Einige Hamburger Zuschauer waren etwas schockiert. Andere verfolgten eher belustigt, was sich nach dem Abpfiff auf der anderen Seite des Platzes vor dem Gästeblock abspielte. Die Spieler des Fußball-Regionalligisten SV Atlas Delmenhorst bekamen nach der 1:3 (0:0)-Niederlage bei der U21 des Hamburger SV am Sonnabend von zwei Wortführern ihrer Fans deutliche Worte zu hören. Es war eine Mischung aus Standpauke und Motivationsrede, die von der Tribüne in Richtung Mannschaft geschrien wurde. "Wir stehen für euch ein" war zu hören. Aber auch: "Ihr belohnt euch nicht, weil ihr keinen Männerfußball spielt."
Richtig schlecht gespielt hatten die Delmenhorster nicht, doch am Ende stand das siebte Spiel ohne Sieg in Serie. "Wir haben bis zum 1:1-Ausgleich der Hamburger ein super Spiel gemacht. Es war mehr drin", hielt Trainer Key Riebau fest. Er hatte die Startelf im Vergleich zur vorherigen 0:1-Niederlage gegen Eintracht Norderstedt auf drei Positionen verändert. Raoul Cissé rückte für Leo Weichert in die Innenverteidigung, Olivér Schindler für Efkan Erdogan ins Mittelfeld. Lamin Touray ersetzte zudem Oliver Rauh und agierte als Rechtsaußen. Marco Stefandl wurde zurückbeordert auf die Rechtsverteidigerposition im 4-1-2-3-System.
Mutig im Spiel nach vorne
Nach der schwachen Offensivleistung gegen Norderstedt hatte Riebau von seinen Spielern mehr Mut in der Vorwärtsbewegung gefordert, und sie setzten den Wunsch um. Schon in der zweiten Minute dokumentierte Mustafa Azadzoy dies, indem er aus 40 Minuten versuchte, Leo Oppermann zu überlupfen, doch der HSV-Torwart passte auf. Auf der Gegenseite schoss Robin Velasco über das Atlas-Tor (5.). Insgesamt waren die Delmenhorster vor der Pause aber die bessere Mannschaft. Vor 180 Zuschauern im Sportpark Eimsbüttel gingen sie mit viel Engagement in die Zweikämpfe und verbuchten ein Chancenplus.
Ousman Touray scheiterte aus kurzer Distanz an Oppermann (6.). Seine beste Tat zeigte der Keeper, der zum Hamburger Profikader gehört, als er einen Flachschuss von Azadzoy um den Pfosten drehte (37.). "Wir brauchen zu viele Chancen, um ein Tor zu erzielen", hielt Riebau fest. Es hätte zur aktuellen Atlas-Misere gepasst, wenn der SVA sogar schon mit einem unverdienten Rückstand in die Halbzeit gegangen wäre. Nach einem zu kurzen Rückpass von Florian Stütz war HSV-Stürmer Daouda Beleme schon an Atlas-Torwart Eike Bansen vorbei, doch Cissé klärte in höchster Not (44.). "Das Beste an der ersten Halbzeit war das Ergebnis, so ehrlich müssen wir sein", gab HSV-Trainer Pit Reimers zu. Er hatte seine Unzufriedenheit auch dadurch gezeigt, dass er schon in der 33. Minute Verteidiger Luis Seifert durch Timon Burmeister ersetzte.
Schindler trifft per Direktabnahme
Kurz nach dem Seitenwechsel fiel dann die überfällige Führung für die Gäste. Willem Hoffrogge chippte den Ball zu Ousman Touray, dessen gute Kopfballablage Schindler per Direktabnahme zum 1:0 ins Netz beförderte (49.). Der Treffer hätte den Delmenhorstern noch mehr Sicherheit geben können, diente stattdessen aber als Weckruf für die Hamburger. Fünf Minuten später war Moses Otuali nach einem Burmeister-Pass erst schneller als Cissé und dann schneller als Bansen am Ball. Anschließend musste er das Spielgerät nur noch ins leere Tor schieben – 1:1 (54.).
Beinahe hätte Atlas direkt reagiert, aber Ousman Touray scheiterte aus 16 Metern an Oppermann (58.). Die Delmenhorster verloren nach dem Ausgleich zunehmend die Ordnung und ließen der besten Offensive der Regionalliga Nord mehr Platz. Das rächte sich in der 60. Minute, als Beleme an Stefandl und Bansen vorbeizog und das 2:1 erzielte. "Die beiden ersten Gegentore waren Geschenke", ärgerte sich Riebau. Von den Rückschlägen erholte sich die angeschlagene Atlas-Elf nicht mehr. Riebau wechselte danach noch fünfmal aus, doch die Joker brachten keinen Schwung. Dass Rechtsverteidiger Oliver Rauh als Rechtsaußen in die Partie kam, sorgte bei mehreren Atlas-Fans auf der Tribüne für Unverständnis. "Wir wollten Geschwindigkeit", erläuterte Riebau. Dass der etatmäßige Stürmer Mattia Trianni erst kurz vor Schluss eingewechselt wurde, hatte mit dessen Verletzung zu tun. Riebau: "Er hatte nur einmal trainiert."
Noch mehr schlechte Nachrichten
Beleme sorgte noch für den 3:1-Endstand, als er eine Flanke von Velasco über Bansen ins Netz hob (80.). "Trotz des schnellen Gegentreffers war in der zweiten Halbzeit mehr Energie zu spüren, die spätestens mit dem Ausgleichstreffer komplett ausgebrochen ist", bilanzierte HSV-Coach Reimers. Für Atlas gab es derweil neben der Niederlage zwei weitere schlechte Nachrichten. In der Tabelle rutschte der SVA auf Rang 16 ab. Zudem sah Torschütze Schindler seine fünfte Gelbe Karte und ist somit für das Derby gegen das Schlusslicht Kickers Emden am Sonnabend (14 Uhr) gesperrt.
Innenverteidiger Leo Weichert, der bereits vier Gelbe Karte auf dem Konto hat, ließ Riebau bewusst auf der Bank, um keine Sperre zu riskieren. Stattdessen half Kapitän Florian Stütz zum wiederholten Male in der Innenverteidigung aus, hatte allerdings in Hamburg keinen guten Tag erwischt. "Gegen die schnellen HSV-Stürmer wäre die Gefahr groß gewesen, dass Leo Gelb sieht. Wir wissen um die Wichtigkeit der nächsten Spiele", sagte Riebau. Insbesondere dem Prestigeduell gegen Emden kommt nun eine sehr große Bedeutung zu. Das betonten auch die Atlas-Fans, als sie die Spieler nach dem Abpfiff ins Gebet nahmen. Riebau formulierte bereits ein Versprechen: "Wir werden den Fans etwas zurückgeben. Wir werden alles reinlegen und gegen Emden den Sieg holen."