sechser-Position. In den anderen Partien gab es vereinzelte Umstellungen, teilweise bedingt durch Verletzungen, doch Riebau setzt hinten auf Konstanz und wechselt nur wenig. Im Tor ist Damian Schobert gesetzt, der nur wegen einer Verletzung und einer Rotsperre mehrere Partien verpasste. Das Ergebnis der wenigen Wechsel: Die Atlas-Defensive ist sehr gut aufeinander abgestimmt. "Wir verhindern oft gefährliche Situationen durch Kommunikation. So lassen wir gegnerische Chancen gar nicht erst entstehen", schilderte Schobert. Der Atlas-Torwart steht in Absprache mit den Innenverteidigern Siech und Burke stets etwas weiter vor seinem Kasten, um lange Bälle des Gegners erlaufen zu können. "Die Abstimmung stimmt. Wir können uns hinten blind aufeinander verlassen", verdeutlichte Siech.
Erfahrung: Marlo Siech ist 27, Dylan Burke 28, Ibrahim Temin 32 und Josip Tomic 31 Jahre alt. Sie verfügen allesamt über Regionalliga-Erfahrung. Dazu kommt Torwart Damian Schobert, der 25 Jahre alt ist und auch schon vieles erlebt hat, beim BFC Dynamo in Berlin spielte er mitunter vor großer Kulisse. Siech, Burke, Temin, Tomic und Schobert bringt so schnell nichts aus der Ruhe. Der 20-jährige Rechtsverteidiger Linus Urban ist der einzige Youngster in der Stamm-Defensivformation des SV Atlas und profitiert von der Routine seiner Nebenleute.
Teamspirit: "Wir haben eine gute Teamchemie. Jeder kämpft für den anderen", hält Siech fest. Was abgedroschen klingt, ist gerade in der Abwehr besonders wichtig. Macht einer einen Fehler, droht in diesem Mannschaftsteil sofort ein Gegentor. Stürmer dürfen etwas probieren, dürfen tricksen, dürfen dribbeln. Nach Ballverlusten bleibt in der Regel genug Zeit, um das Spielgerät zurückzugewinnen. Abwehrspieler dagegen sollten das Risiko niedrig halten. Gehen sie am eigenen Strafraum ins Dribbling und verlieren den Ball, gibt es höchstwahrscheinlich Gemecker, denn oft ist das Resultat eines solchen Fehlers ein Gegentor. Auch Stellungsfehler oder verlorene Zweikämpfe können in der Defensive leicht spielentscheidend sein. Versuchen aber die Nebenleute mit aller Macht, einen Fehler auszubügeln, steigen die Chancen, Schlimmeres zu verhindern.
Gesetz der Serie: Neun Siege in zehn Spielen gelangen Atlas unter Riebaus Leitung mit nur drei kassierten Treffern. Zum Vergleich: In den 13 Partien davor waren es 22 Gegentore. Seit 434 Minuten steht aktuell die Null, das ist der Topwert in der Oberliga Niedersachsen. Keeper Schoberts persönliche Bilanz ist noch besser: Seit 562 Minuten weist er eine weiße Weste auf. Klar, dass bei allen blau-gelben Defensivspielern das Selbstvertrauen momentan groß ist. Dazu kommt das nötige Glück. Man kennt es aus allen Ligen: Wenn eine Fußballmannschaft einen Positivlauf hat, dann läuft plötzlich vieles zu ihren Gunsten. Zu beobachten war das auch beim Atlas-Sieg über Heeslingen. Zwar hatte die Delmenhorster Abwehr den offensivstarken Gegner insgesamt gut im Griff und ließ wenige Chancen zu, doch im zweiten Durchgang wurden die Heeslinger dreimal brandgefährlich. Schobert, der seine baldige Vertragsverlängerung gegenüber dem DELMENHORSTER KURIER angekündigt hatte und inzwischen für zwei weitere Jahre unterschrieb, parierte einmal stark. Zweimal rettete die Latte. "Ein bisschen Glück war auch dabei", gab Siech zu und fügte an: "Aber das haben wir uns erarbeitet."