Alles begann mit einem Kulturschock für Florian Urbainski: Er hatte als Torwart die Jugenden des SV Werder Bremen durchlaufen und war gerade mit der zweiten Mannschaft in die dritte Liga aufgestiegen. "Ich habe da aber nur die dritte Geige gespielt und musste ehrlich zu mir sein und einsehen, dass ich kein Profifußballer werde", erinnert er sich. Er schaute sich daher nach einem neuen Verein um. Daniel von Seggern, langjähriger Kapitän beim SV Atlas Delmenhorst und späterer Niedersachsenpokalsieger-Trainer, lockte Florian "Benno" Urbainski zu den Blau-Gelben. "Wir kannten uns von Werder. Er hat mir von Atlas berichtet und mich heiß darauf gemacht. Delmenhorst ist zudem meine Heimatstadt. Ich habe mir dann das erste Mal ein Spiel angeschaut und gegen Tur Abdin waren gefühlt 2000 Leute da. Was gibt es da Besseres?", meint der 32-Jährige.
Die seinerzeit Verantwortlichen suchten das Gespräch mit Urbainski. Coach Jürgen Hahn, Co-Trainer Marco Büsing, Präsident Jörg Rosenbohm und der Sportliche Leiter Bastian Fuhrken luden den Keeper zu McDonald's am Hasporter Damm ein. Wobei es "Einladung" nicht ganz trifft. "Das nervt mich noch heute. Die stehen alle an der Kasse und holen sich einen Kaffee und lassen mich da stehen. Die wollten mich holen, aber da gibt mir keiner einen Kaffee aus. Den musste ich selbst kaufen. Das war der erste Kulturschock in Delmenhorst", erzählt Urbainski mit einem Lachen. Er entschied sich dennoch für die Delmestadt und lieferte sich von Beginn an ein Duell mit David Lohmann.
Immer Vollgas geben
Zunächst wechselten sich die Keeper quasi ab, bevor Urbainski in der Bezirksliga-Rückrunde den Vorzug erhielt. Doch das Duell blieb offen. "Mal war er drin, mal war ich drin", sagt Urbainski. In der Oberliga hatte dann Lohmann zunächst die Nase vorn, verletzte sich jedoch im ersten Spiel am Knie. "Ich bin reingekommen und so gut wie gar nicht mehr rausgegangen", berichtet der 32-Jährige. Das Verhältnis zwischen den beiden Keepern sei sehr gut gewesen. "Wir haben uns super verstanden. Für mich war die Situation daher nicht schwer. Ich hatte immer den Ehrgeiz, die Nummer eins zu werden und den nächsten Step zu machen. Ich habe daher immer Vollgas gegeben." Und das zahlte sich aus.
In der Oberliga etablierte sich Urbainski, stieg mit den Blau-Gelben in der aufgrund der Corona-Pandemie abgebrochenen Saison 2019/20 sogar in die Regionalliga auf. Die Glanzlichter in "Bennos" Atlasgeschichte stellten jedoch zweifelsohne die Pokalspiele da: Im April 2019 hielt er im Halbfinale des Niedersachsenpokals im Elfmeterschießen gegen Wunstorf mehrfach und verwandelte selbst den entscheidenden Elfmeter. Es folgten der Pokalsieg in Hannover gegen Bersenbrück und wenige Monate später das DFB-Pokal-Spiel gegen Werder Bremen im ausverkauften Weserstadion vor mehr als 41.000 Zuschauern. "Das war auf jeden Fall die interessanteste Zeit. Im Nachhinein ist ja alles gut gegangen, aber es war sehr turbulent", erinnert sich Urbainski. Zunächst wurde Jürgen Hahn entlassen, im Ligaendspurt auch noch dessen Nachfolger Olaf Blancke, sodass Daniel von Seggern das Ruder übernahm.
Urbainskis Meinung ist gefragt
Mit den Jahren stieg auch der Stellenwert Urbainskis beim SVA. "Neben den sportlichen Erfolgen waren für mich die Entwicklungsschritte wichtig. Mit mir und auch anderen Spielern wurde über Entscheidungen gesprochen, unsere Meinung war gefragt", erzählt er. Und seine Meinung wird als künftiges Mitglied im Trainerstab weiter an Gewicht gewinnen. Doch warum beendet er mit nur 32 Jahren seine aktive Laufbahn? "Ich würde nach wie vor lieber auf dem Platz stehen", sagt er ehrlich. Doch in der Regionalliga wäre er kein Stammtorwart bei Atlas – diesen Posten hatte er an Rico Sygo verloren. "In der Bezirksliga sollen bei Atlas junge Torhüter lernen. Da muss ich als alter Sack keinen Platz wegnehmen", meint Urbainski. Zu einem anderen Verein wolle er auch nicht gehen. "Ich habe mich damit beschäftigt, mich aber schnell dagegen entschieden. Ich habe es nicht übers Herz gebracht, Atlas zu verlassen und alles hinter mir zu lassen. Auf keinen Fall. Ich muss bei Atlas bleiben", erklärt er.
Vermissen werde er das Spieltagsgefühl: "Das geht morgens beim Aufstehen schon los. Man ist angespannt. Als Torwart hat man direkt Bock, alleine in den entscheidenden Situationen zu sein. Komplett fokussiert zu sein, nur an sich zu denken. Von der Kabine aus geht's dann auf den Platz. Da kommt der Druck, aber das macht mir auch Spaß. Und das wird mir fehlen." Er habe aber auch Lust auf den neuen Job. "Ich bin überzeugt, dass ich das vernünftig und akribisch mache. Es ist der richtige Weg für mich", blickt er voraus. Es gehe darum, die Qualitäten von Talenten weiterzuentwickeln. "Wichtig ist, dass man als Trainer authentisch ist. Man muss zu 100 Prozent hinter dem stehen, was man sagt. Sonst hat man verloren", sagt er. Authentisch war er immer – und auch deswegen bei den Atlas-Fans außerordentlich beliebt.