In den vergangenen Monaten herrschte oft ein Durcheinander beim Regionalligisten TV Jahn Delmenhorst: Nachdem der Spielerinnen-Mannschaftsrat sich dazu entschlossen hatte, nicht mehr mit dem langjährigen Coach Claus-Dieter Meier zusammenarbeiten zu wollen, übernahm zur Saison 2020/21 – die großenteils der Corona-Pandemie zum Opfer fiel – Jörg Beese. Dieser wiederum überwarf sich vergangene Spielzeit mit dem Team, sodass Svetlana Simanic fortan die Geschicke leitete. Sie gab das Amt zum Saisonende 21/22 jedoch wieder ab. Frauenfußball-Chef Bernd Hannemann suchte vergeblich einen neuen Trainer und trat später von seinem Posten zurück. Meier bot sich als Trainer-Übergangshilfe an und musste feststellen, dass der halbe Kader, darunter mehrere Top-Spielerinnen, nicht mehr weitermachten und auch keine Testspiele vereinbart waren. Durch die fehlende Perspektive verließ auch noch Kapitänin Nathalie Heeren die Violetten und läuft künftig für den Ligakonkurrenten ATS Buntentor auf. Doch nun gibt es bei den Delmenhorsterinnen wieder eine Perspektive: Mit Daniel Prause übernimmt ein ambitionierter Trainer das Ruder – TV Jahn könnte hier ein richtiger Coup gelungen sein.
Prause weist eine sehr interessante Fußball-Vita auf: Er arbeitete mehrere Jahre als eine Art "Werkstudent" im Nachwuchsleistungszentrum von Werder Bremen und war später auch für die Videoanalysen bei der U19 Holstein Kiels verantwortlich. Zuletzt gehörte er nebenberuflich dem Trainerstab des Fußball-Regionalligisten FC Oberneuland an. Zunächst war er Co-Trainer von Christian Arambasic, bis dieser im vergangenen Winter zum BSV Rehden wechselte. Prause übernahm die Leitung beim FCO, konnte den Abstieg jedoch nicht mehr verhindern. "Es war klar mit dem Verein abgesprochen, dass ich nicht als Trainer mit in die Bremen-Liga gehe. Für etwas Unmut meinerseits sorgte, dass es zu keinem Gespräch über eine mögliche weitere Zusammenarbeit von Vereinsseite kam. Um den Trainerposten ging es aber nicht", sagt Prause.
Durch Zufall zum TV Jahn
Der Bremer suchte nun eine neue Aufgabe in diesem Sommer. Doch wie landete er beim TV Jahn Delmenhorst? Im Frauenfußball-Bereich war er bis dato nicht tätig. "Aus privaten Gründen habe ich keinen hauptamtlichen Job gesucht. Ich hatte ein paar Angebote, aber es hat nicht komplett gepasst. Am Rande habe ich dann mitbekommen, dass bei Jahn ein bisschen Unruhe herrschte und dass dort kein Trainer gefunden wurde. Das hat mich gewundert, immerhin ist das ein Drittligist. Und da soll es nicht möglich sein, strukturiert etwas auf die Beine zu stellen? Aus Interesse am Sport und weil mich die Liga reizt, habe ich Jahn dann angeschrieben", berichtet Prause. Seine Bewerbung stieß auf offene Ohren: "Der eingereichte Lebenslauf und der umfangreiche Tätigkeitsnachweis konnten nur dazu führen, dass der Verein den persönlichen Kontakt aufnahm. Gespräche in großer Offenheit und Ehrlichkeit haben schlussendlich dazu geführt, dass wir zusammenarbeiten wollen", teilt Hannemann mit. Er wurde trotz seines Rücktritts als Verantwortlicher für den sportlichen Bereich des Frauenfußballs von Vereinsseite gebeten, als Sonderbeauftragter für den Frauenfußball die notwendigen Aufgaben weiterhin zu übernehmen und Petra Zimolong, die als Abteilungsleiterin Frauenfußball für die Administration zuständig ist, zu unterstützen.
Prause weiß, dass er eine schwere Aufgabe übernommen hat. "Ich glaube, dass man hier ein spannendes Projekt starten kann. Aber klar ist, dass die Kadersituation wie ein Damoklesschwert über allem hängt. In der Quantität ist es sehr dünn. Es ist nicht gut gelaufen, es ist etwas wild. Ich habe nur drei, vier Wochen Vorbereitungszeit, aber das Transferfenster ist zu. Neuzugänge gibt es also nur, wenn man Spielerinnen findet, die aktuell keinen Verein haben", erklärt er. Die Frauen-Regionalliga ist zudem Neuland für den 31-Jährigen. Bei Werder Bremen hatte er lediglich losere Verbindungen zum Frauenfußball, ebenso wie zum Damenteam von Ajax Amsterdam. Prause machte seinen Master in Sportpsychologie am Johan Cruyff-Institut und hatte dadurch viel mit dem niederländischen Traditionsverein zu tun.
Von der Qualität überzeugt
In seine Verpflichtung war auch der Teamrat der Jahnerinnen involviert, zudem hat Prause mit fast jeder Spielerin persönlich gesprochen. "Ich habe mit ihnen geschrieben und telefoniert und auch ein paar Aufgaben reingegeben. Beispielsweise sollten sich die Spielerinnen selbst beschreiben und ihre Wunschformation angeben. Das haben sie sehr schnell und akribisch gemacht. Bei den ersten Trainingseinheiten war ich von der Qualität und der Bereitschaft sehr angetan. Die 'Jetzt erst recht'-Mentalität hat mich sehr beeindruckt", berichtet der Neu-Coach.
Ihm zur Seite steht Hannemann als Torhüterinnen-Coach sowie Claus-Dieter Meier. "Ich bin froh, dass die beiden dabei sind. Sie kennen den Verein und die Liga aus dem Effeff", sagt Prause. Auch Hannemann lobt Meier, der in die Gespräche mit seinem Nachfolger komplett involviert war. "Er hat sein 'Okay' gegeben. So ein Einsatz für den Verein und das Team ist ehrenhaft und zeugt von großem Teamgeist", teilt Hannemann mit.
Die Violetten hoffen nun, in ruhige Fahrwasser zu gelangen und eine neue Ära aufzubauen. In der kommende Woche stehen zwei Freundschaftsspiele auf dem Plan, bevor es im Niedersachsenpokal zum Oberligisten Rot-Weiß Göttingen geht. Die Liga beginnt am 28. August mit einem Heimspiel gegen den VfL Jesteburg.