Als das Spiel zu Ende war, mussten sich die Spieler des SV Atlas Delmenhorst vor dem Gästeblock einige deutliche Worte ihrer Fans anhören. Es dürfte nicht die letzte Standpauke gewesen sein, denn auch Trainer Key Riebau und der Sportliche Leiter Bastian Fuhrken waren mächtig angefressen. Mit einem Sieg hätten die Delmenhorster die Meisterrunde der Fußball-Regionalliga Nord erreichen und den vorzeitigen Klassenerhalt perfekt machen können, doch dann boten sie am Sonntagnachmittag beim HSC Hannover eine katastrophale Leistung und verloren mit 1:3 (0:1). "Das tut unendlich weh", sagte Riebau. "Mut, Kampf, Wille – der HSC war uns in jeder Hinsicht überlegen."
Ohne den gelbgesperrten Florian Stütz und den rotgesperrten Dimitrios Ferfelis musste der Atlas-Coach seine Startelf umbauen. Oliver Rauh rückte als Rechtsverteidiger neu ins Team. Im Mittelfeld bekamen Mohamed Darwish und Marek Janssen ihre Chance von Anfang an. Dazu kehrte Marco Stefandl nach seiner Sperre zurück in die Mannschaft. Nachdem am Sonnabend Werder Bremens U 23 gegen den SSV Jeddeloh mit 4:2 gewonnen hatte, bot sich den Delmenhorstern in Hannover die große Chance vorzeitig das Saisonziel Klassenerhalt zu schaffen. Diese Aussicht beflügelte die Mannschaft aber nicht etwa, sondern schien sie zu lähmen.
Fuhrken übt harte Kritik
Vor rund 180 Zuschauern, davon 70 aus Delmenhorst, waren die Gastgeber von Anfang an die klar bessere Mannschaft. Die Hannoveraner gingen mit viel Leidenschaft und Aggressivität in die Zweikämpfe, während die Delmenhorster den Fuß eher mal zurückzogen. "Ich kann es überhaupt nicht nachvollziehen, wie man nicht mit 100 Prozent Einsatz in solch ein Spiel gehen kann", sagte Fuhrken. "In der ersten Halbzeit haben nur Rico Sygo, Kerem Sari und Julian Stöhr die richtige Einstellung an den Tag gelegt. Was der Rest gezeigt hat, ist nicht unser Anspruch."
Völlig aus dem Konzept gebracht wurde die ohnehin schon lethargische Atlas-Mannschaft dann durch zwei verletzungsbedingte Ausfälle. Erst musste Kristian Taag vom Feld (17.), kurz darauf auch Philipp Eggersglüß (19.). Beide hatten sich am Knie verletzt, die genauen Diagnosen stehen noch aus. Oliver Schindler und Cerruti Siya kamen in die Partie. In der Delmenhorster Defensive herrschte durch die Umstellungen Unordnung, was Hannover eiskalt ausnutzte. Nachdem der Ball von Janssen unglücklich zu Melvin Zimmermann geprallt war, flankte dieser auf den zweiten Pfosten, wo Denis Vukancic ungedeckt zum 1:0 vollstreckte (20.). "Die Ausfälle ziehen sich bei uns durch die gesamte Saison", stöhnte Riebau. "Uns haben dann insgesamt acht Spieler gefehlt, das ist schwierig zu kompensieren. Man muss aber auch sagen, dass wir schon vor den verletzungsbedingten Auswechslungen Probleme hatten."
HSC vergibt gute Chancen
Und die Probleme wurden immer größer, bis zur Pause hätte der SVA leicht noch höher in Rückstand geraten können. Martin Wiederhold schoss ans Außennetz (24.), köpfte knapp über das Tor (28.) und schoss nach einem Ballverlust des völlig indisponierten Siya knapp daneben (34.).
Hannovers Trainer Martin Polomka hatte seine Mannschaft, die zuvor sechsmal in Folge nicht gewonnen hatte, hervorragend eingestellt. Für den Coach war es das letzte Heimspiel, er hört am Jahresende auf. "Wir waren die Mannschaft, die mehr wollte. Ich habe den Spielern verdeutlicht, dass wir Atlas mit einem Sieg in die Abstiegsrunde herunterziehen könnten. Damit würden wir dann die sechs Punkte, die wir gegen sie geholt haben, mitnehmen", erklärte Polomka, dessen Team bereits das Hinspiel in Delmenhorst mit 1:0 gewonnen hatte.
Steffen trifft den Pfosten
Nach der Halbzeit präsentierte sich der SV Atlas zunächst leicht verbessert. Riebau hatte Janssen ins Sturmzentrum beordert und seinen Spielern während der Pause offenbar eine deutliche Ansage gemacht. Die Riesenchance zum Ausgleich bot sich Tobias Steffen nach einem schönen Pass von Mattia Trianni, doch sein Lupfer klatschte an den Pfosten (52.). Darwish köpfte vorbei (57.). Proteste der Delmenhorster gab es dann, nachdem Janssen knapp neben das Tor geköpft hatte (76.). Der Stürmer war dabei mit Hannovers Torwart Leon Frelke zusammengestoßen, und Riebau forderte vehement einen Elfmeter, den Schiedsrichter Luca Jürgensen jedoch nicht gab.
Die Gäste wurden nun immer offensiver, was der HSC Hannover geschickt zu nutzen wusste. Nach einem cleveren Diagonalpass brach Can Gökdemir auf der Außenbahn durch und passte zum eingewechselten Christopher Schultz, der Sygo im zweiten Versuch überwand (79.). Immerhin gab sich der SV Atlas nicht auf und kam zum 1:2-Anschlusstreffer: Nach einer Ecke legte Philipp Eggert für Stefandl auf, der den Ball ins lange Eck beförderte (84.). Als die Delmenhorster alles nach vorne warfen, konterten die Gastgeber allerdings noch einmal schnell und kamen zum 3:1 durch Schultz (90.+3). Die extrem bittere Niederlage für Atlas war damit besiegelt, und Riebaus Fazit fiel ernüchternd aus: "Wir haben gar nicht stattgefunden und das Spiel vom Kopf her nie angenommen."